von 21.06.2011

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Erdinger Weizen aus dem Spätkauf und libanesische Schawarma am Wasser. Ich hätte den Kiezforscher nach seiner Erwartung fragen sollen.

Was erwartete ich denn von der Radikalen Linken? Liefen historische Ereignisse wie die Gründung von USPD und KPD nicht genau so großspurig, zerfahren, unsortiert berauscht, so unverständlich grandios ab? Spielten da nicht auch das Elend der bisherigen Politik und der Glanz des endlich ausgebrochenen Aufbruchs jede theoretische Analyse an die Wand? Und war der Blick dann nicht innerlich fest auf den unausweichlich kommenden Aufstand gerichtet? War das nicht immer: Alles Blog??

Ich habe schon doch erwartet, dass sie Marx meinen, wenn sie ihn nennen, bei ihm zu lernen suchen, wie man aus Geschichte für Gegenwart lernt und dass es mehr Zukunft nicht gibt.

Aber noch immer sind die Anderen, die Nicht – Linke tutti quanti DIE RECHTE, die nichts geleistet, nichts gelernt und alles missbraucht hat. Noch immer weiß die Linke nicht, dass sie die alleinige Verantwortung für die Alternative beansprucht hat vor der Gesellschaft, seit 1900 Versprechungen macht, für die sie nicht ernsthaft arbeitet und sich stattdessen ewig zerstreitet – also keine Chance auf ein Mandat haben kann!

Noch immer steht da am Horizont die Revolution der Linken, obwohl sie sie nie zustande brachte in Deutschland: die Große Revolutionäre Verweigerung 1914 nicht vorbereitet und den Ersten Weltkrieg als Ersatz beschworen. Nach der Zweiten Revolution 1918 aus nationaler Verantwortung die Macht bürgerlich verwaltet und so an die Reaktion vergeben. Die Dritte Revolution 1932 im Antagonismus der Arbeiterparteien Führer und Volk überlassen und die Befreiung den Alliierten. Die Vierte kulturelle Halb- Revolution 68 aus der bürgerlichen Jugend in K- Gruppen und RAF getrieben. Ihre nachholende zweite Hälfte 89 ist dann bereits der demonstrative Übertritt des Arbeiter- und Bauernstaatsvolkes in den ohne linke Alternative. Und noch immer wird Kommunismus formativ und kollektiv gedacht, statt offen und individuell!

Doch was soll´s. Die LINKEN feiert erleichtert, den freien Augenblick im Kreise der Jugend genießend und die endlosen Konversationen bei Bier und Bratwurst sagen, was zu sagen ist. Sie werden unter sich bleiben, Partei unter Parteien. Die Gesellschaften bezahlen das politische Theater, selbst wenn das Geld knapp ist. Toleranz ist systemsichernd, hat das Kapital gelernt. Marcuse hat das „repressive Toleranz“ genannt. Doch es funktioniert, sie haben es ausprobiert – an Rhein, Spree und Elbe.

Ich bin für die Straßenverkehrsregeln und die Zweite Reformation nach Luther: Alle Vermittlungen zwischen Staat und bürgerlicher Gesellschaft müssen weg. Vielleicht ist Marx Ansatz hilfreich und aktuell, weil ausreichend paradox: Reformation als Kulturrevolution, vom Staats- zum Kulturbürger. Vielleicht wäre Marx nach Dresden gegangen. Er hätte es jedenfalls dürfen.

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