vonDominic Johnson 13.11.2010

taz Blogs


Willkommen auf der Blogplattform der taz-Community!

Mehr über diesen Blog

General Faustin Munene ist in der Demokratischen Republik Kongo ein lebendes Denkmal. Er symbolisiert das Erbe jener Rebellen der 1960er Jahre, die nach der Ermordung des Befreiungshelden Patrice Lumumba jahrelang gegen die Mobutu-Diktatur kämpften. Munenes Onkel Pierre Mulele führte bis 1968 den größten Buschkrieg jener Zeit, in der Region Kwilu der Provinz Bandundu östlich der Hauptstadt Kinshasa, wo Lumumba bis heute verehrt wird und die Lumumba-treue Partei PALU bei den Wahlen 2006 ihre besten Ergebnisse erzielte (damals unter Führung des großen Antoine Gizenga, der in den 1960er Jahren eine kurzlebige Lumumba-treue Gegenregierung geführt hatte und nach 2006 für zwei Jahre Kabilas Premierminister war). Jetzt stellt sich der mittlerweile sehr alte General Munene an die Spitze einer neuen Bewegung, die Kongos Präsident Joseph Kabila stürzen will.

„Wir, die wahren Töchter und Söhne des Kongo“, so beginnt Munenes „feierliche Botschaft an das kongolesische Volk“ vom 10. November, „richten einen flammenden Appell an unsere Bevölkerungen und insbesondere an die Jugend.“ Kongo sei zur „Bananenrepublik“ verkommen, und man gebe jetzt bekannt, dass bereits am 4. Januar 2010 „irgendwo in der Demokratischen Republik Kongo“ die „Armee des Volkswiderstandes“ (ARP) entstanden sei, um „den Kongo von seiner aktuellen Krise zu befreien“ und „die volksfeindlichen Kräfte aus unserem Territorium zu jagen“. Das Militär wird aufgerufen, sich der ARP anzuschließen, die bereits „konkret und verantwortungsvoll“ im Feld aktiv sei.

Munene ist, so meinen manche, durchaus ernst zu nehmen. Er verbrachte Jahrzehnte im Exil in Angola und war maßgeblich an Angolas Militärintervention im damaligen Zaire 1997 beteiligt, als Angola samt seinen Exilkongolesen den Rebellen Laurent-Désiré Kabilas, die mit Unterstützung Ruandas aus dem Osten im Anmarsch waren, entscheidende Schützenhilfe beim Vormarsch auf Kinshasa und beim Sturz der Mobutu-Diktator lieferte. Angolas Armee, dazu die „katangischen Gendarmen“ und die versprengten Mulele-Rebellen aus dem Kongo, half Kabilas AFDL-Rebellen gegen die vereinten Kräfte der zairischen Armee und der angolanischen Unita-Rebellen beim Vormarsch durch Bandundu Richtung Kongo. Nach Kabilas Sieg wurde Munene Vize-Innenminister und später Armeechef. Laurent-Désiré Kabilas Sohn und Nachfolger Joseph Kabila degradierte ihn zum Leiter einer Stiftung. Ende September wurde sein Haus in Kinshasa von Unbekannten verwüstet; am 12. Oktober verkündete Kongos Regierung die Verhaftung Munenes, nur um zwei Tage später zu erklären, sein Aufenthaltsort sei unbekannt. Seitdem wurde spekuliert, der General sei umgebracht worden oder erneut in Angola, um von dort aus einen neuen bewaffneten Kampf zu organisieren.

Was wirklich hinter der ARP steckt, ist unklar. Als ein Chefpropagandist Munenes im Ausland tritt der in Oslo und London lebende Professor Julien Ciakudia auf, der schon mehrfach versuchte, „patriotische“ Aufstände gegen den als Ruander verschrienen Kabila heraufzubeschwören und der wiederum von anderen Exilkollegen für größenwahnsinnig und autokratisch erklärt und abgesetzt worden ist. Unterstützt wird all dies vor allem von einem der gefürchtetsten Exilpolitiker des Landes, Honoré Ngbanda, einst Chef des brutalen Mobutu-Geheimdienstes „Snip“ und heute im Pariser Exil. Ngbandas „Allianz der Patrioten für die Neugründung des Kongo“ (Apareco) verbreitet jetzt Munenes Aufruf ebenso wie Sympathisanten der ruandischen Hutu-Milizen im Ostkongo, aber Apareco stößt wiederum auf scharfe Ablehnung bei Kongos Demokraten, weil Honoré Ngbanda eine verhaßte Figur ist. Viele dieser Kräfte vereint ein Hass auf Ruandas Präsident Paul Kagame, die Tutsi im Allgemeinen sowie Kongos Präsident Joseph Kabila, der als Ausverkäufer des Kongo verdammt wird.

