vonSchröder & Kalender 09.09.2006

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Der Bär flattert leicht in östlicher Richtung.

Und so geht’s weiter: Wir saßen da und stützten die Köpfe, Uve Schmidt und ich. Zu dieser Zeit, Ende 1969/Anfang 1970, war Bazon Brock noch eine gerngesehene Person im Hause März. In jeder März-Programm-Vorschau stand damals seine ›Revolution des Ja‹, die ich bereits zwei Jahre vorher im Melzer Verlag angekündigt hatte. Mit Bazon Brock sprach ich über die Schwierigkeiten der Pornofilmproduktion, und er: »Kein Problem, den Film mache ich.« Er übernehme die gesamte Produktion, er kenne da einen jungen Absolventen der Münchner Filmhochschule. »Au weh, schon wieder ein Absolvent.« »Doch, das ist ein guter Mann.« Also, er realisiert das mit dem guten Mann und seiner Klasse an der Hochschule für Gestaltung in Hamburg, »da kann nichts schiefgehen«. Ich, vorsichtig geworden, zahlte erst mal nur das Filmmaterial. Vor Drehbeginn wurde das Verteidigungskonzept festgelegt, wir durften ja nur Filme machen, die von vornherein so konzipiert waren, daß sie den bekannten Verfolgungsbehörden als Kunstwerk präsentiert werden konnten. Und weil der Film der Brüder und Schwestern ›Schüler‹ heißen sollte, so mußten wir, weil wir ihn schon angekündigt hatten, den ersten neugedrehten Film auch ›Die Schüler‹ nennen. Deshalb mußte er auch etwas mit Schülern zu tun haben, ein altes Pornoformat übrigens. Wolf Gremm hatte wohl vorgehabt, eine Art Filmadaption der ›Sexfront‹ zu machen, und so sahst du sie in ihrer Schülerbude über Bücher gebeugt, es wurde ein bißchen ins Heft geschrieben, dann kam, locker, locker, die Freundin zu Besuch, und auf der Matratze, die damals in jeder Ecke lag, wurde gevögelt. Gremm hatte keinen Schimmer, wie man so etwas aufbaut. Die Hamburger Dramaturgie dagegen war ausgefeilter, ein Stummfilmszenario wurde ausgearbeitet, denn es waren ja stumme Filme geplant, sogar ohne Musik.

Das Storyboard: Die Biologielehrerin betritt die Klasse, sie beginnt mit einem Aufklärungsunterricht, das war angedeutet mit ausgestopften Vögeln, die miteinander schnäbeln. Die Schüler, die auf Zwölfjährige runtergezopften zwanzigjährigen Studentinnen und Studenten der Hochschule für Gestaltung, saßen in dieser Klasse mit kurzen Hosen, Miniröcken und den entsprechenden Ringelhemden. Die Trivialmuster wurden vorgeführt: das Schummeln, das Verstecken des Spickzettels in der Möse, das Tuscheln, das Fummeln, das heimliche Knutschen. Der Sexualkundeunterricht, der zunächst das Liebesleben der Vögel erklären sollte, sprang im Film in menschliche Aktionen um, die Schülerinnen und Schüler fingen zum Entsetzen der Lehrerin an zu vögeln. Bazon Brocks Meisterschülerin stellte die Lehrerin dar. Es gab sechs Schüler, drei Mädchen und drei Jungs, das haben sie gut gespielt, bald beleckten und befickten sich alle von hinten und von vorn. Es machte ihnen offenbar Spaß. Natürlich mußte auch die Lehrerin dran glauben, nachdem sie einer Schülerin mit einem langen Lineal den Hintern versohlt hatte. Kameramann war Rainer Boldt, den ich damals noch nicht kannte.

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Als wir bei Herrn Ratibor den Rohschnitt sahen, wußten wir, jetzt haben wir’s, es war technisch perfekt, lustig und auch scharf. Bazon hatten die Typen im Film einen weißen Kittel angezogen, der Professor sollte nicht nur als Voyeur und Regisseur rummachen. Er hat sie ja nicht verführt, der Professor Brock, die Studenten bekamen gute Gage, hatten eine große Gaudi. Aber sie wollten nicht, daß der Professor nur zuguckt und Regie führt, sie wollten auch, daß er mitvögelt. Dies ist ihnen nur halb gelungen, sie zogen ihm zwar den Kittel an, er hatte die Rolle eines Lehrmittelverwalters, der dazukommt, der dann mit reingezogen wird, eine komische Figur, die noch einen weiteren ausgestopften Vogel bringt. Sie wollten Bazon mit einbeziehen, so sah man es im Film, als er noch nicht geschnitten war, im Rohmaterial. Den Kameramann Boldt kannte Brock noch von seiner Schule aus Itzehoe. Damals hieß er noch nicht Bazon, er heißt eigentlich Jürgen Brock. Im Rohmaterial versuchten die Studentinnen, ihrem Professor den Schniepel rauszuholen, von dem Ganzen ist im fertigen Film nur ein Fuß übriggeblieben, den ein Mädchen ins Bild zu zerren versucht, es ist der Fuß von Bazon Brock. Das merkt aber nur, wer das ganze Material kennt.

