vonJakob Hein 09.05.2011

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Es ist ein evolutionärer Vorteil, dass Menschen mit ihren Gesichtern Emotionen ausdrücken können. So erkennt der Gegenüber schnell Freude aber auch Gefahr. Die Gesichtsausdrücke werden unwillentlich angenommen und müssen nicht lange Genehmigungsprozesse durch die Großhirnrinde durchlaufen. Das wäre ja auch schlimm gewesen in Urzeiten, wenn jeder Mensch sich erst hätte überlegen müssen, was für ein Gesichtsausdruck zu einem anstürmenden Löwen am besten passt.

Hier ein Bild von AFP, das zeigt, wie der niederländische Kronprinz und seine Frau Zeugen einer Amokfahrt am Königinnentag 2009 werden.  Das Hamburger Abendblatt schreibt dazu: “Fassungslos vor Entsetzen blicken Kronprinz Willem-Alexander und seine Frau, Prinzessin Máxima, von ihrem Bus aus auf den Amokfahrer.”

Beim Willem sieht man Schreck und Überraschung. Seine Augenbrauen sind hochgezogen und er hält sich die Hand vor den Mund, den er offensichlich im Schreck geöffnet hat. Auch seine Augen sind weit geöffnet.  Maxima beginnt schon, die Konsequenzen der Amokfahrt zu realisieren. Ihre Brauen  sind zusammengezogen und die Augen halb geschlossen. Wir können uns vorstellen, dass sie ihren Blick abwenden und weinen möchte.

Nun ein ganz anderes Bild, zwei Jahre später aufgenommen:

(Quelle:  Süddeutsche Zeitung, (c) dpa)

Nach offiziellen Meldungen zeigt dieses Bild, wie der Navy-Seals-Einsatz gegen Osama bin Laden im situation room des Weißen Hauses verfolgt wurde. Angeblich aber habe es während der entscheidenden zwanzig Minuten kein Bildsignal gegeben. Die Gesichter der Fotografierten sprechen eine andere Sprache, am deutlichsten das von Hillary Clinton. Wie Willem hält sie sich die Hand vor den geöffneten Mund, hat die Brauen hochgezogen und die Augen weit geöffnet. Wenn man diesen Gesichtsausdruck einmal zuhause ausprobiert, wird man schnell ein leichtes Gefühl von Entsetzen spüren. Obama hat die Augenbrauen zusammengezogen, den Unterkiefer in Spannung nach vorn geschoben, seine Mundwinkel sind nach unten gezogen, ein Gesichtsausdruck von unterdrücktem Entsetzen. Ganz abgesehen davon schauen alle Personen im Raum auf einen Bildschirm, obwohl ja angeblich nichts zu sehen war.

Wenn die amerikanische Regierung behaupten will, die entscheidenden Minuten der Tötung von bin Laden seien nicht übertragen worden, hätten sie dieses Bild aus dem situation room nicht veröffentlichen dürfen, das etwas völlig anderes zeigt.

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