Zu niedrige Klimaziele, zu hohe Regulierungsdichte, zu wenig Sozialausgleich – das Fitnessprogramm der EU-Kommission kann nicht überzeugen. Die kaum noch überschaubaren, teils widersprüchlichen Maßnahmen ergeben einen toxischen Mix, Brüssel muß sich auf Ärger einstellen.
Für diese Analyse greifen wir unseren Blogpost vom 13. Juli auf – und beantworten die Fragen, die dort gestellt wurden.
- Wird das Klima geschützt, werden die Ziele erreicht? Nein, sagen Kritiker wie der BUND: Für die Klimaneutralität bis 2050 müsse der CO2-Ausstoß um 65 Prozent gesenkt werden, 55 reichen nicht. Zudem rechne Brüssel die Zahlen schön, indem Wälder und andere “Senken” mitgezählt werden. Mal schauen, ob diese beiden “Geburtsfehler” korrigiert werden – sonst verdient das Klimapaket seinen Namen nicht! – Der Fehler wurde nicht korrigiert, das Paket wirkt insgesamt zu wenig ambitioniert. Die EU-Kommission hat sich nicht einmal die Mühe gemacht, darzulegen, ob und wie die 12 Gesetze, die sie nun anpacken will, zur CO2-Einsparung beitragen. Deshalb bleibt die Union “unfit for 55”, schon bald dürften Nachbesserungen nötig werden…
- Wie viel Markt – wie viel Staat? Darüber gab es bis zuletzt Streit in der EU-Kommission. Behördenchefin von der Leyen setzt – wie die CDU, also ihre Partei – auf den Markt, Klimakommissar Frans Timmermans will mehr staatliche Regulierung. Der richtige “Mix” zwischen CO2-Preisen und Ordnungsrecht dürfte am Ende darüber entscheiden, ob das Klimapaket wirkt – und zustimmungsfähig wird. – Hier hat sich von der Leyen durchgesetzt. Sie boxte ein “ETS 2” durch, also den Emissionhandel für Gebäude und Straßenverkehr. Gleichzeitig gibt es aber viele dirigistische Eingriffe in den Markt. Man möchte fast von einem marktwirtschaftlichen Dirigismus sprechen – ein toxischer Mix, der für viel Ärger sorgen dürfte!
- Wem wird gegeben – und wem nicht? Bisher profitiert vor allem die Schwerindustrie, der kostenlose Emissionszertifikate gegeben werden. Das soll auch so bleiben, die Industrie setzt auf Ausnahmen und Übergangsfristen. Eine Entlastung für die Verbraucher, etwa in Form eines Sozialfonds, hingegen ist umstritten – dabei hängt davon die Akzeptanz ab. Die “Gelbwesten” in Frankreich haben gezeigt, wie schnell die Stimmung kippen kann… – Der Sozialfonds kommt, aber mit vielen Unwägbarkeiten. So sollen die EU-Staaten die Milliarden-Hilfen zur Hälfte selbst finanzieren. Ob Verbraucher direkt für steigende Benzin- und Heizungspreise entschädigt werden, ist unklar. Das Ganze sieht eher nach einem sozialen Feigenblatt aus…
- Kommen harte oder softe Verbote? Diese Frage wird vor allem am Verbrennermotor diskutiert. Die EU-Kommission will ihn ausbremsen, aber nicht offen verbieten; der Streit kreist vor allem um die Frage, wann das “Aus” kommen soll – 2030, 2035 oder 2040. An naheliegende, harte Maßnahmen – etwa ein Verbot der klimaschädlichen SUV – ist hingegen nicht gedacht. Warum eigentlich nicht? – Die EU-Kommission fordert ein Ende für Verbrenner im Jahr 2035. Von einem Verbot spricht sie aber nicht, nicht einmal SUV sollen gestoppt werden. Unklar bleibt auch, wie Elektroautos bis 2035 den gesamten Verkehr übernehmen sollen. Die Last – und der Ärger – wird auf Industrie und Verbraucher abgewälzt, da droht ein Verkehrsunfall…
- Welche Risiken und Nebenwirkungen sind dem dem Klimapaket verbunden? Die USA drohen schon mit Gegenmaßnahmen, wenn die EU eine CO2-Grenzsteuer einführen sollte. Auch die WTO warnt – die Grenzsteuer wäre kaum mit den Handelsregeln vereinbar. Nebenwirkungen drohen aber auch bei den Wahlen in Deutschland und Frankreich; Präsident Macron will deshalb Teile des Klimapakets verschieben. – Die Grenzsteuer kommt, im EU-Jargon heißt sie CBAM. Doch wie sie WTO-konform funktionieren soll, bleibt im Dunkeln. Die USA und betroffene Industriebranchen dürften die EU-Kommission gemeinsam in die Zange nehmen – mit erheblichen Risiken für alle Beteiligten. Sogar das EU-Budget ist betroffen…
Fazit: Das Klimapaket der EU-Kommission kann nicht überzeugen. Die verschiedenen Maßnahmen (immerhin 12 EU-Regulierungen) reichen nicht aus, um EUropa bis 2050 klimaneutral zu machen.
Zugleich ergeben sie einen toxischen Mix aus Dirigismus und Markt, bei dem die neue klimasoziale Frage viel zu kurz kommt (wie üblich). Brüssel muß sich auf Widerstand und Protest einstellen.
Besonders problematisch ist, dass von der Leyen jahrelang gezögert hat – und nun einen “Top down”-Ansatz wählt, der alle bevormundet. Eine ungewählte Behördenchefin will massiv in die Wirtschaft eingreifen und in den Alltag der EU-Bürger hineinregieren. Das kann nicht gut gehen.
Ein Gutes hat die Sache aber doch: Statt über abstrakte Ziele wird nun endlich über konkrete Maßnahmen diskutiert. Für die Wahlen in Deutschland und Frankreich kommt der Aufschlag aus Brüssel gerade recht.
Die Bürger sehen nun, was auf sie zukommt. Und sie können mitreden – zumindest in Berlin und Paris…
Mehr zu „Fit for 55“ hier