vonDaniel Erk 10.11.2009

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Die aktuelle Auseinandersetzung zwischen Sebastian Brux, einem ehemaligen Vorstand der Grünen Jugend und aktuellem Mitarbeiter des „Der Stern“-Projekts „Mut gegen rechte Gewalt“ und dem mecklenburgischen Landtagsabgeordneten und „Endstation Rechts“-Mitbegründers Mathias Brodkorb bringt Interessantes in Sachen Humor, Parodieverständnis und Deutungshoheit zu Tage. Diese liegen weniger im persönlichen und daher langweiligen Kleinklein der beiden Herren, denn im Verständnisses, was man denn nun aus dem Dritten Reich zu lernen und wie damit umzugehen habe.

Auslöser war ein in der Tat etwas geschmackloser und ebenso witzloser Twitterbeitrag der „Endstation Rechts“, der Brux zu einer grundsätzlichen Kritik an Parodien wie der „Front deutscher Äpfel“ brachte:

„Junge, sich selbst als links und gegen-Nazis definierende Menschen, schließen sich bisweilen der antifaschistischen Spaßguerillia „Front Deutscher Äpfel“ an, die in schwarzen Uniformen, roten Armbinden, Fahnen und Standarten den Faschisten der 1930er und 40er Jahre spielen. (…) Und gerade das autoritär-faschistische Verhalten zaubert manchen ein Funkeln in die Augen. Endlich wie Opa früher fühlen, marschieren, rüpelhaft benehmen und verdrehte Nazisprüche im Hitlersprech ins Megafon krächzen.“

Bordkorb kontert folgendermaßen:

„Wer den „Kampf gegen Rechts“ aufmerksam beobachtet, wird ihn überall registrieren: eben diesen sozialistischen Wettbewerb um die Frage „Wer ist eigentlich der antifaschistischste Antifaschist?“ Es gewinnt, wer die meisten Kerben in seine Küchentischlatte hauen kann: Für jeden „Nazi“, den man ausgehoben, für jeden „Skandal“, den man aufgedeckt oder insinuiert hat, gibt es wieder ein paar zusätzliche Karma-Punkte. (…) Das Fatale ist nur, dass der qualitative mit dem quantitativen Effekt Hand in Hand geht. Denn unentdeckte Nazis gibt’s wie Sand am Meer…“

Während Brux‘ eher polemisiert, stellt Brodkorb seine Argumentation zumindest bis dato auf die solidere Basis. Er schreibt weiter über den Wettbewerb in Sachen Antifaschismus:

„Quelle dieser ambitionierten Haltung ist ein moralisches Sendungsbewusstsein, das im mentalen Angesicht von Hitler und Auschwitz nicht überrascht. Aus einem bloßen Menschen wird der Gutmensch, der stets auf der richtigen Seite steht. Die Logik ist dabei denkbar einfach: Hitler war böse. Wer gegen Hitler ist, ist folglich gut.“

Richtig spannend wird es dann erst richtig – weil es dann um das Humorverständnis und sowas wie die richtige Rezeption von Auseinandersetzungen mit dem Dritten Reich, seinen Symbolen und Insignien geht.

Brux schreibt:

„Nun stellt sich vorab die Frage, ob es denn cool ist, die bei Neonazis beliebte Marke „Thor Steinar“ zu kopieren? Und, was gefällt den Jungsozialisten am Nazi-Chic? Umgekehrt lässt es sich relativ einfach erklären: Neonazis tragen den Intifada-Schal, weil er ihre Solidarität mit dem palästinensischen Kampf gegen den jüdischen Staat verdeutlicht. Neonazis tragen Che-Buttons, weil er für eine „Volksbefreiung“ gekämpft hat, die den Nazis nicht unsympathisch ist.“

Wo sich Brux blind für Parodien und jeglichen Zwischenschritte und Graustufen gibt und zudem darauf hinweist, dass ja Neonazis immerzu echte Solidarität und Überzeugung mit der Übernahme von vermeintlich linken Symbolen ausdrücken wollen (wobei man vielleicht nochmals drüber nachdenken will, wie links man Che Guevara wirklich finden mag) und so jede Parodie, jedes sich durch Kopie und Verunglimpfung an der NS-Ästhetik in die Nähe und den Verdacht von Faschismus, Nationalismus und Nationalsozialismus rückt, da wehrt sich Brodkorb:

„Sebastian Brux bspw. wirft in seinem auf „MUT gegen rechte Gewalt“ veröffentlichen Beitrag „’Heil Hitler’ darf ich als Linker sagen! Oder?“ der „Apfelfront“ und „Endstation Rechts.“ vor, mitunter ästhetisch in satirischer Weise auf den Nationalsozialismus Bezug zu nehmen. Angeblich würde dabei, so die wohl wenig wohlwollende Falschbehauptung, auch der Hitlergruß „kopiert“. Hitler jedoch hat auf dieser Seite noch niemand „gegrüßt“. Beweise dafür dürften kaum erbracht werden können. Man muss persönlich weder „Storch Heinar“ noch die „Apfelfront“ lustig finden. Das ist halt irgendwie auch Geschmackssache. Etwas anmaßend jedoch ist der Anspruch, bestimmen zu wollen, worüber andere lachen dürfen.“

Und nicht nur das, muss man anfügen: Selbst, wenn man den Humor und die Mittel von Brodkorb und der „Endstation Rechts“ weder lustig noch richtig finden will (ich persönlich finde das alles etwas banal und langweilig – es ist einfach nicht nach meinem Geschmack, Humor- und Politikverständnis), ist es unredlich die Parodieformate „Front deutscher Äpfel“ oder „Storch Heinar“ in den Verdacht von Nationalismus und Faschismus zu rücken. Der implizite Nazivergleich, den Brux dort zieht, ist falsch, beleidigend und überheblich. Wer es ernst meint im Kampf gegen den Rechtsextremismus, der sollte sich nicht an solcher Demagogie und Verunglimpfung beteiligen. Wehret den Anfängen, ja – aber wehret auch der Hetze.

PS. „Die Endstation Rechts“ hat sich offenbar vorsorglich Beistand von wissenschaftlicher Seite geholt („Warum man über Hitler lachen muss – Mit Apfelfront-Aktivist Dr. Klaus Blaudzun im Gespräch„) und auf einen Radiobeitrag zu Hitler und Humor auf Radio Bremen verwiesen, in dem auch ich zu Wort komme – soviel auch zur Transparenz)

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