vonsaveourseeds 30.06.2009

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Monsanto-Chef Hugh GrantMonsanto-Chef Hugh Grant hat Grund zum Grinsen: Die Europäische Lebensmittelagentur EFSA hat nach Angaben der Firma deren Gentechnik-Mais „Mon 810“ im Rahmen einer überfälligen Neubewertung für sicher erklärt. Zudem befürworte sie auch den Anbau des Monsanto-Maises NK603. Der Öffentlichkeit steht der Bericht der EFSA, den Monsanto bereits gestern begrüßte, allerdings bisher nicht zur Verfügung. Dass die EFSA dem Antragsteller den Bericht vorab zur Verfügung stellte und es Monsanto überläßt ihre Entscheidungen zu veröffentlichen, wirft ein bezeichnendes Licht auf die Arbeitsweise der Agentur und ihres wissenschaftlichen Gentechnik-Ausschusses.

In seiner Presseerklärung begrüßt der Konzern nicht nur die Stellungnahme der EFSA-Experten, sondern zieht auch gleich die Schlussfolgerungen: Die EU-Kommission sei nun verpflichtet, eine Verlängerung der bereits 2008 ausgelaufenen Zulassung von Mon 810 und die Neuzulassung von NK 603 vorzuschlagen. Beide Sorten enthalten ein Bt-Insektengift, NK 603 ist zusätzlich resistent gegen Monsanto’s Totalherbizid „Roundup“ (Glyphosat). Das letzte Wort hat freilich der Ministerrat. Ausserdem müssten jetzt die nationalen Verbote von Mon 810, die gegenwärtig in 6 EU-Staaten, darunter auch Deutschland gelten, aufgehoben werden, erklärte der Mais-Sprecher des Konzerns, Dusty Post, in St. Louis.

Die Umweltorganisation Freunde der Erde hatte die EFSA daraufhin um eine Kopie der Stellungnahmen gebeten, blitzte allerdings bei der Behörde ab: Die Stellungnahmen würden „demnächst“ auf ihrer Webseite veröffentlicht. „Die Glaubwürdigkeit der EFSA ist dahin,“ kommentierte Helen Holder von FOE den Vorgang, „wenn sie bei der umstrittensten Gentechnik-Zulassungsentscheidungen der EU Monsanto Vorzugsrechte gegenüber der Öffentlichkeit einräumt.“
Gut möglich, dass die EFSA unter dem Druck der Siegesmeldung aus St.Louis die Veröffentlichung im Laufe der nächsten Stunden online stellt.

Update 14:35 h: Stellungnahme jetzt online

Die positive Stellungnahme des EFSA-Panels, die bereits am 15. Juni angenommen worden war, ist jetzt auf der Webseite der EFSA veröffentlicht.

Ohne dem Inhalt der Stellungnahme der Wissenschaftler vorgreifen zu können, haben sie sich offensichtlich über erhebliche Zweifel an der Vollständigkeit und Korrektheit der bisherigen Angaben von Monsanto über Mon 810, die in den vergangenen Jahren von verschiedenen Wissenschaftlern geäussert wurden, hinweggesetzt.

Innerhalb der EU-Kommission und zuletzt beim Treffen der EU-Umweltminister am vergangenen Donnerstag wird allerdings, wie hier bereits berichtet,  zunehmend in Frage gestellt, ob eine positive Bewertung der EFSA-Wissenschaftler automatisch zu einer EU weiten Zulassung insbesondere für den Anbau führen soll. Neben den rein wissenschaftlichen Sicherheitsfragen sollen in Zukunft auch die sozio-ökonomischen Auswirkungen des Anbaus von Gentechnikpflanzen berücksichtigt und die Zulassung für den Anbau möglicherweise den einzelnen Mitgliedsstaaten überlassen werden. 15 der 27 Mitgliedsstaaten, darunter auch Deutschland und Frankreich, sollen sich auf dem Ministerratstreffen für eine entsprechende Änderung der EU-Gesetze stark gemacht haben.

Dass nun Monsanto ihnen die Ergebnisse ihrer eigenen Behörde mitteilt, wird bei der Kommission und den Ministern möglicherweise keine Begeisterung auslösen.

Schnellzusammenfassung der Mon 810 Stellungnahme:

In dem 83 seitigen Gutachten kommt der wissenschaftliche Ausschuss zu dem Schluss, dass Mon 810 keine zusätzlichen Gesundheitsgefährdungen im Vergleich mit gentechnikfreiem Mais erkennen lasse.

Auch Umweltgefahren, die ihre Besorgnis erregen könnten, sehen die Wissenschaftler nicht. Tödliche und schädigende Wirkungen von Bt-Maispollen auf Lepidopteren (Schmetterlinge und Motten) seien aufgrund vielfältiger Untersuchungen zwar grundsätzlich zu befürchten, heißt es in der Stellungnahme. Doch ein komplexes Modell, das die Wahrscheinlichkeit der tödlichen oder schädigenden Wirkung von Bt-Pollen auf Schmetterlinge in verschiedenen Ökosystemen simulieren sollte, sei zu dem Ergebnis gekommen, dass die Auswirkungen auf Schmetterlinge nicht in „signifikanten Größenordnungen“ vorhanden seien. Es werden deshalb nur Massnahmen zur Begrenzung dieser Effekte beim Anbau empfohlen, etwa der Anbau von Bt-freiem Mais um die Bt-Felder.

Auch ein möglicher negativer Effekt auf Honigbienen wird festgestellt. Allerdings kommen die Wissenschaftler auch hier zu dem Schluss, dass „Mon 810 keine Verringerung von Bestäubern in signifikant höherem Masse als durch konventionellen Anbau“ verursache. Konventioneller Anbau, mit dem der Effekt von Mon 810 jweils verglichen wurde, schließt den Einsatz von Pestiziden ein. Wasserorganismen könnten ebenfalls durch Bt geschädigt werden. Jedoch sei eine hohe Konzentration von Bt im Wasser unter den empfohlenen Anbaubedingungen nicht zu erwarten.

Der unlängst von der Bundesregierung als „neue wissenschaftliche Erkenntnis“ ins Feld geführten Schädigung von zweigepunkteten Marienkäfern widmet das Panel besondere Aufmerksamkeit. Dabei werden der Studie handwerkliche Schwächen unterstellt, die weitere Untersuchungen erforderlich machten. Beim gegenwärtigen Stand des Wissens sehe es deshalb (noch?) keinen Beweis für die Schädlichkeit von Bt auf die Familie der Marienkäfer.

Die größte Sorge macht ihnen die Entwicklung von Resistenzen gegen das Bt-Gift. Zwar hätten die Zielorganismen, die mit dem Bt-Mais getötet werden, bisher in der Natur keine Resistenz gebildet. Allerdings seien Resistenzen im Labor entwickelt worden. Der Resistenz-Management-Plan von Monsanto, der ab einer Anbaufläche von 5 Hektar den Anbau von mindestens 20% Mais ohne Bt-Gift in direkter Nachbarschaft vorschreibe, sei aus ihrer Sicht geeignet, das Resistenzrisiko zu minimieren.

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https://blogs.taz.de/monsanto_verkuendet_ergebnis_unabhaengiger_eu_bewertung_von_mon810/

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