von 09.02.2011

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Hinter diesen Gardinen kann sich eine nachhaltige Lebensweise verbergen (Foto: cydonna/photocase.com)

Thea und Janosch (alle Namen geändert) sitzen am Esstisch, über ihnen brennt eine Ein-Watt LED-Lampe, neben ihnen flackert der Holzofen. Mollig warm ist es in ihrem ausgebauten Bauwagen, obwohl draußen ein Schneesturm tobt. Die beiden wohnen gemeinsam mit Tochter Anna auf einem Wagenplatz im Norden von Darmstadt.

Insgesamt leben 25 Menschen auf dem Platz, den sie ganz legal von der Stadt gepachtet haben. Alle sind sie sehr unterschiedlich. „Vom Hauptschulabschluss bis zum Diplomanden ist alles dabei“, sagt Janosch. Die ältesten Bewohner seien Mitte 40, die jüngsten unter einem Jahr. Aber die Gründe, warum sie hier wohnen, sind ähnlich: Flexibilität, Gemeinschaft, geringe Mietkosten, aber vor allem eine selbstbestimmte Lebensform, eine „Entschleunigung des Alltags“ und ein damit verbundener bewusster Umgang mit den Ressourcen.

„Die Ressourcen, die uns auf dem Platz zur Verfügung stehen, sind begrenzt. Die Grenzen setzen wir uns dabei selber“, sagt Janosch. So gibt es auf dem Platz keinen Stromanschluss und nur einen zentralen Wasserhahn. Geheizt wird mit Holz, das die Bewohner selbst hacken müssen. Das Wasser muss mit Kanistern zu den Wagen gebracht werden. Manchmal sei das schon sehr anstrengend, aber man gehe daher auch viel bewusster damit um. Wer hier wohnt, der sollte sich auch in der Gemeinschaft engagieren und anfallende Arbeiten erledigen. Wenn Entscheidungen anstehen, werden diese im monatlich stattfindenden Plenum besprochen. Hier herrscht das Konsensprinzip. Eine Änderung kommt im Regelfall nur zustande, wenn alle Bewohner damit einverstanden sind.

So wurde erst neulich wieder über den Anschluss an das Stromnetz diskutiert. Derzeit bezieht der Wagenplatz seinen Strom von Solarpanels, die auf den Dächern der Bauwagen installiert sind. Zudem gibt es einen Generator, der mit zwei kleinen Benzinmotoren angetrieben wird. „Zur Zeit decken wir etwa 80 Prozent des Verbrauchs durch die Solarzellen ab, der Rest muss dann aber vom Generator kommen“, sagt Thea. Sie hätte gerne einen Stromanschluss, schließlich gäbe es inzwischen ja auch genügend Ökostromanbieter. Gleichzeitig kann sie aber auch die Kritiker verstehen: Das würde dann schnell wieder einreißen und man würde wieder mehr Strom verbrauchen, als man tatsächlich benötigt. Eine Einigung im Plenum gab es bisher noch nicht.

Thea und Janosch heizen ihren Wagen zusätzlich mit Gas, seit Anna da ist. Da muss es dann doch etwas wärmer sein als vorher und der Holzofen alleine reicht nicht aus. Doch das ist eine Ausnahme auf dem Platz. Problematisch sei jedoch die Isolierung: „Obwohl unsere Wagen schon recht gut gedämmt sind, geht noch einiges an Wärme verloren“, sagt Janosch. Eine noch bessere Isolierung sei technisch kaum machbar. Dennoch ist ihr Durchschnittsverbrauch an Heizkosten mit dem einer normalen Wohnung vergleichbar. Bei den Wagenplatz-Bewohnern ohne Kinder liege er sogar weit darunter. Das Holz, das überwiegend zum Heizen eingesetzt wird, ist zudem CO2 neutral im Gegensatz zu Öl oder Kohle. Und auf dem Platz kommen nur moderne Holzöfen zum Einsatz, die ein gutes Brennstoffsystem haben. „Darin verbrennt das Holz sehr sparsam“, so Janosch.

Ein großes Defizit sehen beide in der Entsorgung des Abwassers. Die Fäkalien aus der einzigen Toilette des Platzes werden in einem großen Kanister gesammelt, der regelmäßig abgepumpt wird. Ein Teil des Spül- und Duschwassers versickert hingegen einfach im Boden. Doch nicht immer hält sich jeder an die Abmachung, mit Essig zu spülen und mit Lavaerde zu duschen, um keine chemischen Schadstoffe in den Boden zu leiten. Auch das ist immer wieder Diskussionsstoff im Plenum. „Da sollte einfach mal ein vernünftiges Abwassersystem her, das würde ich mir sehr wünschen“, sagt Janosch.

Trotz allem wollen Thea und Janosch erst einmal auf dem Platz wohnen bleiben. „Die Vorteile überwiegen eindeutig“, sind sie sich einig. Besonders für Anna sei es schön hier, vor allem im Sommer und wegen der vielen gleichaltrigen Kinder mit denen sie schon jetzt viel unternimmt.

Text: Sara Sadrzadeh
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