vonSchröder & Kalender 23.09.2006

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Der Bär flattert immer noch auf halbmast in nördlicher Richtung.

Ab 10 Uhr wieder auf Topp.

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Und so geht’s weiter mit der schwierigen Suche nach Darstellern für den Pornofilm ›Colt & Köcher‹: Das Kopierwerk Atlantik-Film akzeptierte das Brocksche Gutachten, ›Die Schüler‹ waren bereits in Arbeit, ein Prospekt wurde gedruckt. Die Kameraleute Boldt und Hehn begannen über weitergehende Beteiligungen an den Verkaufserlösen nachzudenken, wollten in meinem Pornokonzern die erste Filmgeige spielen, aber keiner wollte sich natürlich namentlich nennen lassen. Es gab dann Versuche der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften, die Produktion zu stoppen, es gab Strafanträge, dem allem entzogen wir uns mit List, ›Die Schüler‹ liefen blendend. ›Sexokratie‹, so bemüht das auch daherkam, wurde genauso gut verkauft. Es kam nur darauf an, daß alle Varianten darin vorkamen. Ich bemühte mich ständig, den Standard zu erhöhen, mein nächster Plan sah vor, einen Film außen zu drehen, ich wollte den Vogel abschießen mit diesem Film, der dann auch im Vogelsberg gedreht wurde. Uve Schmidt und ich entwickelten ein Szenario, das ›Colt und Köcher‹ hieß, die Message bestand darin, daß ein Trapperpärchen ein Indianerpärchen ausbeutet: ›Colt und Köcher oder Die Ausbeutung‹. Mit den einfachen dramaturgischen Mitteln des Stummfilms sollten höchste Handlungsdichte und erotische Faszination erreicht werden, der Trapper greift nach seinem Colt, der Indianer hebt den Schild vom Boden auf, die Indianerin schnürt das Mieder der Trapperin, wie es von Lessing im ›Laokoon‹ gewünscht ist.

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Dazu mußten wir uns auf vier Spieler beschränken. Bazon Brock konnte noch aus dem vollen schöpfen mit drei Pärchen und einer Lehrerin. Bei der zweiten Produktion war das Filmpersonal schon auf zwei Pärchen und einen Harlekin reduziert, bei der dritten gab es nur noch zwei Pärchen, Trapper und Indianer, dafür wuchs der Stab ständig. Also, ›How the west was won‹, Indianerpärchen wird vom Trapperpärchen überrumpelt, Ausbeutung gleich sexuelle Ausbeutung. Als Indianerin hatten wir Fatima Igrahim ins Auge gefaßt, die damals in Frankfurt als Diddiewadiddie fröhliche Urständ feierte. Sie hatte sich mit schätzungsweise siebzehn under influence of Bernd Malzahn aus Hilden alias Brummbär und unter Zuhilfenahme eines Wasserbettes zur Urzelle jeglicher weiblicher Befreiungspornographie stilisiert. Nein, nicht einfach nur hippes Pornomodell, stell dir vor, sie hätte auch noch gesungen, dann hättest du so was gehabt wie Madonna in Hessen. Fatima stand zur Verfügung, weil sie sich gerade mit Abi Melzer verkracht hatte, denn kurz zuvor fotografierte Gunter Rambow sie für Abi Melzers ›Softgirls‹ zusammen mit Rosy Rosy. Dieses Buch wurde ein Bestseller, daraufhin fühlte sich Fatima von Abi beschissen und wechselte die Fronten, lief zu Olympia Film über.