›Die Schüler‹ waren fertig, auf Boldt richteten sich alle Hoffnungen. Auch er entwarf große Perspektiven, abwechselnd mit Freunden von der Münchner Filmhochschule sollten die nächsten Filme gedreht werden, für den zweiten war Roland Hehn vorgesehen. Die Kamerastaffel stand, bevor wir wußten, wie die Verkaufskopien hergestellt werden konnten, das hat sie allerdings nicht interessiert. Beitlich und ich saßen bei Ratibor in dessen Schule im Taunus, dieser Mann konnte kopieren, aber nur in der Waschküche. Wir brauchten doch Massenkopien, hatten die Werbung anlaufen lassen, die Prospekte wurden gedruckt, die ersten Bestellungen kamen, zehn Minuten Superacht farbig, stumm, einhundertzwanzig Mark. So etwas ist dann später für vierzig Mark verscherbelt worden, zum März-Schlußverkauf in der ersten Phase von Zweitausendeins, aber am Anfang waren es stolze einhundertzwanzig Mark. Ratibor wollte eine große Kopiermaschine kaufen, wir sollten sie vorfinanzieren, es wurde hochgerechnet, wieviel tausend Filme wir wohl verkaufen könnten. Ich sagte es schon mal, vom ersten Film sind siebentausend Exemplare verkauft worden. Siebentausend mal einhundertzwanzig, weißt du, was das macht? Minus Rabatt und Produktionskosten vierhundertzwanzigtausend Mark pro Film, Filmchen, denn es waren Filmköttel, für zehn Minuten – knapp eine halbe Million Umsatz, nicht schlecht. Aber soweit sind wir noch nicht. Glücklicherweise kriegten wir drei Tage vor Übergabe des Schecks an Ratibor mit, daß er das Geld wie der Blitz auf den Roulettetischen von Wiesbaden verzockt hätte.

Wir streckten die Fühler anderweitig aus, von allen Kopierwerken, Geyer, Atlantik, Mosaik, tönte es: »Undenkbar!« Ich wollte schon aufgeben, da, aus heiterem Himmel, meldete sich am Telefon ein Herr Svensson aus Schweden, der mit schwedischem Akzent sehr gut deutsch sprach. Er habe aus der Presse von meiner Filmproduktion erfahren, leite in Stockholm das bedeutende Filmunternehmen Venus Film AB, ob ich kein Interesse hätte, mit ihm zu kooperieren: »Kommen Sie auf meine Kosten, Sie wohnen im Grandhotel«. Nun ist es nicht üblich, Geschäftspartner auf derartig plumpe Weise anzuleiern, ihnen ein Luxushotel anzubieten, das kann man zur Not selbst bezahlen. Also eine Akquisition, als wolle er unbedingt mit mir arbeiten, als brauche er mich. »Wir können uns unterhalten, vielleicht ergäbe sich auch eine Möglichkeit der technischen Kooperation im Bereich des Kopierens«, sagte ich, das mußte er doch ohnehin wissen, daß dies mein Problem war. »Keine Schwierigkeit, wir arbeiten mit einem der leistungsfähigsten Kopierwerke.« Ich beschloß, sofort nach Stockholm zu reisen. Svensson deutete am Telefon an, daß er daran interessiert sei, mit mir eine schwedische Aktiengesellschaft zu gründen. Ich sagte Rechtsanwalt Johannes Riemann Bescheid, der alle meine Geschäfte begleitete, ein Frankfurter Linkenanwalt, der seit der Gründung des März Verlags für mich Prozesse führte, und zwar reihenweise, die gegen Melzer, die Pornoprozesse. Er war derartig eng mit meinen Läden verbandelt, daß ich ihm in der Schwindstraße, wo wir zwei Stockwerke in einem Hochhaus gemietet hatten, drei Räume von der Bismarc-Media-Etage abgetreten hatte, darin betrieb er seine Kanzlei, die Miete wurde mit dem Beraterhonorar verrechnet. Er lebte zur Hälfte von mir, die andere Hälfte kam aus Strafverteidigungen: ›Black-Panthers‹-Geschichten, Astrid Proll oder sonstwelches Links- und erstes Terror-Gemurkel.

(BK /JS)

In letzter Zeit sind die FAQs: »Du hast doch bei Olympia Press Ende der Sechziger die ersten pornographischen Bücher und Filme für den freien Markt gemacht. Wie fing das an? Warum, wieso, weshalb?« Diese Fragen werde ich in loser Folge beantworten, unter dem geflügelten Titel: Making of Pornography. (JS)

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