1. Märkische Allgemeine Zeitung
Kunst macht Kasse
Künstler und Kommerz / Andreas Wegner verkauft Waren aus Produktionsgenossenschaften
Der Kunstmarkt ist keine Kuschelecke. Das Klischee vom darbenden Maler, der erst posthum gewürdigt wird, ist längst passé. Heute machen sich Künstler öffentlichkeitswirksame Verkaufsstrategien zunutze. Wie der Brite Damien Hirst: Der brachte kürzlich seine Werke selbst zu Sotheby’s – ohne Hilfe einer Galerie. Einen Großteil der 223 Arbeiten hatte er eigens dafür produziert. Das Ergebnis war eine beispiellose Kapitalschlacht: 114,4 Millionen Pfund brachte die Auktion ein.
Auch der japanische Künstler Takashi Murakami hat keine Berührungsängste mit Kommerz. In seiner aktuellen Frankfurter Ausstellung hat er einen Louis-Vuitton-Shop installiert, in dem von ihm gestaltete Täschchen verkauft werden. Der Titel der Ausstellung: „©Murakami“.
Was Andy Warhol anstieß, treiben diese Künstler auf die Spitze: Kunst wird als Label und Motor für Wertsteigerung begriffen. Auch Andreas Wegner macht sich diesen Mechanismus zunutze: „Le Grand Magasin“ steht über der Eingangstür zur kommunalen Galerie in Berlin-Neukölln – das große Kaufhaus. Wer einen zynischen Kommentar zum Kunstmarkt erwartet, wird jedoch enttäuscht. Denn was Wegner macht, ist ein ganz anderes Kaliber: In der Galerie verkauft er Waren, die von Produktionsgenossenschaften hergestellt wurden.
Die Angebotspalette reicht vom Anti-Akne-Stift über Schuhlöffel, Pelzjacken, Eierbecher bis hin zu Puppenherd oder Tuba. Ansprechend fotografiert und arrangiert, sollen die Dinge Geldbeutel und Geist der Ausstellungsbesucher für gemeinschaftlich produzierten Waren öffnen.
Wegner hat sich mit den frühsozialistischen Theorien des Utopisten und Vaters der Genossenschaften Charles Fourier beschäftigt, Fragmente aus dessen Texten sind auch in der Galerie zu finden. An der Schau hängt ein monströses Projekt, das bis zum Ende des Jahres 2009 läuft: Künstler sollen mit Genossenschaften kooperieren. Die Ergebnisse werden in vier Ausstellungen in Ungarn, Tschechien und Deutschland dokumentiert. Außerdem sollen Studenten der Fakultät Art und Design der Universität in Usti nad Labem (Tschechien) zu Genossenschaften forschen. Gefördert wird das Projekt unter anderem von der Kulturstiftung des Bundes und dem EU-Kultur-Programm.
Das alles scheint der guten Sache zu dienen, weil Wegner nicht die eigenen Arbeiten, sondern Produkte der Genossenschaften promotet. Aber genau darin liegt das Problem: Wegner stellt die Kunst in den Dienst der Genossenschaften – der Kunst aber erweist er einen Bärendienst.
Wegner selbst formuliert das freilich so: Er unterwerfe den Konsum der Kunst. Weil er aber die Produkte verkauft, kann von Unterwerfung nicht die Rede sein. Die Ausstellung unterscheidet sich von einem gewöhnlichen Geschäft nicht. Auch der sicherlich hehre Anspruch, nur Waren anzubieten, deren Hersteller am Gewinn beteiligt sind, kann daran nichts ändern.
Wegners Beitrag sind schwarz-weiße Fotografien im Stil der Industriefotografie Anfang des 20. Jahrhunderts und wie er sagt, die ästhetische Präsentation der Waren. Doch das sind Marketinginstrumente – eine kritische Auseinandersetzung fördern sie nicht. Und so kramen die Ausstellungsbesucher im Kinderspielzeug, betasten Wolldecken und lugen in Schränke und Schubladen. Die Galerie wird zu einer Melange aus Kuriositätenkabinett, Kaufhaus und Rumpelkammer.
Thematisch hat Wegner sicherlich einen Nerv getroffen, schließlich werden seit der Finanzkrise alternative ökonomische Modelle wieder mit Leidenschaft diskutiert – nur die Kunst, die ist Wegner bei seinem Engagement für diese Idee leider abhanden gekommen.