Fatima also als Indianerin. Nach dem zweiten Film fingen wir eine Kartei von Pornomodellen an, die sehr langsam wuchs, es kamen nie mehr als fünfundzwanzig Karten zusammen. Uve Schmidt führte sie aber hingebungsvoll unter genauester Berücksichtigung sexueller Vorlieben und Hemmungen. Günter Amendt schlug uns als Indianer den bisexuellen Thomas aus Berlin vor, einen ›Sexfront‹-Mitarbeiter und Mitglied der aufkeimenden Stadtindianerszene. Ja, es war durch und durch ein Indianerfilm. Und wie der Wolf in der Geschichte es will, Thomas hatte eine Freundin, Thodora Osikowska, sie stand auch auf Amendts ›Sexfront‹-Mitarbeiterliste, die als Berliner Stadtindianerin eigentlich gar nicht zur Trapperin geschaffen war. Der vorgesehene Trapper stammte aus Uve Schmidts Besetzungskartei und fiel, verflucht, am Tag vor Drehbeginn aus. Es sollten doch in jedem Film neue Darsteller präsentiert werden, damit ja keine Ermüdungserscheinungen bei den Konsumenten aufträten. Auch wegen des Außendrehorts und der sonstigen Vorbereitungen ließ sich der Termin nicht verschieben. Wir hatten nämlich endlich einen ungestörten, idyllischen Drehort in einem der Frankfurt umgebenden Wälder mit Hilfe des verrückten Bankers Lindemann gefunden, der kurzfristig unser Oberbuchhalter war. Er war tatsächlich Banker gewesen und wurde es, nachdem ich ihn rausgeschmissen hatte, wieder. Die Geschichte meiner drei Buchhalter Rische, Lindemann und Beutter führt in Abgründe, jetzt sind wir erst mal im Wald. Lindemann trug das goldene Jägerabzeichen auf seinem Revers, ich gehe durch die Buchhaltung und sage: »Herr Lindemann, Sie sind doch Jäger, wo gibt es denn einen Wald, wo man …? Wir bräuchten ein Revier, wo man eine erotische Szene spielen könnte.« Er wußte ja, daß wir Pornofilme machen. »Kein Problem, ich habe einen Jagdfreund, mit dem teile ich mir ein Revier im Vogelsberg, das Jagdhaus Druschel können Sie haben, da können Sie drehen, so lange Sie wollen, dort stört Sie keiner.« Wunderbar, wir hatten den Drehort von Bankdirektor Lindemann, einer Type mit auch sonst guten Verbindungen und undurchsichtiger militärischer Vergangenheit. Er schnürte sonderbar beim Gehen und meldete sich am Telefon mit »Lünnemann«. Er nannte mir einen Jagdaufseher, an den ich mich wenden sollte. Übrigens, ›Vogelsberg‹ war für mich damals eine unbekannte Landschaft, ich dachte wie jeder, der das Wort zum ersten Mal hört, an einen Berg, der Vogelsberg heißt. Daß es sich um eine ganze Landschaft handelt, einen riesigen erloschenen Vulkan, so groß wie die gesamte Rhön, das war mir nicht klar.

Der Filmstab war bereits am Vortage eingetroffen: Rainer Boldt: Kamera, Wietz: Kameraassistent, Frau Löffelholz, damals Franz Mons’ Frau, war als Standfotografin engagiert, wir brauchten Bilder für die Werbung. Trotz aller Bemühungen, ein Trapper war nicht aufzutun, schließlich sagte ich entnervt: »Sehen wir morgen mal, was wir machen, vielleicht ändern wir das Drehbuch, drehen eben einen anderen Film.« Aber mulmig war mir schon, alle Szenarien waren von den späteren Gutachtern vorgeprüft, von Marc Adrian, Bazon Brock, Peter Gorsen. Ja, Gorsen hat, wenn ich nicht irre, für ›Colt und Köcher‹ ein Gutachten erstellt, denn es bestand doch immer die Notwendigkeit, den Erfordernissen des Kunstvorbehaltes Rechnung zu tragen. Was sollten wir machen, einen etwas anders kombinierten, komischen Film mit zwei Frauen und einem Mann drehen?

Ich bin abends losgezogen, in eine Bar eingefallen, habe mit einem seltsamen blonden Animiermädchen getrunken, hübsch, aber etwas grobknochig, sie war erstaunlich intelligent. Ich landete trotzdem mit ihr in einem Séparée, das übliche Gegreife und Geneppe. Sie erzählte, daß sie in Berlin Tiermedizin studiere, auf der Durchreise und völlig abgebrannt sei, deshalb hier ein bißchen arbeite, daß ihr Freund an der Hauptwache mit einem Boxerhund in einem VW sitze und auf sie warte bis morgens um vier. »Hol doch deinen Freund her, wir schicken eine Taxe hin, er soll kommen mit seinem Boxer, dann saufen wir gemeinsam.« Na ja, aber ihr Freund sei homosexuell. Um so besser, habe ich mir gedacht, dann kann ich mit dir vögeln. Und wie es oft so geht, in den abstrusesten Konstellationen klappt alles wunderbar. Du brauchst nur einem Taxifahrer zu sagen: »Hier hast du einen Fünfziger, such mal einen Typen, der an der Hauptwache sitzt in einem VW mit einem Boxer, und bring den her.« Tuck, tuck, mit einem Hühnerkopfnicken, Halswirbel aus Gummi, kommt ein hübscher, nicht mehr ganz jugendfrischer Knabe rein, sah aus wie der Priester aus den ›Dornenvögeln‹, also nicht mehr sechzehn, achtzehn, sondern schon so um die achtundzwanzig. Mein Gott, auch die männlichsten Schwulen tucken ein wenig, wenn sie unter sich sind, fallen zuweilen in diesen Säuselton, aber es gibt eben auch Naturtucken, so eine war unser Jürgen. Er setzte sich beleidigt an den Tisch, weil Franziska ihn so lange mit dem armen Hund im Auto hatte warten lassen. Obwohl er doch wußte, daß sie anschaffen mußte. Er war überhaupt immer etwas eingeschnappt, diese ständig ein wenig gekränkte Schwuchtel. Ich hatte einen schweren Schlag bei ihm, er machte mich an. Ich dachte mir, der wäre vielleicht ein Typ für den Trapper. »Wie ist es, wir drehen morgen einen Pornofilm. Du bist zwar schwul, aber könntest du auch…?« »Ach, ist überhaupt kein Problem, ich brauche mir doch nur einzubilden, ich mach es mit dir.« Ich war zufrieden in meinem Tran, daß ich den beiden begegnet war, der Tierärztin und Jürgen. Wir dudelten noch eine Flasche Champagner rein, um unsere Begegnung zu feiern, dann wurde mir auch klar, warum sie sich als Veterinärstudentin in der Halbwelt rumtrieb: Sie zockte, kannte sich bestens aus in den Berliner Zockerkreisen, mit den persischen Zuhältern und war außerdem noch abhängig von ihrem Professor, der als Bösewicht und Psychosado mit ihr ein Verhältnis hatte.

