vonDominic Johnson 08.10.2010

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Die Gewalt im Osten des Kongo ist heute schlimmer als zu den Zeiten des offiziell 2003 beendeten Krieges, und eine Besserung ist nicht abzusehen: Dies war vor wenigen Tagen der Tenor eines Expertenbriefings in Brüssel für EU-Diplomaten, die demnächst in den Kongo aufbrechen sollen. Und eine besonders alarmierende Nachricht gab es in diesem Zusammenhang, mittlerweile von der UN-Mission im Kongo (Monusco) selbst bestätigt: In kurzer Zeit wird die Blauhelmmission im Kongo, die größte der Welt, faktisch kampfunfähig sein – denn sie wird keine Kampfhubschrauber mehr haben.

Indien, einer der größten Truppensteller der Monusco, reduziert seine Präsenz, und der UN-Sicherheitsrat hat auf Drängen der kongolesischen Regierung das Budget der Mission gekürzt. Von den einst 16 indischen Kampfhubschraubern der Monusco sind daher die Hälfte schon abgezogen worden, die andere Hälfte soll bis Monatsende folgen. Der UN-Mission verbleiben dann nur noch Transporthubschrauber und -flugzeuge.

Südafrika könnte zwar Ersatzhubschrauber schicken, aber diese sind noch gar nicht im Einsatz. Und die Südafrikaner sind ziemlich verschnupft, nachdem vor wenigen Wochen eine Gruppe südafrikanischer Soldaten von einem offensichtlich falsch gebrieften UN-Piloten mitten im FDLR-Gebiet abgeworfen wurde, obwohl sie ganz woanders hingebracht werden sollte. Die Südafrikaner mußten den ruandischen Hutu-Milizen ihre Waffen übergeben, als Zeichen guten Willens. Eigentlich soll ja die UNO im Kongo die FDLR freiwillig entwaffnen, nicht umgekehrt. Aber es gibt nichts, was derzeit nicht schiefgeht im Osten des Kongo.

UN-Blauhelme im unwegsamen Ostkongo ohne Kampfhubschrauber: Das heißt, man wird endgültig nur Beobachter. Man kann zwar zugucken, aber nichts tun, beispielsweise wenn Einheiten der kongolesischen Regierungsarmee FARDC im Distrikt Walikale Dörfer niederbrennen, wie dies von UN-Seite bestätigt wird. Oder auch wenn FDLR und andere Milizen Massenvergewaltigungen an kongolesischen Frauen begehen, wie dies Anfang August bei Mpofi und Luvungi geschah – der Vorfall machte weltweit Schlagzeilen.

Vielleicht guckt man dann lieber nicht zu. Wozu auch? Die UNO kann ohne Kampfhubschrauber auch nicht mehr die Regierungsarmee FARDC militärisch im Busch unterstützen, so wie früher im Kampf gegen die CNDP-Rebellen Laurent Nkundas oder auch regelmäßig im Distrikt Ituri im Kampf gegen Milizen. Noch ist zwar keine geordnete neue Rebellion in den Kivu-Provinzen aufgetaucht, die ähnlich wie früher die CNDP die Regierung frontal herausfordern will. Aber der Weg dahin wäre angesichts des zunehmenden Chaos nur ein kleiner Schritt.

Im UN-Jargon heißen die laufenden FARDC-Armeeoffensiven gegen Milizen und Rebellen in Nord-Kivu „unilaterale Operationen“. Man kann sie weder unterstützen noch sie verhindern, und am besten ist es, man weiß darüber so wenig wie möglich. Und dann kann man sich, wie neulich in Goma ein indischer UN-Offizier beim Briefing, hinstellen und mit dem schönsten Lächeln auf den Lippen sagen: „This is a very lively place! There are many things happening here!“

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