vonElisabeth Wirth 15.02.2009

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Gestern war der Tag, der den Verliebten vorbehalten ist. Valentinstag. Angeblich ein Jahrhundertealtes Fest, was nur fast ebenso viele Jahrhunderte vergessen worden war, bis Postkartenhersteller, Pralinenmacher und Floristen glaubten, sie bräuchten ein Event um den Umsatz anzukurbeln. Seit ein paar Jahren ist nun der Liebesirrsinn auch in Deutschland Thema. Beleidigte Frauen die keine roten Rosen von ihrem Liebsten bekommen haben, haben Grund zu streiten und die perfekte Lösung ist dann Versöhnungssex. Oder romantische Gesten des Mannes am 14.2. führen zu Belohnungssex.

Für jeden Single allerdings ist dieser Tag ein Dorn im Auge. Zu Recht. In einer Konsumgesellschaft, in der auch aus Liebe Kapital geschlagen werden soll und gestellte Romantik auf Knopfdruck verkauft wird, erscheint vor den Augen des Singles, was er alles nicht hat.

Der allgemeine Single muss sich seinen Kaffee am Sonntagmorgen selber kochen, keine morgendlichen Küsse trotz Mundgeruchs, keiner, der einem Nachts die Decke wegzieht oder schnarcht, keine regelmäßige Bestätigung durch Liebesschwüre und auch kein Streiten um den Abwasch, denn den muss der Single auch selbst machen. Ja, dieser Tag erscheint dem Single mit unter wie ein Vorwurf. Du bist allein, keiner liebt dich und ja, guck dir mal das süße Paar in der Ecke an, wie die Rumknutschen.

Am Valentinstag brauchen Singles daher eine Packung Antidepressiva, viel Alkohol oder eine mal etwas andere Valentinstagsparty. Ich entschied mich für Variante 3. Im ORi, im Neuköllner Reuterkiez fand gestern die Scheidungsparty statt. Organisiert von einem Expaar, deren Scheidung nach vier Jahren nun endlich vollzogen war. Aus der Ehe war auch ein Kind hervorgegangen und ein wohl relativ enger Freundeskreis, den das Es-war-einmal-Paar nicht entzweien wollte, durch den Druck des Seitenstellungbeziehens (anscheinend ein neues Wort das ich eben kreiert habe, denn Word kennt es nicht). Die Party war wohl eine unkonventionelle Idee, mit der sich laut Gerüchten, auch einige Freunde der beiden Nichtmehrverliebten schwer taten und nicht erschienen.

Von der Decke des ORi hingen gebrochene, angeschossene und schwarze Herzen, ansonsten absolut entspannte Wohnzimmerfestatmosphäre. Keine Aura von Ehebruch, Tragödie, Enttäuschung oder Tränen lag in der Luft. Nun gut, vier Jahre sollten auch genug Zeit sein, um Wunden verheilen zu lassen.

Eigentlich ist ja das Zerbrechen einer Beziehung, nach dem Tod einer geliebten Person, das Traurigste überhaupt und laut der Wissenschaft auch für Körper, Seele und Gehirn auf Platz 2 der Stressfaktoren und Extremsituationen*. Nachgewiesen ist auch das Broken-Heart-Syndrom (Stress-Kardiomyopathie – der Fachausdruck), welches im schlimmsten Fall zum Tode führen kann. Die Liebe ist demnach also wirklich gefährlich. Wofür da noch Bungeejumping?

Wo bei den meisten im Falle des Trennens, auch der Kontakt abbricht und auch ich das „Lass uns doch Freunde bleiben“ für einen modernen Mythos halte, kann es unter gegebenen Umständen, vielleicht doch funktionieren. Und zumindest, wenn Kinder im Spiel sind, ist es wahrscheinlich das Beste. Zurück zur Party, bei der irgendwann gegen 2:00 Uhr Happy-Divorce-Luftballons durch die Gegend flogen. Man kann das Ganze ja auch mit Humor nehmen.

Um kurz vor drei war ich erschöpft. Ein hartnäckiger grippaler Infekt, der mich schon die gesamte Woche danieder gestreckt hatte, zwang mich zum allmählichen Aufbruch. Da kam jedoch die geschiedene Braut mit den Preisen, welche eigentlich für ein Spiel geplant waren und fragte, wer denn Single sei. Nachdem meine Hand in die Luft gegangen war, überreichte sie mir einen Käscher „Hier zum Männerfangen“. Na mal gucken, wer mir da ins Netz geht.

 

 

* Um kurz zu relativeren, für alle die dem vehement widersprechen wollen, es kommt natürlich immer auf die beteiligten Personen, die Umstände und die Art der Beziehung an.

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