vonSchröder & Kalender 24.08.2006

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Der Bär flattert in nordöstlicher Richtung.

Und so geht’s weiter mit der Planung der Olympia-Pornofilme im Jahr 1969: Die Darmstädter Staatsanwälte begannen das ›Barbara‹-Buch zu verfolgen – ein Musterprozeß, um mich und die Olympia Press wegzufegen. Es setzte das lange Gerede in der Presse über Pornographie ein. Nachdem man sich drei Monate überschlagen hatte, erlahmte langsam die Lust, darüber zu schreiben, etwas Neues mußte her. Das ergab übrigens immer die besten Realisate hinterher, einfach etwas anzukündigen, von dem ich noch nicht wußte, wie es aussehen sollte, beispielsweise das ›Mammut‹. Wie stellt man sich das Buch vor und: »Wie soll es heißen?« Eine Planung, wie sie beim Kinderzeugen nicht möglich ist, man kann sich ja nicht vornehmen: »Das Kind soll Almut oder Hartmut heißen. Jetzt fangen wir mal an zu ficken.« So wird gewöhnlich ein Kind nicht produziert, aber im kreativen Bereich geht das. »Der Film heißt Pornofilm, ich bringe mir jetzt bei, einen Pornofilm zu drehen.« So wie Dominique, als ich noch nicht wußte, wer Dominique ist, mir nur dachte, das muß eine Frau mit einem Kopfschuß sein, weil mir Yvonne Menne mit hochgedünkelter Nase sagte: »Eh, kennst du Dominique?« »Nö, kenne ich nicht.« »Also die macht jetzt im Vogelsberg, bei Birstein, eine Brotbackschule auf.« »Wieso, ist sie Bäckerin?« »Nein! Sie macht doch in der Jazzgass die ›Dominique‹. Sie hat aber im Vogelsberg ein Haus gekauft und wird den Frankfurtern das Brotbacken beibringen.« Wo wir doch alle wissen, daß Dominique noch nicht mal eine Ente braten kann, obwohl sie schon dreihundert gebraten hat in ihrem Leben. Sie kauft immer zwei Enten, schiebt sie rein, und jeder sitzt später da und lutscht wie in diesem Märchen an den Knochen, denkt sich: na ja, lustige Unterhaltungen, es ist eben schön, nur die Ente ist trocken und kalt.

So kann man auch Pornofilme machen, und ich muß bekennen, so habe ich sie gemacht. Ich hatte noch nicht mal viele gesehen, sagen wir mal zehn vielleicht in diesen Bars, das war damals attraktiver als Striptease, da mußtest du extra nach Kopenhagen fahren. Wenn du in Deutschland mal so ein Ding erwischt hast, das war besser als richtiges Ficken, so klandestin ging es zu! Es wurde zu Hause super-acht-mäßig abgeschnurrt, und wer nicht in diese Schüttlerkultur eingewoben war, wo die ollen fetthäutigen Schwitzetypen mit feuchten Lippen den Pornofilm einlegten, kannte solche Filme nicht. Es gibt immer solche Zirkel, zu denen aber die Intellektuellen und Kulturmacher keinen Zutritt haben, die tun immer nur so, als ob sie sich auskennen, aber die ollen Plattfüße, die echten Aficionados, waren viel findiger als die Kulturtruppen, die schmuggelten bereits aus Schweden und Dänemark und drehten selber welche, bevor die Kulturmenschen überhaupt das Genre kannten. Und wenn ich recht überlege, als ich es mir damals einfallen ließ, Pornofilme zu produzieren, hatte ich überhaupt noch keinen gesehen. Keinen einzigen! Bilder schon, Pornomagazine ja. Aber Filme nicht! Und daß die bereits in den Bars liefen, das stimmt nicht, das kam erst später. Sie liefen erst in den Bars, als ich anfing, meine Filme in Deutschland zu vertreiben, und Hersh Beker mir vorschlug, mit ihm zusammen eine Kette von ›Filmbars‹ einzurichten.

