Man kann nicht sagen, dass Mark Rutte, Chef der liberalen Partei VVD, seinen Vorschlag ohne Not gemacht hätte. Seit dem Ausscheiden von Geert Wilders geht es der VVD nämlich schlecht – in den Umfragen würde seine Partei höchstens halb so viele Parlamentssitze bekommen wie Wilders. Und dabei hat der eine Partei, die PVV, mit eigentlich nur einem Mitglied, sich selbst – die VVD hat knapp 38.000. O.k., 1988 waren es auch schon mal 69.000.
Nicht, dass Mark Rutte die alleinige Schuld am Niedergang trägt. Aber in letzter Zeit wächst die Kritik enorm. Und in dieser Woche präsentierte er einen Vorschlag, den der große alte Mann der VVD, Hans Wiegel, „bizarr“ nannte. Der Spitzenkandidat für die Wahl ins Europaparlement, Hans van Baalen, distanzierte sich in der israelischen Zeitung Ha’aretz. Obendrein sorgte Rutte noch dafür, dass seine Partei innerlich gespalten ist, die Hälfte der Mitglieder ist für seinen Vorschlag, die andere Hälfte dagegen.
Worum geht es? Kurz gesagt um einen Vorschlag von Rutte in Sachen Meinungsfreiheit. Was ihn betrifft soll in Zukunft gesagt werden, dass es im Zweiten Weltkrieg keinen Massenmord an Juden gegeben hätte. Jeder einigermassen vernünftige Mensch weiss natürlich, dass das Quatsch ist – und in der niederländischen Politik-Debatte ist das auch gar kein Thema. Natürlich, Geert Wilders vergleicht den Koran mit „Mein Kampf“ und erregt damit weltweit Aufmerksamkeit.
Wollte Rutte Wilders dabei helfen, seine heftigen Vergleiche ziehen zu können? Man weiss es nicht. Es ist allerdings sehr schwer vorstellbar, dass Rutte mit seinem Vorstoss für seine Partei irgendeinen Blumentopf gewinnen kann. Weder bei den Europa- noch bei sonstigen Wahlen. Sein prinzipieller Einsatz für Meinungsfreiheit ist zwar eine ehrenwerte Sache – aber der Zeitpunkt nun wirklich schlecht gewählt.