Von Anne Meyer-Gatermann)
2. Veranstaltungsmagazin „zitty“
Andreas Wegner baut ein Kaufhaus: Gewinn für alle
Kaum hat man Andreas Wegner die Hand gegeben, steckt man bereits im Gespräch. Es
geht dabei zunächst weniger um Kunst als um Ökonomie. Bei einem wie bei dem
50-jährigen Berliner Künstler, dessen jüngste Projekte etwa „Point of Sale“ und
jetzt in Neukölln „Le Grand Magasin“ heißen, ist das wohl auch nicht
verwunderlich.
„Le Grand Magasin“, das große Warenhaus, heißt das Geschäft, das Wegner für
einige Monate in die kommunale Galerie im Saalbau in der Karl-Marx-Straße Stück
für Stück einbauen und anschließend durch Ungarn und Tschechien reisen lässt.
Ein Geschäft, in dem es tatsächlich jede Menge zu kaufen gibt – alles Dinge,
die von europäischen Produktivgenossenschaften hergestellt wurden. Also von
Unternehmen, bei denen die Arbeitenden nicht nur per Arbeitsvertrag angestellt,
sondern auch per Anteil Miteigentümer und per Stimmrecht sozusagen Mitglied der
Geschäftsleitung sind. Ein Modell, das in Italien und Spanien oder
postkommunistischen Ländern wie Ungarn und Tschechien weit verbreitet ist, sich
hierzulande aber nicht durchgesetzt hat. „Die Produktivgenossenschaft ist wegen
des Identitätsprinzips – ein Arbeitender, eine Stimme – die ideale Umsetzung
des Genossenschaftsgedankens“, sagt Wegner. „Es ist eine menschliche Form der
Organisation von Arbeit und Produktion, weil die Arbeiter direkt am Produkt
ihrer Arbeit beteiligt sind.“
Für die Ausstellung hat Wegner Waren aus etwa 20 Kooperativen zusammengetragen –
von Wollschals aus Spanien über Majoliken aus der Slowakei bis zu Aktendeckeln
aus Tschechien. Sogar eine waschechte Tuba, gefertigt in der einzigen
beteiligten deutschen Genossenschaft, kann erstanden werden, für stolze, aber
faire 10.000 Euro, die an den Hersteller gehen. Neben den Produkten erhält der
Besucher in Bild und Text Informationen über die Arbeitsbedingungen in der
jeweiligen Genossenschaft. Eine Werbeveranstaltung ist nicht beabsichtigt.
Längst nicht alle beteiligten Genossenschaften entsprächen dem Ideal, räumt
Wegner ein.
Mit „Le Grand Magasin“ knüpft er an „Point of Sale“ 2004 in Wien an. Auch damals
richtete Wegner ein Geschäft auf Zeit ein. In dem Laden konnte man Lebensmittel
aus biologischer und konventioneller Landwirtschaft erstehen, die aber nicht
getrennt voneinander präsentiert wurden, sondern unmittelbar nebeneinander: Die
Packung Cornflakes vom Agrarmulti stand direkt neben der Packung Cornflakes vom
Biobauern aus der Region. Der Bioladen als Kritik an der kapitalistischen
Wirtschaftsweise geht Wegner aber heute nicht mehr weit genug. „Die ökologische
Perspektive verstellt den Blick auf die Arbeitsbedingungen, unter denen die
Produkte hergestellt werden“, sagt er. Ein anderes Beispiel für eine verengte
Sicht seien die TransFair-Produkte, die über eine Discountkette wie Lidl
vertrieben werden, deren miese Arbeitsbedingungen notorisch seien.
Zugegeben, ein Geschäft wie „Le Grand Magasin“ hat es bislang in dieser Form
nicht gegeben. Aber wo ist bei diesem Projekt, das von der Bundeskulturstiftung
aus dem Fonds „Arbeit in Zukunft“ gefördert wird, das Künstlerische? Hat Wegner
nicht eine Rolle übernommen, die viel eher Sozial- und Wirtschaftstheoretikern
oder Geschäftsinhabern zukommt? Wegner verneint vehement: „Ich bin naiv an die
Recherche gegangen und habe mich informiert, wie die Genossenschaften aufgebaut
sind, welche Dachverbände es gibt und so weiter. Ich bin von der Praxis
gekommen, eine Umsetzung in einen theoretischen Zusammenhang folgt erst als
zweiter Schritt.“ Am Ende soll ein Buch mit Projektbeschreibungen und mit
Porträts der Genossenschaften von dem Berliner Autor Helmut Höge erscheinen.