Eine beschwerliche Annäherung. Das Tabu der gedruckten Pornographie, dieses Geröllfeld, war langsam abgeräumt, aber das Gebot ›Du sollst dir kein Bildnis machen vom Vögeln‹, das Bilderverbot, bestand um so krasser fort. Die dritte, die undenkbare letzte Stufe der Eskalation war das öffentlich vorgeführte bewegte Rein-Raus-Spiel. Es fällt ja heute noch nicht schwer, sich das vorzustellen, die plane Pornographie, die Titten oder das Suspensorium sind läßlich. Die kennst du nicht, diese kleinen Sackhalter, wohl frei erzogen? Das Suspensorium ist doch die Hasenpfote unserer Tage. Den Sportlern in ihren Flatterhosen würden die Eier schwingen, der Schwengel so manchen Fleischschwanzes aus den geschlitzten Hosen schlenkern. Hast du dich noch nie gewundert, warum das nicht passiert? Es gibt nicht nur Büstenhalter, sondern auch Sackhalter, denn in den weiten Sprinterhosen wohnen doch nicht nur durch Anabolika eingedampfte Schrumpelschwänze, sondern auch pferdeartige Carlo Thränhardtsche Fleischschwänze, die böse schlenkern wie bei Frau Mendes Bürgermeister – bis zum Knie! Eine attraktive blonde Maklerin aus Buchschlag um die vierzig, wie aus der ›Vogue‹ gesprungen, aber wie ein Teenie kichernd, erzählte uns die Geschichte in der Kantine des Control Data Instituts, wo Barbara und ich 1988 als Umschüler versuchten, die höheren Weihen der Computerkunst zu erringen. Ein solches Narrenschiff voll regredierter Erwachsener wie diese Anfängerklasse in jenem Großunternehmen des staatlich subventionierten Umschulungsbeschisses hältst du nicht für möglich. Aber lassen wir das erst mal, wir waren beim Schweinigeln, ja, eine schreckliche Vorstellung für eine Frau. Ich habe aber auch schon mit Mädchen geschlafen, nicht oft, aber drei-, viermal, wo diese Männerwitze zutrafen. Nicht Frauen mit siebenundvierzig, die dreizehn Kindern das Leben geschenkt haben, nein, junge Frauen mit unendlich weiten Mösen, in denen du eine mittlere Faust hättest versenken können. Da ist so ein Schwanz wie unserer gänzlich verloren, und diese Frauen müssen sich eben solche Schwengelköpfe suchen. Sie gucken halt so lange rum, bis sie einen finden, jeder Pott findet seinen Deckel – oder auch nicht, das ist dann das Drama eines Lebens.

Wieso ich ausgerechnet auf das Suspensorium komme? Als Beleg dafür, daß bewegte Bilder auch heute noch tabuisiert sind in den Medien, daß Vögeln in Fernsehen und Film unverändert eine sehr sparsam gezeigte Handlung ist, selbst bei der weitgehenden Liberalisierung der Medien. Damals war pornographische Literatur verboten, sonst hätte es ja keinen ›Barbara‹-Prozeß gegeben. Noch verbotener war die bildliche Darstellung, das stehende Bild, das Foto. In dieser Zeit, als die gedruckte Pornographie untersagt, die andere hochnotpeinlich verboten war, habe ich mich an das letzte Tabu gewagt und gesagt: »Und jetzt Film!« Zuallererst aus Gründen des persönlichen Interesses, das ist doch das Irre, daß solche Macher wie ich, anstatt nach Kopenhagen zu fahren und einen Pornofilm zu kaufen, anstatt sich für ein paar hundert Mark in einen Wichserclan einzukaufen, sich eine Filmproduktion einfallen lassen. Eine verkappte Art von Scham oder Stolz – oder eben Unverschämtheit. Man will sich nicht demütig in die Schlange der Wichser einreihen, sondern sagt: »Wenn ich mich dafür interessiere, dann produziere ich das.« Interessiert war ich aber ebenso an Putz und Randale, am Erregen von Ärgernissen und an der Gefahr. Wie fängt man an?

Man fängt wegen des Unseriösen der Sache immer seriös an, indem man sagt als geübter Kulturschaffender: »Wir wollen ja nicht diese Pornographie machen, sondern eine ganz andere, die emanzipatorisch ist und cineastisch interessant, wir wollen das Trivialmedium erweitern«, das ganze Brimborium. Ich habe also erst mal angeklopft bei einer Reihe deutscher Filmer: Schröter, Nekes, was weiß ich, wer noch dabei war, meine Ankündigung, deutsche Pornofilme produzieren zu wollen, rief viele Leute auf den Plan. Und es meldete sich auch der immer an Sauereien und Geld interessierte Bernward Vesper aus Berlin: »Ich bin mit den Topleuten der Filmakademie befreundet, die besten Leute, meine Freunde Geissler, Gremm, Rote-Zelle-Film, sie haben hier gerade die Brothers and Sisters Company gegründet, als sie von deinem Plan hörten. Sie drehen deine Filme, komm sofort nach Berlin. Wir machen alles klar.«

