vonlottmann 26.03.2009

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Gestern sah ich zum erstenmal ´Dr. Monk´ im Fernsehen (ich glaube, es heißt so). Ich sehe ja grundsätzlich kein Privatfernsehen, habe die entsprechenden Kanäle gelöscht und mich von allen Frauen getrennt, die diese Sender noch eigenhändig und eigenverantwortlich einschalten. ´Doktor Monk´, oder auch nur ´Monk´ läuft aber im Privatfernsehen, und so war mir diese kriminalistische Kult-Serie jahrelang entgangen. Ich wollte nun aber endlich ins neue Jahrtausend vorstoßen. Friedrich Novottny war gestern der Renner, heute sind es diese Serien. Ich fand ´Monk´ mit Hilfe eines Schmutzblättchens, das umsonst in die Briefkästen geworfen wird und ´Einkauf aktuell´ heißt, mit Fernsehprogramm. Dort stand es prompt unter ´RTL´. Das ist dieser Sender aus Luxemburg, den Frank Elstner einst mit Désiree Nosbusch hochgezogen hat, noch unter Kohl. Heute gehört er sicher den Heuschrecken. Aber noch bevor ´Dr. Monk´ begann, lief eine andere Kult-Serie, nämlich ´Dr. House´. Die Kinder und Hausfrauen sehen wahrscheinlich immer beide zusammen, jeden Tag, bevor sie valiumabhängig werden oder wahlweise Amokläufer in ihrer Schule. Also, jetzt einmal so ins Unreine gesprochen, ich hatte ja noch keine Minute davon gesehen.
´Dr. House´ war schon ziemlich scheußlich. Aber auch beeindruckend. Ich war Lichtjahre davon entfernt, mir solche Geschichten ausdenken zu können. Ungefähr soweit entfernt wie ein Chinese der Yiangdynastie, der englische Handels- und Wertpapierverträge unterschreiben soll, kurz vor dem Opiumkrieg. Ich kann das gar nicht wiedergeben. ´Dr. House´ ist angeblich ein Arzt, der mit Hilfe übernatürlicher Kräfte schwierige Krankenfälle löst. Zum Beispiel liegt in seinem Krankenhaus ein hübsches Mädchen aus Thailand, das im Fieber deliriert. Die US-amerikanischen Adoptiveltern sind ratlos. Das Kind ist crack-abhängig. Die Ärzte finden Nadeln in seinem Kopf. Doktor House deliriert nun auch und ahnt, daß die Nadeln durch einen eisernen Bhudda im Schrein mit Hilfe von versteckten schweren Magneten bewegt werden. Und zwar in Richtung Suchtzentrum. Am selben Tag, Achtung Nebenhandlung, wird der Vater von Doktor Monk, äh, House, beerdigt. Der Sohn soll eine Rede halten. Die Polizei nimmt ihn fest. Seine Mutter nervt ihn mit Lobreden über seinen Vater, der aber ein liebloses militaristisches Arschloch war. Zur selben Zeit droht das hübsche schweißnasse Thai-Girl zu sterben. Das Krankenhaus sucht verzweifelt den Arzt, der zwischen Gefängnis und Friedhof pendelt und schließlich während seiner denunziatorischen Grabrede eine DNA-Probe vom Ohrläppchen seines Vaters nimmt, der im offenen Sarg in ordengeschmückter Uniform liegt…
Hier mußte ich einfach abschalten. Nicht, weil die Handlung so gewöhnungsbedürftig (für mich) war, sondern weil alle Handelnden so unfreundlich zueinander waren. Fast so unfreundlich wie im deutschen ´Tatort´, der natürlich an Unfreundlichkeit, Muffigkeit und Schlechtgelauntheit von keiner Serie weltweit erreicht wird. Aber jedenfalls glaubte ich die Ingredienzien US-amerikanischer Fastfood Serien erkannt zu haben, nämlich: Krankheiten, Drogen, Esoterik, Ruppigkeit im Umgang, Polizei, Friedhof, Labor. Ich konnte mich natürlich irren. Erstmal eine Zigarette.
Rechtzeitig zu ´Dr. Monk´ war ich zurück. Der Mann war diesmal gar nicht Arzt, sondern mit übersinnlichen Kräften ausgestatteter Kriminalbeamter. Er mußte unlösbare Fälle lösen, wenn auch nicht im Krankenhaus. Die Welt war dieselbe. Labor, Polizei, ein hübsches totes Mädchen, ein paar Visionen, ein Crack-Dealer, ein paar ruppige Wortwechsel. Inhuman das Ganze wie ´Dr. House´. Aber irgendwie auch wieder nicht. ´Monk´ war Neurotiker. Das war die Idee dabei: eine Serie mit einem ausgewiesenen Neurotiker als Titelfigur. Monk ist noch immer in seine Frau verliebt, die ihn vor zweieinhalb Jahren verlassen hat. Er hat eine Berührungsneurose. Und eine Bakterienphobie. Er kann anderen Menschen nicht die Hand schütteln. Er muß alle Gegenstände immer gerade geordnet hinstellen. Er ist unsportlich.
Ein netter Kerl also, der von seiner Assistentin wie ein kleines Kind durch die Welt geführt wird, um mit seinen übersinnlichen Fähigkeiten schwierige Fälle zu lösen. Ich konnte mich mit ihm sofort identifizieren. War ich nicht genauso? Ja, ganz gewiß. Aber die ihn umgebende Welt war dann doch wieder zu häßlich. Eben amerikanisch. Hiphopper, Migranten, Bullen, Nutten, Crack-Dealer, Proleten, Gewichtheber, Pizzabäcker – aber niemals ein gebildeter Mensch, ein eloquenter Zeitgenosse (einer der auch nur die kleinste poltische oder kulturelle Bemerkung machte), ein Gesicht mit humanen Zügen, ein Patrick McNeal etwa oder gar eine Diane Rigg aus ´Mit Schirm, Charme und Melone´…
Diese Zeit ist vorbei. Aber das wußte ich ja schon.

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