vonClaudius Prößer 15.06.2009

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Nach fast zwanzig Jahren Mitgliedschaft in der Sozialistischen Partei Chiles hat Marco Enríquez-Ominami seinen Austritt in aller Öffentlichkeit vollzogen. Auf dem Weg zu einer unabhängigen Prä­si­dent­schafts­kan­di­da­tur musste der 35-Jährige, der mit seinen phä­no­me­na­len Um­fra­ge­wer­ten das stabile Gefüge aus Regierung und Oppo­si­tion auf­mischt, diesen Schritt tun. Er wird es aber auch nicht son­der­lich bereut haben, denn in den vergangenen Monaten schlug ihm aus der Führungsetage der Partei nur noch offener Hass entgegen. Umgekehrt denken viele Genossen, die sich an seiner Seite sehen, laut über einen massenhaften Austritt nach.

In seiner auf Youtube geposteten Erklärung zerschneidet Enríquez-Ominami das Tischtuch noch ein wenig mehr: Zwanzig Jahre nach Beginn der transición, dem paktierten Hinübergleiten von der Diktatur zur Demokratie, spreche nichts mehr dafür, an der Koalition von damals festzuhalten. Die regierende Concertación ist personell und konzeptionell verbraucht, überholt, fertig, so die Lesart des jungen Rebellen – eine Interpretation, die er mit sehr vielen Chilenen aller Lager teilt. Enríquez-Ominami wirft den Regierenden vor, an liebgewonnenen Privilegien zu hängen, sich den Staat angeeignet zu haben, ein politisches Kartell mit den immer gleichen Namen zu bilden. Damit müsse endlich Schluss sein.

So viel Aufmüpfigkeit zieht, immer noch: Laut einer der letzten Umfragen käme „MEO“ in einer ersten Wahlrunde auf ein besseres Ergebnis als der offizielle Kandidat der Concertación, Ex-Präsident Eduardo Frei Ruiz-Tag­le. Dabei ist Enríquez-Ominami noch nicht einmal zur Wahl zu­ge­las­sen – noch fehlen ihm gut 20.000 von erforderlichen 36.000 Un­ter­schrif­ten, die vor einem Notar geleistet werden müssen. Selbst man­che Unterstützer zweifeln daran, dass ihr Kandidat diese Hürde bis Mitte September nimmt – er selbst nennt sie „seine ganz persönlichen primarias„. (Mehr hier.)

Während Frei praktisch täglich dementiert, dass das „Phänomen Marco“ ihm Sorgen bereitet, muss sich Jorge Arrate, der Kandidat des linken Oppositonsbündnisses Juntos Podemos, langsam Gedanken machen, wie auch er ein bisschen ins Gespräch kommt. Enríquez‘ Abschied von den Sozialisten, den er selbst erst vor ein paar Monaten vollzogen hat, begrüßte Arrate. Wenn aber sein junger Mitbewerber um die Prä­si­dent­schaft den Ruf des Juntos Podemos nach einer Ver­fas­sungs­gebenden Versammlung nicht teile und auch seine wirtschafts- und so­zial­po­li­ti­schen Ideen im Vagen blieben, bleibe sein Auftritt „nichts wei­ter als der jugendliche, moderne Anstrich eines konservativen und an­ti­de­mo­kra­ti­schen Schemas – eine Art Neo-Concertación„.

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