vonericbonse 19.06.2021

Lost in EUrope

Eric Bonse, EU-Korrespondent der taz in Brüssel, schreibt hier all das über Europa und seine Krise(n), was die EU gerne verdrängen würde | Bild: dpa

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Die Nato wird mehr und mehr zum Gendarm der Welt. Nach dem Willen der USA soll sie künftig auch China eindämmen und den Indopazifik überwachen. Damit überschreitet sie ihr Mandat – und bricht offizielle Versprechen.

Die Nato hat nach den Worten ihres Generalsekretärs „weder die politische Ambition noch die Streitkräfte noch das Geld, um der Gendarm der Welt zu sein“. Eine „globale Nato als eine Art zweite Vereinte Nationen wird es niemals geben“, sagte er wenige Tage vor dem Nato-Gipfel in Bukarest.

Das war 2008, der Generalsekretär hieß damals noch Jaap de Hoop Scheffer. Nur dreizehn Jahre später ist die “globale Nato“ dann doch noch Wirklichkeit geworden. Und Scheffers Nachfolger, Jens Stoltenberg, tut so, als sei es die normalste Sache der Welt.

Die Nato sei immer schon “out of area” aktiv gewesen, erklärte der Norweger – und verwies auf den Balkan oder Afghanistan. Also könne man sich doch nun auch um China und den Indopazifik kümmern. Oder um den Weltraum. Oder den Klimawandel.

Doch so einfach ist das nicht. Schließlich ist die Nato eine Nordatlantische Allianz, keine indopazifische. Und die 30 Nato-Staaten haben weder die Streikräfte noch das Geld, um China in Schach zu halten, da hat Scheffer Recht behalten. Nur die USA könnten das tun – sie allein haben die nötige Power.

Warum lassen sich die EUropäer also auf diese Abweichung vom “North Atlantic Treaty”ein? Wie kann man übersehen, dass Biden die Beistands-Verpflichtung nach Artikel 5 des Nato-Vertrags bekräftigt, und gleichzeitig den Vertragsinhalt grundlegend verändert?

“In meinem Atlas gehört China nicht zum Atlantikraum, aber vielleicht hat auch meine Karte ein Problem.”

Frankreichs Präsident Macron

Weder Kanzlerin Merkel noch Präsident Macron können das erklären. Merkel redet von “Dialog” mit Peking – dabei ist der gerade wegen der EU-Sanktionen abgebrochen. Macron erkennt zwar immerhin, dass China nicht am Atlantik liegt – doch ein Nein kommt ihm nicht über die Lippen.

Überzeugend ist das alles nicht. Die EUropäer haben sich von den USA über den Tisch ziehen lassen. Sie folgen der gefährlichen Obsession für China, die schon die Politik von Donald Trump prägte und lassen sich auf die schiefe Ebene der Blockbildung und Konfrontation führen.

Dabei wäre es im wohl verstandenen Interesse der EU, die Kooperation mit China fortzusetzen – für den Fall, dass nach Biden ein Trump II an die Macht kommt oder sonst etwas schief geht. Die EU sollte eine multipolare Weltordnung anstreben und sich von den USA emanzipieren, statt ihnen nachzulaufen.

Und sie sollte die Nato – ein Relikt aus dem Kalten Krieg – überflüssig machen, indem sie ein System kollektiver Sicherheit in Europa aufbaut. So war es Russland nach dem Ende des Kalten Kriegs versprochen worden, es war auch ‘mal gute deutsche Politik.

Doch das ist ebenso vergessen wir die Worte von Nato-General Scheffer…

Siehe auch “Bidens EUropäer: Nur nützliche Idioten?”

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