vonHans Cousto 17.06.2010

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Fast bei jedem Bäcker kann man hierzulande frische Mohnbrötchen und leckeren Mohnkuchen kaufen. Doch dies könnte vielleicht bald Vergangenheit sein. Ein Pilz macht dem Mohn zu schaffen. Der Pilz Pleospora papaveracea befällt die Mohnpflanze von der Wurzel her und lässt die Mohnkapseln verdorren. Der Schädling des Schlafmohns, Pleospora papaveracea wurde noch im Rahmen des offensiven Biowaffenprogramms der früheren Sowjetunion entdeckt und im Usbekischen Institut für Genetik in Taschkent im heutigen Usbekistan gelagert. Dort entdeckten ihn Anfang der 1990er Jahre Mitarbeiter der US-amerikanischen Landwirtschaftsbehörde (USDA), die daraufhin die weitere Entwicklung des Pilzes und Feldversuche in Usbekistan finanziell unterstützt hat. In den Laboratorien der USDA in Beltsville, Maryland, wurden auch Versuche zur Infektiosität des Opium-Killers durchgeführt.

Biowaffen für den Drogenkrieg

Martin Ebner schrieb im Sommer 1999 unter dem Titel »Biowaffen für den Drogenkrieg« in der ZEIT (Nr. 24/1999): »Künftig werden nicht mehr Chemikalien versprüht, sondern man will Schädlinge über den Feldern abwerfen. Sie sollen Mohn-, Koka- und Hanfgewächse zunächst unmerklich infizieren, dann aber ratzekahl auffressen. […] Während die Entwicklung von Pilzen gegen Marihuana-Pflanzen auf den Philippinen weitgehend geheim gehalten werden konnte, ist über die Bekämpfung von Kokain und Opium mehr in die Öffentlichkeit gesickert. Wie die Zeitungen Christian Science Monitor und Sunday Times bereits im vergangenen Jahr berichteten, finanzieren die USA, Großbritannien und das UN-Drogenprogramm UNDCP mit Sitz in Wien noch bis zum Jahr 2001 ein Forschungsprojekt des Usbekischen Instituts für Genetik in Taschkent mit rund 650 000 US-Dollar. Rund 200 Wissenschaftler wollen den Meldungen zufolge aus den eher harmlosen Pilzen Pleospora papaveracea und Dendryphion penicillatum neue, aggressivere Varianten heranziehen und deren großtechnische Produktion vorbereiten. Erste Feldversuche im Osten Usbekistans seien bereits erfolgreich verlaufen. Die für Schlafmohnpflanzen tödlichen Pilze überziehen Blätter und Stängel mit einem grünschwarzen Pulver.  Das Ziel des biologischen Angriffs ist jedoch nicht die schnelle Vernichtung der Mohnfelder, weil die Drogenbauern rasch nachpflanzen würden. Vielmehr will man die Pflanzen schleichend infizieren.«

Im FOCUS Nr. 29 (1998) ist unter dem Titel »Drogenkrieg – Pilze gegen Opium« zu lesen: »Die Betonmauer mit dem Stacheldraht und das Wachhäuschen am Eingang erinnern noch an die alte Funktion der Anlage in Taschkent. Zu Sowjetzeiten sammelten, testeten und archivierten Wissenschaftler hier in Usbekistans Hauptstadt in 19 Labors, Gewächshäusern und auf einem Versuchsgut mehrere hundert Krankheitserreger. Im Kriegsfall sollten sie auf den Feldern der Gegner ausgebracht werden und deren Nahrungspflanzen vernichten. […] „Heute bekommen wir keine Befehle mehr aus Moskau“, sagt Abteilungsleiter Rustam Makhmudowitsch, auch keine finanzielle Unterstützung. Dringend nötige Gelder fließen neuerdings aber aus Großbritannien und den USA. […] Sprecher des Drogenkontrollprogramms der UN bestätigen die Aktion und schweigen sich ansonsten aus. Die Spezialisten der internationalen Behörde in Wien fürchten politische Schwierigkeiten mit den Anbauländern.«

Die Krankheit, die der Pilz am Schlafmohn auslöst, ist ursprünglich recht harmlos. Ende der achtziger Jahre selektierten die Taschkenter Biologen jedoch besonders virulente Stämme. Vom Flugzeug aus auf die Felder gesprüht, könnten diese ungehemmt solange in den Pflanzen wuchern, bis diese eingehen. Die behandelten Flächen wären auf Jahre für den Anbau verseucht. Deshalb warnten diverse Wissenschaftler vor dem Einsatz dieser Pilze. Unter dem Titel »Britain’s Secret War On Drugs« berichtete am 2. Oktober 2000 in der Sendung Panorama Tom Mangold von den Gefahren, die durch den Einsatz dieses Pilzes ausgehen könnten, die der GUARDIAN seinerzeit ausführlich unter dem Titel »Anti-heroin fungus ‚may be misused‘« beschrieb.

