von 03.11.2010

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Gareth Cliff, populärster und provokantester südafrikanischer Radiomoderator, kontroverser Meinungsführer, omnipräsente Medien-bitch und Südafrikaner mit den meisten Anhängern auf  Twitter  (69.006) – der quasi südafrikanische Gegenpart zu Sascha Lobo – hat letzte Woche einen Beschwerdebrief an den südafrikanischen Präsidenten Jacob Zuma geschrieben. Der ging per Massenweiterleitung gefühlte 14 Mal durchs Land (zumindest unter den südafrikanischen Whities und ans Internet angeschlossenen Stadtmenschen), katapultierte die Schlagworte „Gareth Cliff“ und „Gareth Cliff Brief“ mehrere Tage hintereinander auf die vordersten zwei Plätze der Suchanfrage-Rangliste der südafrikanischen Googleseite google.co.za und resultierte sogar in einem Lunch mit Gareth Cliff und Zizi Kodwa, den Sprechers des Präsidenten.

Gareth Cliff

Der Brief von Gareth Cliff  brachte  die  Frustrationen vieler Südafrikaner mit ihrer Regierung auf den Punkt – auch wenn Cliffs Kritiker in seinem mediengehypten Brief in erster Linie gekonnte Selbstvermarktung sahen.

Der Sprecher des Präsidenten Jacob Zuma, Zizi Kodwa, richtete Gareth Cliff im Übrigen höchstpersönlich aus, man schätze und respektiere seine freie Meinungsäußerung  (auch wenn man in mancher Hinsicht andere Standpunkte vertrete)  und  ermutigte ihn, mit seinen Ansichten nicht hinter dem Berg zu halten, erwähnte aber auch, dass man die Betitelung Blade Nzimandes (Minister für Höhere Bildung) als „hässlich“ doch für etwas unangebracht in Regierungskreisen empfunden habe…

HIER ALSO DER BRIEF IN ÜBERSETZUNG:

Dear Regierung,

Wir sind hocherfreut über Eure erneuten Versprechen, dem Land  bessere Staatsdienste zu leisten (und verzeihen Euch, dass es in manchen Orten Menschen gibt, denen es jetzt noch schlechter als vor 1994 geht);  die Korruption auszurotten (die im Moment schlimmer als zu Zeiten Mbekis oder gar zu Apartheidszeiten grassiert –  und ungeachtet der Verwandten des Präsidenten, die über Nacht zu Millionären werden) und die Infrastruktur zu verbessern (trotz ekelhaft schief abgewickelter Staatsaufträge und ungenutzter, leerstehender Stadien).

Wir freuen uns über die gute Arbeit, die ihr geleistet habt, während Euch FIFA ein paar Monate lang gesagt hat, was Ihr zu tun habt. Klopft Euch auf die Schulter.  Seitdem allerdings Sepp Blatter mit seinen Milliarden im Sack abdüst ist,  besteht wenig Grund zur Freude:  wir haben einen Streik nach dem anderen im Öffentlichen Dienst, noch mehr uneheliche Präsidenten-Kinder,  noch mehr Arbeitslosigkeit und dazu eine politische Führungsunfähigkeit, die es den Gewerkschaften erlaubt, die gewählte Regierung zu ihrer Schlampe zu machen. Ihr solltet an sich ein bisschen besorgter sein.  Aber Ihr seid es nicht. Und deswegen schreibe ich Euch diesen Brief.

Hier sind ein paar Dinge, die an Euch anscheinend vorübergegangen sind:

1. Ihr müsst die Korruption stoppen. Und zwar nicht, weil die reichen Leute sich darüber beschweren und die Armen das Gefühl kriegen, dass Ihr Parasiten seid, die sich am Staat bereichern – sondern, weil es eine Krankheit ist, die uns alle töten wird. Es ist ganz einfach: Es gibt es nur einen begrenzten Betrag an Geld, der geplündert werden kann. Wenn der alle ist, werden die Plünderer die Steuern erhöhen, um das letzte Geld aus dem Land zu saugen; und was bleiben wird, ist ein verrottetes Etwas, das die größte Erfolgsstory des post-kolonialen Afrika hätte werden können. Sich auf Kosten des Landes zu bereichern, ist etwas, was Kolonialisten tun.

2. Hört auf, Euch über die Medien zu beschweren. Das tut Ihr doch nur, weil die Euch den Spiegel vorhalten und zeigen, wie wenig Ihr wirklich fertigbringt und wie wenig Euch das schert. Wenn Ihr die Ärmel hochkrempeln würdet, nicht die teuersten Autos in Land fahren würdet und Eure Neffen nicht über Nacht steinreich würden, dann hättet Ihr auch eine gute Presse. Wenn die Medien sich auf Blade Nzimande, Siphiwe Nyanda und den Präsidenten stürzen, fordern diese ein Gesetz, um „die Medien verantwortlich“ zu machen. Das fordern sie aber nur, weil es ihnen nicht passt, wie tagtäglich ihre Fehlleistungen in der Öffentlichkeit entblößt werden – und nicht, weil Zeitungsredaktionen „die heimliche Agenda verfolgen, Politikerkarrieren abzuschießen“.