Die Messer und Körnermühlen, die es im „Grand Magasin“ zu kaufen gibt, wurden in
realen Produktionsabläufen gefertigt. Wegner verkauft die Dinge zu marktgängigen
Preisen und schlägt wie üblich einen Zuschlag auf den Einkaufspreis drauf, um
eigene Einnahmen zu erwirtschaften (und um die Vorgabe der Bundeskulturstiftung
zu erfüllen, für das von ihr geförderte Projekt auch Eigenmittel beizutragen).
Aber die Idee, über einen Shop die Produktivgenossenschaft als Alternative zu
den gängigen Produktionsweisen des Spätkapitalismus ins Gespräch zu bringen,
ist ein künstlerischer Ansatz, genauso wie die Verwirklichung, von den ersten
Gesprächen bis zur Einrichtung des Geschäfts. Vielleicht gibt es ohnehin eine
besondere Affinität von Künstlern zum Genossenschaftsgedanken. Gilt doch der
Künstler selbst als Prototyp des in einem nicht entfremdeten Zusammenhang
lebenden und arbeiten Menschen. Zumindest in der Theorie.
Von Johannes Wendland.
3. tageszeitung, Lokalkultur
Schaufenster der Genossen/ von Saskia Vogel
„Kallamacka“ nennen Neuköllner Kids die Karl-Marx-Straße. Hier gibt es ein neues Kaufhaus mit dem mondänen Namen >Le Grand Magasin<. Wer durch den vergoldeten Eingang tritt, den erwarten allerdings keine Luxuswaren, oder vielleicht doch? In den Auslagen jedenfalls liegen Kosmetika und Kaschmirschals. Alle Artikel stammen aus dem sogenannten Non-food-Bereich und alle können erworben werden. Das Besondere: Sie wurden ausnahmslos in Genossenschaften hergestellt.
„Das Bewusstsein für Produkte aus solidarischer Arbeit stärken“, definiert Initiator Andreas Wegner, von Beruf bildender Künstler, das Ziel des neuartigen Kaufhauses, das eigentlich eine Verkaufsgalerie ist. Le Grand Magasin ist bewusst minimalistisch gestylt, denn Wegner will sein Kaufhaus keinesfalls als Eine-Welt-Laden verstanden wissen, als gebe es hier nur Holzketten in heimeliger Atmosphäre zu erwerben. Im Unterschied dazu biete Le Grand Magasin eine viel breitere Produktpalette, darunter Haushaltsgeräte. Und auch eine „Fair-Trade“-Galerie hat Wegner nicht geschaffen. „Was bedeutet schon fairer Handel? Dass die Arbeiter nicht skrupellos ausgenutzt werden, ja. Dass sie Eigentümer und damit Entscheidungsträger des Betriebes sind, aber nicht.“
Fast anderthalb Jahre lang haben Wegner und sein Team in ganz Europa nach „sozialistischen Inseln im Kapitalismus“ recherchiert. Zwar gebe es mit „Cooperatives Europe“ einen europäischen Dachverband, viele Genossenschaften seien aber schwer ausfindig zu machen gewesen, so Antonia Herrscher, Pressereferentin von Le Grand Magasin.
Eklatant seien die regionalen Unterschiede, sagt Herrscher. In Deutschland ist das Genossenschaftswesen nur schwach ausgebildet, hier hat man mit dem Musikinstrumentenhersteller Miraphon tatsächlich nur einen für die Galerie passenden Betrieb gefunden. In Tschechien, aber auch außerhalb der ehemaligen Ostblockstaaten, ist das Genossenschaftswesen hingegen stärker ausgeprägt. In Spanien und Italien etwa wird es von der Regierung als „förderungswürdig“ anerkannt, trotzdem haben die meisten Betriebe am Markt zu kämpfen: „Kapitalisten verhandeln nicht gerne mit ,Wir-eGs‘, in denen die kollektiven Entscheidungen oft Monate dauern“, sagt Herrscher. Das Team hat 15 der über 30 beteiligten Genossenschaften besucht und festgestellt, dass die meisten nur zögerlich auf die Idee reagierten, ihre Ware in einer hippen Galerie zu präsentieren. Es herrscht ein Defizit in den Bereichen Marketing und Design.