Allen Warnungen zum Trotz …

Allen Warnungen zum Trotz wurden die Pilzsporen letzten Winter nun wohl doch ausgesprüht. So berichtete die New York Times am 12. Mai 2010 unter dem Titel »Mysterious Blight Destroys Afghan Poppy Harvest«, dass etwa ein Drittel der Mohnfelder in verschiedenen Provinzen in Afghanistan von einem Schädling befallen worden sei. US-Militärs dementieren zwar den Einsatz der Pilze, doch wer glaubt denen noch ein Wort …

Die Preise für Opium sind indes um 30% bis 50% gestiegen, was vor allem denen zu gute kommt, die viel Opium in den Lagerhallen haben – etwa die Menge für den weltweiten Bedarf von zwei Jahren. Händler und Schmuggler und ihre Hintermänner können sich jedenfalls eine goldene Nase verdienen. Für die Bauern besteht jedoch akute Gefahr, denn die Pilze können mutieren und auch andere Pflanzen wie Getreide oder Baumwolle befallen, wie aus verschiedenen Untersuchungen hervorgeht. Zudem sind einmal ausgebrachte Sporen praktisch unkontrollierbar. Aus dem Ackerboden sind die Pilzsporen kaum zu entfernen.

»Die USA, die ein vergleichbares Pilz-Programm gegen den Coca-Anbau unterstützten, haben auf den Einsatz in Kolumbien verzichtet, um nicht in den Verdacht der Kriegsführung mit Biowaffen zu geraten. Allein die Herstellung solcher Biowaffen ist illegal, erst recht ihre Anwendung.« In Afghanistan waren die USA wohl nicht so zurückhaltend. So schreibt Karl Grobe in der Frankfurter Rundschau vom 17. Juni 2010 unter dem Titel »Pilz vernichtet Mohn« zur Situation in Afghanistan: »In diesem Jahr dürfte die Produktion um wenigstens ein Viertel fallen, wie Antonio Mario Costa der britischen Rundfunkanstalt BBC mitteilte. Costa ist Chef des UN-Büros für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC). In den betroffenen Provinzen kursierende Ansichten, Nato-Truppen seien für den plötzlichen Pilzbefall verantwortlich, bestätigte er nicht.

Die BBC hatte allerdings bereits vor zehn Jahren auf entsprechende Forschungen hingewiesen, die unter Aufsicht des UNODC betrieben und von den USA sowie Großbritannien finanziert würden. Sie gehen verschiedenen Forschungsberichten zufolge auf eine Entdeckung im Rahmen eines Biowaffen-Programms in der Sowjetunion zurück. Der Pilz Pleospora papaveracea befalle die Schlafmohnpflanze von der Wurzel her und lasse die Mohnkapseln verdorren. Dies deckt sich offenbar mit dem Befund aus den afghanischen Opium-Hochburgen.«

Pilze können sich recht schnell über Tausenden von Kilometern ausbreiten. Eine neue Variante des Schwarzrost-Pilzes »ug99«, der vor allem Weizen befällt, schaffte innerhalb von einem Jahrzent den Weg von Uganda mitten in Afrika bis in den Norden des Iran mitten in Asien. Die neue und aggressive Variante des parasitischen Pilzes »ug99« bedroht von Afrika aus den Weizenanbau in Pakistan und Indien. Pflanzenschutzmittel versagen immer häufiger, weil die Pilze Resistenzen entwickelt haben. Fünfzig Jahre lang war der Schwarzrost kein Problem in der Landwirtschaft. Jetzt ist der Erreger Puccinia graminis mit Macht zurückgekehrt. Die ausreichende Versorgung von Millionen Menschen mit Lebensmitteln im Nahen Osten und in Asien ist jetzt gefährdet, wie auch das Mohnbrötchen und der Mohnkuchen in Asien und Europa durch einen anderen Pilz.

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