vonLars Freudenberger 09.10.2024

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Politische Kämpfe / Zeitgeschehen / Interviews

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Am 7. Oktober 1934 wurde Ulrike Marie Meinhof in Oldenburg geboren. Genau 90 Jahre später blicken wir auf eine Frau zurück, die wie kaum eine andere Person für die umkämpften politischen Verhältnisse der 70er Jahre steht. Mit ihr und der ersten RAF-Generation wurde das Konzept der Stadtguerilla geboren, welches den Grundstein für den späteren militanten Antifaschismus und Antiimperialismus der folgenden Genrationen legte.

Die Erste RAF-Generation                                           Als Andreas Baader 1970 durch einen Coup einiger anderer früher RAF-Mitglieder:innen aus der Haft befreit wurde, startete die Phase der sogenannten Ersten Generation um Ulrike Meinhof, Andreas Baader und Gudrun Ensslin.

Nachdem Baader und Ensslin für die Beteiligung an den Kaufhausbränden in Frankfurt verurteilt wurden, tauchte die Gruppe kurzzeitig unter, bevor Andreas Baader in Deutschland wenig später enttarnt und verhaftet wurde.

Es begannen Monate und Jahre des militanten Aktivismus. Im Mittelpunkt ihrer Arbeit stand neben der gescheiterten Entnazifizierung der BRD, der damaligen extrem konservativen deutschen Medienlandschaft und den deutschen Repressionsbehörden vor allem auch der „NATO-Imperialismus“ der westlichen Staaten.

Die Wut mündete nicht zuletzt deshalb in der sogenannten Mai-Offensive 1972. Auf einen Bombenanschlag auf das US-Militärhauptquartier in Frankfurt folgten weitere Anschläge, bspw. auf das Gebäude des Axel-Springer Verlags in Hamburg oder eine amerikanische Kaserne in Heidelberg.
Der radikale Charakter der Aktionen sorgte für starke Kontroversen.

Bezeichnend für diesen Charakter ist der Wandel Meinhofs von einer theoriebasierten Journalistin zu einer radikalen Aktivistin. Dieser sorgt nach wie vor für hitzige Diskussionen über die praktische Auslegung ihrer revolutionär marxistischen Ideologie.

Ulrike Meinhofs Position in der RAF               Durch ihre journalistische Arbeit wurde sie früh für emanzipatorische Themen radikalisiert, wie bspw. die Anti-Kriegs Bewegung. Mit einer radikalen Praxis sympathisierte sie jedoch erst mit der steigenden Repression gegen die Studierendenbewegung, welche mit der Ermordung Benno Ohnesorgs gipfelte.

Durch die Beteiligung an der Befreiungsaktion Baaders zeigte sie anschließend erstmals die Bereitschaft, ihre radikalisierte Haltung in die Tat umzusetzen.

Innerhalb der RAF galt Meinhof als ideologische Vordenkerin. Sie verfasste die Schriften, welche das Konzept Stadtguerilla theoretisch untermauerten. Dabei fasste sie die Struktur im Ganzen als Teil von internationalistischen und antiimperialistischen  Strömungen auf, die eine globale Revolution erkämpfen sollten.

Mit der sich zuspitzenden Gewalt der Gruppe war sie jedoch nicht immer einverstanden. Sie entwickelte eine zunehmende Skepsis – auch ihre späteren Mitgefangenen Baader und Ensslin empfand sie zu Haftzeiten als autoritär und dogmatisch.

Das Antisemitismusproblem der RAF                 Um das Konzept der Stadtguerilla in die Praxis umsetzen zu können, ließen sich einige Mitglieder der frühen RAF in Jordanien ausbilden – nicht zuletzt auch um dem Fahndungsdruck der deutschen Behörden zu entgehen.

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Dort war schon damals die Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP) vertreten, eine marxistisch orientierte Sammelbewegung, die auch am Überfall auf das Supernova-Festival am 7.10. 2023 beteiligt war. Die PFLP vertritt, damals wie heute, stark antisemitische Positionen. So leugnet die Struktur bspw. das Existenzrechts Israels und steht somit im ideologischen Widerspruch zu einer Zwei-Staaten-Lösung.

Diese Ansichten, welche die Gruppierung auch in den 70ern vertrat, prägte das Bild der RAF auf den Staat Israel enorm und führte zu Fehlanalysen im antiimperialistischen Selbstverständnis. Eine Tendenz, die die radikale Linke dieser Zeit im Gesamten stark beeinflusste und antisemitische Positionierungen in den eigenen Reihen zur Folge hatte.

Ulrike Meinhof war schon damals keine unproblematische Figur im Kampf gegen Faschismus, Militarismus und Imperialismus und ist es auch heute nicht. Als entschlossene Marxistin hat sie jedoch versucht, das Unrecht in einem von Nazis durchsetzten Staat und weit darüber hinaus zu überwinden.

Ulrike Meinhof verstarb am 9. Mai 1976 in der JVA Stammheim bei Stuttgart.

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