„Genossenschaftliche Produkte sind zwar hochwertig, sehen aber nicht immer gut aus“, erläutert Wegner. Deswegen hat er die Betriebe mit Künstlern vernetzt. Zum Vorteil beider Parteien, da es den einen an ästhetischem Know-how fehle, den anderen hingegen oft an Produktionsmöglichkeiten. Das erste Ergebnis dieser Kooperation ist eine Kommode aus lackiertem Holz, die eine Anklamer Manufaktur nach den Entwürfen von Barbara Steppe anfertigte. Sie kostet 1.280 Euro. „Bei uns werden die Künste nicht unter das Primat der Ökonomie gestellt, sondern machen sich diese nutzbar“, sagt Wegner. Deshalb sei Le Grand Magasin kein reines Kaufhaus, sondern zugleich eine Galerie. Mit einem geplanten Onlinekatalog genossenschaftlicher Produkte will man weitere Impulse setzen. Und an der tschechischen Universität in Ústí nad Labem befassen sich Art- und Design-Studenten jetzt sogar mit innovativen Gestaltungsmöglichkeiten für Genossenschaften. Die Kommode ist stylish, der restlichen Produktpalette ist das Designdefizit teils anzumerken. Wegner hat recht, das Le Grand Magasin mehr bietet als Krimskrams aus dem Eine-Welt-Laden. Trotzdem gibt es auffällig viel Holzspielzeug, ein Produkt, wie es typisch für Genossenschaften zu sein scheint. Daneben werden Produkte gezeigt, die Klischeevorstellungen überraschend brechen: Nagellack und Waschmaschinen. Die Schuhe und Textilien wirken, wenn auch hell und freundlich präsentiert, mitunter altmodisch. Nicht alle würden wohl den Ansprüchen von bewusst, aber modern konsumierenden Loha-Familien aus Prenzlauer Berg gerecht werden. Die Glaskaraffe für 25 Euro passt hingegen auch in eine Minimalistenküche.
Lohas zum Kauf animieren ist jedoch auch gar nicht das Ziel von Wegner. Er will eine unkommentierte Leistungsschau bieten und zeigen, dass neben den Ideen von Bio und Fair Trade auch noch das genossenschaftliche Arbeiten existiert. Ob diese Produktionsform in Deutschland zukünftig einen Aufschwung erlebt, darüber will Wegner nicht spekulieren. Kann wenigstens der genossenschaftliche Konsumartikel zum neuen „Gutes Gewissen“-Produkt avancieren? Ja und nein, sagt Wegner: „Wer aus Gemeinschaftsbetrieben kauft, der unterstützt eine solidarische Form des Arbeitens jenseits der kapitalistischen Ausbeute.“ Die einzelnen Genossenschaften seien aber nicht ausnahmslos „gut“. So haben in der tschechischen Textilproduktion Vyvoj die Geschäftsführer 70 Prozent der Anteile inne. Das Prinzip „Ein Genosse, eine Stimme“ gilt hier nicht.
Andere Genossenschaften hingegen bieten ihren Mitgliedern sogar eine kostenlose Universitätsausbildung. In puncto reines Gewissen könne der Konsument bei den meisten, wenn auch nicht allen Betrieben sicher sein, dass sie umweltverträglich arbeiten und auch die Zulieferer faire Arbeitsbedingungen einhalten, sagt Wegner. Denn wem nützt der solidarisch gewebte Kaschmirschal, wenn das Garn von blutigen Kinderhänden in Asien gesponnen wurde? In der spanischen Genossenschaft Teixidors wäre dies undenkbar. Stolz streicht Wegner über das weiche Gewebe der dort hergestellten Schals: „Teixidors ist ein Märchenbetrieb.“ Der größte Teil der Genossen seien Behinderte, die hier eine würdige Aufgabe fänden. Die Webstühle summten angenehm, lärmten aber nicht, und seien selbstverständlich ebenfalls in der Gemeinschaft hergestellt. Der taz, auch eine Genossenschaft, gibt Wegner gleich noch die gute Idee mit auf den Weg, auch den taz-Shop mit solidarischen Produkten zu bestücken. Nützliche Dinge und Kuriositäten, auf denen zukünftig das taz-Logo prangen könnte, sind ab sofort im Le Grand Magasin zu besichtigen.