3. Unsere Bildungspolitik und unser Bildungsniveau sind ein Desaster. Wir sind das Land in Afrika mit der höchsten Rate an Bürgern, die weder rechnen, noch lesen und schreiben können. Sogar Zimbabwe hat bessere Schulabgänger und klügere Kinder als wir. Unsere Jugend ist nicht arbeitslos, sie ist nicht beschäftigungsfähig. Unser Schulsystem, unsere Lehrer-Gewerkschaften und die Bereitschaft, Mittelmäßigkeit zu akzeptieren, verhindern Exzellenz, und machen uns zum Gegenstand des Gespötts. Was werden all die schwachen Schüler tun? Präsident werden? Dafür gibt es nur eine Stelle. Wir brauchen clevere Menschen, nicht durchschnittliche oder dumme. Das Versagen des Bildungssystems habt Ihr ganz alleine zu verantworten. Wer heute die Schule verlässt, hat mit seiner Ausbildung nicht mehr während der Apartheid begonnen. Bringt das in Ordnung, bevor drei Viertel  unserer Schulabgänger zu Bettlern werden.

4. Hört auf mit dem „Black Economic Empowerment“. Es funktioniert nicht. Kostenlos Anteile bestehender weißer Unternehmen an Schwarze zu vergeben, macht alle nur ärmer außer Tokyo Sexwale. Schwarzen die Kontrolle von Unternehmen zu übergeben, schafft auch nicht mehr Jobs. Der Schlüssel heißt: Unternehmertum. Schwarze müssen ermuntert werden, ihr eigenes Unternehmen zu gründen anstatt sich von großen Gesellschaften als Alibi-Schwarze zu Direktoren ernennen zu lassen. Und Ihr müsst den Gedanken über Bord werfen, dass Beschäftigung beim Staat die Arbeitslosigkeit vermindert – tut es nicht; es kostet nur Steuergelder. Länder wie Indien und China bringen neue, brillante und qualifizierte Leute heraus, die uns alt aussehen lassen.

5. Hört mit dem Machtgerangel auf. Staatsämter sind nicht dazu geschaffen, damit Ihr sie einnehmen könnt und Euch an Ihnen ergötzen; sie sind dazu, dass Leistungen erbracht werden. Wenn jemand ein solches Amt anstrebt, um sich eine goldene Nase zu verdienen, teure deutsche Schlitten zu fahren, oder in Luxus zu reisen, dann ist er ist auf dem falschen Dampfer. Ihr müsst für UNS arbeiten.

6. Hört auf, Straßen und Gebäude umzubennen. Baut etwas Neues, um es dann einem Namen zu geben. Wenn ich in einer Straße lebe, durch die das stinkende Abwasser rinnt, ist mir egal, ob die nach Hans Strijdom benannt ist oder nach Malibongwe. Ein neuer Name macht sie weder neu noch wohlriechend. Und glaubt bloß nicht, dass die Vergabe eines neuen Namen Eure fehlenden Leistungen übertünchen kann.

7. Glaubt nicht, dass Ihr ewig an der Macht bleiben werdet. Die Leute sind nicht so dumm wie Ihr denkt. Wir wissen, dass Ihr Euch halb totlacht darüber, was man Euch alles durchgehen lässt. Wir werden Euch da herunternehmen, entweder durch den Stimmzettel oder – wenn es gar nicht anders geht – durch einen Aufstand. Eine rücksichtslose Regierung, die sich einen Dreck um ihre Leute kümmert und Gelder verschwendet, ist ein Ding der Vergangenheit. Die Tage der dürftigen Propaganda sind vorbei. Die Menschen haben Euch die Macht gegeben; sie werden sie Euch auch wieder nehmen. Afrika hat die Nase voll von lumpigen Despoten, Ein-Parteien-Staaten und Bananen-Republiken. Wir wissen mittlerweile, wer wir  sind, und sorgen uns um unsere Zukunft – und genau das solltet Ihr auch tun.“
G

eure elena **

Gareth Cliff trifft Zizi Kodwa – Sprecher des südafrikanischen Präsidenten Jacob Zuma – zum Lunch & twittert während dessen darüber  –  das ist, was der berühmteste südafrikanische Karikaturist Zapiro davon hält...  🙂

© Zapiro | Mail & Guardian

Elena Beis. Fettnäpfchenführer – My Name is not Sisi. Ein deutsches Pärchen reist durch Südafrika. Erschienen März 2010 bei Conbook Medien, 9,95€


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