Hörte sich gut an, zwei junge Filmer, die die Berliner Szene kennen, auch die Mädels aussuchen, mehr konnte man nicht erwarten. Ich fuhr nach Berlin mit Uve Schmidt, bei den Pornosachen war Uve fast immer dabei. Die Begegnung mit den Brothers and Sisters fand in der dunkel verhangenen Altberliner Wohnung der Malerin Ellinor statt, einer mehligen Frau, blaß mit schwerer schwarzer Mähne, ein geheimnisvoll nach Moschus riechender Typ in einer großen bunten, von Cannabis geschwängerten Wohnung. Auch Andreas Baader geisterte durch die Bude, er hatte mit ihr gelebt, bevor er Gudrun Ensslin traf. Jetzt war Ellinor wohl die Freundin von Wolf Gremm, neben Regine Ziegler, die bald auftauchte. In dieser Bohemewohnung hockten wir im Schneidersitz vor den begnadeten Filmern der Akademie, die uns ästhetisch-ideologisch vorbrabbelten, wo es langgeht, die Shilums und Reefers dampften, duster alles, und die Maultrommel tönte »Hawooongk, hawaaangk, hawooongk«. Wolf Gremm, assistiert von Bernward Vesper, formulierte das Manifest der neuen Pornofilme, die einzig und allein die Brothers and Sisters Company zu drehen befähigt sei. Und wenn du sowieso keine bessere Wahl hast, mittendrin sitzt in wabernden Haschischdämpfen, neben dir ein kopfwiegendes, kicherndes Blumenmädchen, und die Ideologen klingeln mit den indischen Glöckchen, kurzum, es klingelt allenthalben, bist du überzeugt, daß diese Leute die erleuchtendsten, die emanzipatorisch wertvollsten Flower-Power-Pornofilme machen können. Daß die vom Filmen überhaupt keine Ahnung haben könnten, darauf bin ich nicht gekommen, denn ich habe es damals noch für selbstverständlich gehalten, daß jemand, der auf einer Filmakademie ist, zumindestens gelernt hat, wie man eine Kamera bedient und wie man ausleuchtet. Vielleicht kannst du schon ahnen, was dann kam.
Zuerst kamen ihre Vorstellungen, wieviel ich zahlen müsse, damit sie anfangen könnten zu drehen. Es kostete nur die Hälfte von Schröter, dafür wollten sie drei Filme herstellen. Es waren zwölf Darsteller vorgesehen, tausend Mark für jeden fand ich zu teuer. Wir einigten uns auf fünfhundert pro Tag, Frau oder Mann, das machte schon zwölf Mille für zwei Tage. Geissler und Gremm brauchten auch Vorschuß, es mußte Material gekauft werden, die Geräte wurden geliehen, das Übliche bei einer Produktion. Vier Wochen später fuhren wir wieder nach Berlin, Hotel am Steinplatz, dort wohnte man als arrivierter Künstler, die Filme waren fertig. Geissler sagte: »Es gibt ein Problem, wir finden keine Kopieranstalt, die Pornofilme kopieren will.« Nach langer Suche fanden wir eine Klitsche, ein größeres Fotogeschäft mit Labor, in dem hauptsächlich Super-acht-Filme entwickelt wurden. Sie konnte aber auch sechzehn Millimeter kopieren, eine Badewannen-Kopieranstalt, die für den Underground produzierte, zum eigenen Gebrauch oder zum Verscherbeln für bestimmte Kreise. Ein Fotoladen an einer Ecke in Steglitz, noch mit dem ganzen alten Fotoklimbim. In Frankfurt gab es übrigens auch so einen Laden in der Berger Straße, bei dem haben wir uns später die Muster der anderen Filme angesehen. Das Labor in Steglitz entwickelte die Filme der Brothers and Sisters Company, kopierte die Muster. Ich wartete mit dem Scheckbuch, hatte ja noch nichts gesehen, nur die Rechnungen bezahlt und das Getröte von Geissler und Gremm gehört, wie wunderbar alles wird.

(BK /JS)

In letzter Zeit sind die FAQs: »Du hast doch bei Olympia Press Ende der Sechziger die ersten pornographischen Bücher und Filme für den freien Markt gemacht. Wie fing das an? Warum, wieso, weshalb?« Diese Fragen werde ich in loser Folge beantworten, unter dem geflügelten Titel: Making of Pornography. (JS)

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