4. Veranstaltungsmagazin tip
Produkte von europäischen Genossenschaften
In den Galerieräumen des Saalbaus Neukölln stehen bis Dezember dieses Jahres Kinderspielzeug, Gartengeräte, Kleidung, Kommoden, Kosmetik, Geschirr und sogar eine Kochzeile. Das Besondere: Alle diese Produkte sind von europäischen Genossenschaften
hergestellt worden. „Ich möchte die zerstreute Produktion von
Genossenschaften konzentrieren und vorstellen“, sagt Andreas Wegner,
Künstler und Initiator des von der EU und der Kulturstiftung des Bundes
geförderten Projekts. Im Grand Magasin bekommt man
Produkte aus Spanien, Frankreich, Tschechien, Italien und der Slowakei.
Aus Deutschland ist nur eine Tuba vertreten, hier ist die genossenschaftliche Produktion
wenig verbreitet. Auch wenn die Produkte manchmal etwas altmodisch
aussehen, so sind sie doch qualitativ hochwertig und vielfältig. Es ist
Wegner wichtig, nicht in die Ecke der Fair-Trade-Läden gerückt zu
werden. Die Arbeiter sind zwar besser entlohnt, haben aber keinerlei
Mitspracherechte oder Gewinnbeteiligungen, ein entscheidender
Unterschied zur genossenschaftlichen Produktion. Text: Leo
5. Info der Legacoop, Bozen
Ein "Modellkaufhaus" für genossenschaftlich hergestellte Produkte 2007 begann der Bildhauer Andreas Wegner sich um die Finanzierung einer Verkaufsausstellung von Produkten europäischer Produktivgenossenschaften zu kümmern. Er bekam Unterstützung vom EU-Fonds "Kultur", von den Brüssler Dachverbänden "Cooperatives Europe" und "Cecop", von der Kulturstiftung der BRD und vom Kulturamt des Berliner Bezirks Neukölln. In dessen "Galerie im Saalbau" wurde dann im Oktober 2008 auch die Ausstellung "Le Grand Magasin" eröffnet (dazu kommen ab 2009 noch Ausstellungen in Budapest, Dunaujvaros und Usti nad Labem, die vom ungarischen bzw. tschechischen Kulturministerium kofinanziert werden). An dem Projekt wirken außerdem 15 Künstler mit. Wenn es in der ersten Phase des "Modellkaufhauses" darum gegangen war, mithilfe der nationalen und regionalen Genossenschaftsverbände in Kontakt mit einzelnen Produktivgenossenschaften zu kommen, um sie zu bewegen, sich mit ihren Waren an der Verkaufsausstellung zu beteiligen, dann ging es anschließend um deren Präsentation im Kontext einer Kunstgalerie. Die Projektmitarbeiter dachten also anfangs zu den Genossenschaften hin. Sie beauftragten in den einzelnen EU-Ländern Kontaktpersonen und interviewten etwa 30 Genossenschaften in Tschechien, der Slowakei, Italien, Frankreich und Spanien. Daneben machten sie sich mit der umfangreichen Literatur über Genossenschaften vertraut. Primär ging es ihnen dabei um die Spannung zwischen dieser marktwirtschaftlichen Organisationsform und den Interessen und Bedürfnissen ihrer Mitarbeiter. Sie stellte sich ihnen in jedem Land und in jeder Genossenschaft anders dar, d.h. manchmal schienen sich die genossenschaftlichen Arbeitsbedingungen nicht groß von denen in Kapitalunternehmen zu unterscheiden. Als deren Produkte in Berlin eintrafen, gerieten die ausstellungsästhetischen Probleme in den Vordergrund - also die Frage: Wie kann man Waren als Kunst präsentieren? Für gewöhnlich stehen sie mit Form, Funktion und Preis in Konkurrenz zu ähnlichen Waren (in einem Geschäft oder auf einer Branchenmesse z.B.). In der Galerie sollten sie sich nun gegenüber der Kunstkritik behaupten. Dies geschah, indem man sie schlicht bloß zu Produktgruppen arrangierte. Flankiert wurden diese von Porträtphotos, die Genossenschafts-Mitarbeiter, -Geschäftsführer und -Verbandsfunktionäre zeigten. Auf einigen Bildschirmen konnte man sich ein Dutzend Werbe-CDs von Genossenschaften aus Ost- und Westeuropa anschauen. Auf einem Regal lagen die Kataloge der beteiligten Genossenschaften sowie Infomaterial verschiedener Verbände aus. Auf einem Tisch stapelten sich thematisch passende Bücher - von Verlagsgenossenschaften. 6. New York Times/blog The Moment