Franziska wollte natürlich ebenfalls in ›Colt und Köcher‹ mitspielen. »Nein, wir brauchen nur einen männlichen Darsteller. Im nächsten Film dann, wenn du willst.« Wir fuhren ins Airport-Hotel, schließlich hatte Jürgen jetzt Anspruch auf angemessene Unterkunft. Ich begleitete die beiden in ihr Hotelzimmer. Franziska war schräg, nämlich scharf auf Jürgen, wollte unbedingt einmal mit ihm schlafen, er aber nicht mir ihr, dafür aber ich mit ihr. »Hör zu, Jürgen«, sagte ich zu ihm, »du mußt es mal zeigen, wenn du das nicht bringst, darfst du nicht in meinem Film mitspielen.« Erst schlief ich mit Franziska, und Jürgen wichste neben uns, dann setzte sie sich auf ihn, ich lag daneben, er wichste meinen Schwanz, und die Tränen kullerten ihm über die Wange. Eine abgefreakte Morgengeschichte, der Boxer lag ebenfalls traurig auf dem Bettvorleger und guckte uns zu. Ich war aber auch stolz auf mich, denn ich hatte einen Darsteller für unseren Film besorgt, fuhr mit Jürgen ins Westend, unsere Mannschaft wartete bereits: Boldt, Wietz, die Löffelholz. Uve Schmidt war noch dabei, Fatima Igrahim am ganzen Körper einzufärben mit einem selbstbräunenden Sonnenmittel. Die Filmer stellte das nicht zufrieden, nicht rot genug, meinten sie.

Thodora, die Trapperin, war beim Friseur Ecke Mendelssohn-/Schwindtstraße, er frisierte ihr eine rotblonde O’Hara-Hochfrisur, vom Winde verweht, natürlich auch eine Perücke, richtete sie her zur Westernnelke. Dem Trapper paßte das Kostüm nicht, in der ›Klamotte‹ fanden wir eine sündhaft teure grüne Fransenjacke aus Wildleder. Jürgen verliebte sich derartig in die Jacke, daß er sie sich als Zusatzgage ausbedang. »Meinetwegen, gut, aber sag es nicht den anderen.« Wir fuhren zurück in die Firma, ich ging mit meinem Star in die Buchhaltung, um ihm von Herrn Lindemann einen Vorschuß auszahlen zu lassen. Jetzt stellte sich plötzlich heraus, daß dieser Buchhalter ebenfalls stockschwul war, es war mir bis zu diesem Moment nicht aufgefallen. Er gehörte noch zum alten Typ der camouflierenden Homosexuellen, aber mit der Tucke an meiner Seite gab es für ihn kein Halten mehr. Ich eilte in Panik vorneweg durch die Büroräume zu Uves Büro, Jürgen hinter mir her, spitz auf mich. Ich wollte von ihm doch gar nichts wissen, zwar war die morgendliche Bettszene im Hotel vorgefallen, in der sich alles mögliche gemengt und gedreht hatte, aber das war für mich vor allem eine Sache mit Franziska gewesen. Er war hinter mir her und Lindemann hinter ihm – wie in der Geschichte von der Gans mit den goldenen Federn.

(BK /JS)

In letzter Zeit sind die FAQs: »Du hast doch bei Olympia Press Ende der Sechziger die ersten pornographischen Bücher und Filme für den freien Markt gemacht. Wie fing das an? Warum, wieso, weshalb?« Diese Fragen werde ich in loser Folge beantworten, unter dem geflügelten Titel: Making of Pornography. (JS)

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