vonericbonse 04.10.2016

Lost in EUrope

Eric Bonse, EU-Korrespondent der taz in Brüssel, schreibt hier all das über Europa und seine Krise(n), was die EU gerne verdrängen würde | Bild: dpa

Mehr über diesen Blog

Wie geht es weiter mit der EU? Kanzlerin Merkel und ihre Follower sind in Bratislava eine Antwort schuldig geblieben. Dafür reden nun andere, national gesinnte Politiker – sie nehmen die Union in einen gefährlichen Zangengriff. 

Gemeint sind T. May, V. Orban und R. Erdogan. Die Regierungschefs aus Großbritannien, Ungarn und der Türkei setzen alles daran, die EU zu erpressen und ihre Werte auszuhöhlen.

Fangen wir mit May an. Sie will die Quadratur des Kreises: „maximale Freiheit“ für britische Unternehmen, also Zugang zum EU-Binnenmarkt, aber keine Freizügigkeit. Das wird ein harter Brexit.

Den harten Hund markiert auch Orban. Trotz des gescheiterten Referendums will er nun Abschottung und Flüchtlings-Abwehr in der Verfassung verankern. Brüssel hätte nichts mehr zu melden.

Auf die Spitze treibt es (wie immer) Erdogan. Der Sultan behauptet allen Ernstes, sein Land könne schon morgen der EU beitreten, und droht mit dem Bruch aller Vereinbarungen, Flüchtlingspakt incl.

May versucht beim Rausgehen, die EU zu erpressen, Orban macht es von innen, und Erdogan rüttelt von draußen an den europäischen Fundamenten. Ein gefährlicher Zangengriff!

Schon klar, bisher sind das alles nur Worte, man sollte sie nicht allzu ernst nehmen. Ernst nehmen muss man allerdings den Versuch, die Werte der EU zu ignorieren und die Seele Europas zu verkaufen.

Ernst nehmen muss man zudem die offenen oder heimlichen Bündnisse, die sich hinter May, Orban und Erdogan bilden. Sie umfassen nämlich die halbe EU, Deutschland wie immer vorneweg.

So kann sich May auf Deutschland, aber auch auf Polen und die Niederlande verlassen. Alle halten sie – wenn auch aus unterschiedlichen Motiven – an UK fest und sind daher für Erpressung anfällig.

Hinter Orban stehen die Visegrad-Staaten, aber nicht nur. Auch UK und Dänemark machen die Schotten dicht. Und niemand will Ungarn aus der EU herauswerfen, wie wir jüngst gelernt haben…

Bliebe noch unser spezieller Freund Erdogan. Hinter ihm stehen Deutschland, Deutschland und Deutschland – also die deutsche Regierung, die Deutschtürken und die deutsche Wirtschaft.

Und wer vertritt noch die EU-Prinzipien, die Regeln und Werte? Früher war das auch mal Deutschland. Doch seit der Flüchtlingskrise, in der Berlin selbst alle Regeln brach, ist da nicht mehr viel…

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/lostineurope/im-wuergegriff-der-nationalisten/

aktuell auf taz.de

kommentare

  • May will „maximale Freiheit“ für britische Unternehmen, aber keine Freizügigkeit.
    Womit versucht May diese Forderung zu erpressen? Wenn nicht, dann was?

    „Den harten Hund markiert auch Orban. Trotz des gescheiterten Referendums will er nun Abschottung und Flüchtlings-Abwehr in der Verfassung verankern. Brüssel hätte nichts mehr zu melden“
    Hier kratzt es an EU Werten, wo aber ist die Erpressung?

    „Auf die Spitze treibt es (wie immer) Erdogan. Der Sultan behauptet allen Ernstes, sein Land könne schon morgen der EU beitreten, und droht mit dem Bruch aller Vereinbarungen, Flüchtlingspakt incl.“

    Erdogan glaubt, sein Land sei EU reif und könne morgen schon rein, wenn nicht, droht er mit Bruch aller Vereinbarungen.
    Das ist definitiv eine Erpressung! Und warum regt sich keiner auf? Müsste das nicht eine Schlagzeile sein? In allen Nachrichten kommen?
    Erdogan glaubt ganz plötzlich vor Abschluss aller EU Beitrittskapitel an einen Beitritt?
    Jetzt weiß ich, Erdogan ist nicht nur ein Diktator sondern auch ein Idiot.

    Tatsächlich hat Erdogan die EU aufgefordert eine Entscheidung in Bezug zu ihrem Beitritt zu treffen.
    Im Klartext, die EU verhandelt mit der Türkei über dessen Beitritt ohne Zielangabe. Veranschaulichen wir das mal, A will Clubmitglied werden, dafür muss A sich und sein Land nach Vorgaben des Clubs ändern, A und dieser Club starten Beitrittsprozess, aber der Club sagt, dass nach Abschluss aller Kapitel man nicht wisse ob A tatsächlich Mitglied wird.
    Wenn zwei Parteien um etwas oder ein Ziel verhandeln, dann ist beiden dieses Etwas oder Ziel auch bekannt.
    Die Türken kennen das Ziel nicht, weil die EU aus welchen Gründen auch keine klare Ansage macht. Wie eine Hochzeitsvorbereitung bei der die Braut nicht nicht weiß ob der Bräutigam sie auch heiratet.
    Die Braut will es aber jetzt wissen, nur ein Idiot würde die Hochzeit weiter vorbereiten.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert