vonericbonse 13.05.2019

Lost in EUrope

Eric Bonse, EU-Korrespondent der taz in Brüssel, schreibt hier all das über Europa und seine Krise(n), was die EU gerne verdrängen würde | Bild: dpa

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In zehn Tagen beginnt die Europawahl. Packende Diskussionen und große Themen gab es bisher nicht. Stattdessen werden Scheindebatten geführt – wie um den Parlamentssitz in Straßburg.

Dass das EU-Parlament zwei Standorte habe – einen in Brüssel und einen in Straßburg – sei ein “Symbol für Ineffizienz”, sagte Österreichs konservativer Bundeskanzler Sebastian Kurz.

Auch der Spitzenkandidat der Europäischen Volkspartei (EVP), Manfred Weber, spricht von einem “Ärgernis”. Das Parlament solle das Recht bekommen, selbst über seinen Standort zu entscheiden.

Richtig – das Europaparlament soll selbst entscheiden. Aber nicht nur über seinen Standort, sondern auch über die Frage, welche EU-Gesetze auf die Agenda kommen. Das nennt sich Initiativrecht.

Das haben die Europaabgeordneten bisher nämlich nicht. Auch ein echtes Budgetrecht haben sie nicht. Alles, was für ein echtes, ernstzunehmendes Parlament nötig wäre, fehlt in Straßburg bzw. Brüssel.

Doch darüber sprechen Kurz und Weber lieber nicht. Sie vermeiden es auch, auf die Reformideen von Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron einzugehen. Euroreform? Neustart der EU? Kein Thema.

Kein Wort auch zu der Tatsache, dass der Parlamentssitz in Straßburg im EU-Vertrag verankert ist. Wer den Vertrag ändern will, riskiert, dass noch viele andere Themen auf den Tisch kommen.

Deshalb wirkt die Debatte um Straßburg wie ein Ablenkungsmanöver. Verlogen ist sie noch dazu. Denn nicht nur das Parlament hat zwei Sitze. Auch der Ministerrat tagt abwechselnd in Brüssel und in Luxemburg.

Und sogar in Deutschland leistet man sich mehrere Hauptstädte – in den Bundesländern, aber auch mit Berlin und der alten Bundesstadt Bonn. Auch die Deutschen haben einen “Wanderzirkus”.

Der Streit um Straßburg ist deshalb nicht mehr als ein billiges Wahlkampf-Manöver, mit dem Kurz & Co. von eigenen Problemen ablenken wollen. Es ist Populismus light, mit dem die Wähler getäuscht werden.

Statt über Straßburg sollten die EU-Politiker vielmehr darüber reden, was sie in Brüssel anders und besser machen sollen. Wo bleiben die großen Themen und die leidenschaftlichen Debatten?

Mehr zur Europawahl hier, aktuelle Wahlumfragen und Projektionen hier

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