Unabhängig davon mehren sich dieses Jahr Konflikte im bislang friedlichen Westteil des Kongo. Zu Jahresbeginn besetzten Rebellen Teile der Mobutu-Heimatprovinz Equateur und rückten zu Ostern sogar in die Provinzhauptstadt Mbandaka ein; erst eine Intervention von UN-Blauhelmen setzte dem ein Ende, der Chef der Equateur-Rebellen floh nach Kongo-Brazzaville und wurde mittlerweile dort verhaftet. Am 3. November wurde Kikwit, einstige Mulele-Hochburg in Bandundu, zum Fokus bewaffneter Auseinandersetzungen, als Unbekannte das Armeelager Ebeya angriffen und drei Soldaten töteten. Sie sollen auch Waffen und Munition mitgenommen haben.

Beide diese Vorfälle reklamiert Munenes ARP für sich. Inwieweit das real ist, kann bislang nicht beurteilt werden. Unter Exilkongolesen wird heiß diskutiert, ob Munene denn wirklich eine so wichtige historische Figur war und ob ein neuer Krieg das Land nicht eher zurückwerfen als voranbringen würde. Es ist im übrigen nicht restlos bewiesen, daß die jetzt veröffentlichte Erklärung wirklich von Munene selbst stammt. Ansonsten gibt es von ihm nur ein relativ konfuses Radiointerview mit Honoré Ngbandas Exilsender „Radio Bendele“, in dem eine ziemlich alte Stimme, die die von Munene sein soll, erklärt, es sei Zeit, sich auf die Seite des Volkes zu stellen.

Allerdings ist zu beachten, daß Munenes historische Referenzen stimmen. Das Armeelager Ebeya ist benannt nach dem Generalstabschef der kongolesischen Armee während der Bekämpfung der Mulele-Rebellion 1964, Oberst Eugène Ebeya, der am Anfang des Krieges, am 5. Februar 1964, von den Mulele-Rebellen mit einem vergifteten Pfeil getötet wurde. Und Munenes Behauptung, die ARP sei am 4. Januar 2010 gegründet worden, ist ein Anklang an die erste große antikoloniale Revolte in Belgisch-Kongos Hauptstadt Léopoldville (heute Kinshasa) am 4. Januar 1959, die um den Preis Hunderter Toter im Blut ertränkt wurde. Der 4. Januar 1959 gilt bis heute als die Geburtsstunde des kongolesischen Nationalismus und das Datum wird von Kongos Staat als Gedenktag begangen. Munenes Aufruf ist mindestens ebenso ein Kampf um die historische Deutungshoheit wie einer um die Macht im Kongo. Die Lumumbisten erkennen sich nicht mehr wieder in Kongos Kabila, und dies machen einige von ihnen hiermit deutlich.

Letztendlich geht es auch um die Macht in Bandundu, eine Schlüsselprovinz für Kabila bei seiner geplanten Wiederwahl 2011. Wenn die PALU und andere Lumumba/Gizenga-Anhänger zur Opposition wechseln, hat Kabila im Kongo keine Mehrheit mehr. Zahlreiche wichtige Politiker der Regierungskoalition stammen aus Bandundu, sie beharken sich derzeit massiv und rivalisieren miteinander im Versuch, neue Parteien zu gründen, die Bandundus Wähler dann doch noch gegen einen satten persönlichen Vorteil zu Kabila zurückführen könnten. Es ist möglicherweise auch ein schmutziger Propagandakrieg, der da ausgefochten wird, und er hat gerade erst begonnen.

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/lumumbas_erben_begehren_auf/

aktuell auf taz.de

kommentare