Rocko Schamoni hatte schnell reagiert auf meinen Eintrag „Kurz vor Weihnachten„. Dass er so schnell reagiert hatte, hatte ich leider erst ein paar Tage später gesehen, weil ich vor paar Monaten wegen Spamflut den Blogwart darum gebeten hatte, mir Kommentare nicht mehr per e-mail weiter zu leiten. (jetzt krieg ich die Kommentare wieder gleich mit und stell sie sofort rein, wenn sie nicht völlig idiotisch sind)
Mit der Hilfe von Professor Ryuta Kawashima werde ich bald – in zwei Monaten vielleicht – 50 sein. Das ist jedenfalls persprektivisch das Ziel
Und dann hatte ich mich schnell bei Rocko entschuldigt, noch mal was entgegnet; Renate hatte sich zu Wort gemeldet und so weiter.
Rocko Schamoni in Rollo Aller 1
Ich hatte gedacht, die Kommentare würde man automatisch sehen, wenn man diesen KvW-Eintrag öffnet; um sie zu sehen, muss man aber immer Kommentare anklicken, was ich erst gestern abend bemerkte. Weil die Kommentare aber zu dem Eintrag dazu gehören und ich da später (jetzt muss ich noch soviel arbeiten und hab heute kaum Zeit) auch noch was dazu schreiben möchte, stell ich das alles so noch mal hier hin und werde es später noch ergänzen.
Ich dachte an Sören Hinrichsen und Tommi Rinnstein und als eine Art Endlosschlaufe lief dazu noch die ganze Zeit Rocko Schamonis schönes Lied aus dem ersten Rollo-Aller-Film im Kopf herum: „Was all die Leute sagen ist mir egal/Ich leb mein Leben/ auf jeden Fall/ die woll’n nur Kohle und bereichern sich/ Rollo Aller – Ohne mich“ und dies supertolle Bild von Rocko Schamoni im Sternenbanner-Shirt und den Ton, in dem er nach dem Preis des Mokicks oder Mopeds fragt: „Was muss man denn dafür anlegen?“ und wie das Lied dann so leicht scheppernd losgeht. Oder die schöne Parole „gegen den Staat – denn ich bin gut drauf“ – ein oder zwei Jahre bevor dann diese bescheuerten Wohlfahrtsausschussgeschichten losgingen. Oder wie alles glaube ich mit „Mendocino“ angefangen hatte.
Das hat mir nun aber echt den Sonntag verhagelt. Mir Verrat zu unterstellen. Nach all den Jahren des kompletten Misserfolges (den Sunderkötter in seiner Taz Kritik über mich ja auch schon gerechtfertigt hat) schrieb ich „Dorfpunks“, das vollkommen unerwartet zu einem größeren Erfolg wurde und schon erhebt sich der Chor: Ausverkauf, Judas- jetzt also doch! Und dann auch noch die Frechheit zu besitzen den eigenen Stoff an einem großen Theater zu dramatisieren scheint nun der endgültige Hochverrat.
Dabei war ich immer nach bestem Wissen und Gewissen meinem Schaffen verpflichtet und habe mich wenn immer es ging den profanen Ideen des Erfolgs verweigert, alle Angebote abgelehnt (derer wirklich viele kamen) und alle Tendenzen und Strömungen an mir vorbei ziehen lassen. Im Kreise von Studio Braun haben wir bei der Erschaffung von Dorfpunks am Theater zusammen mit den Darstellern darauf geachtet so viele Brüche und unbezwingbare Fallhöhen wie möglich einzubauen, keine einzige Sekunde versuchten wir nach Erfolgsprinzipien zu arbeiten oder etwas massenwirksames anzuvisieren. Wenn uns das misslungen sein sollte, so mag das kritikwürdig sein, uns und mir aber eine verräterische Absicht zu unterstellen empfinde ich als gemein. Und Verrat an wem denn eigentlich? Schließlich geht es in dem Buch um meine Vita. Verrat an mir? Ich habe mich selber an den Erfolg verloren? Der Deal mit dem Teufel? Ich nehme mich selbst nicht allzu wichtig, mein „Werk“ wird in der Kulturgeschichte keinen Platz haben, weil es diesen Platz gar nicht haben will, es spielt keine Rolle für mich. Aber das Wort Verrat verletzt mich.
Gruß Rocko Schamoni
ist immer schwierig: das Setting, in dem das Wort fiel, steht doch auch da: nach der Weihnachtsfeier völlig dicht um sechs Uhr morgens und dass wir beide die Theateraufführung, bei der wir Ausverkauf gedacht hatten, nicht gesehen hatten. (Oh je – scheisse – das steht nicht da, ich Arschgeige!, aber ich schreib’s gleich hin)
Und bitte vielmals um Entschuldigung!
“Kann man sich bei seinen Idolen entschuldigen?” – “Keine Ahnung. Vielleicht. Hoffentlich.”
detlef
außerdem, aber das ist schwierig in so einem Blog-Medium deutlich zu machen; was hier steht, ist eher mündlich gemeint, sollte am besten nach ein paar Tagen wieder verwehen und ich bin froh über Entgegnungen.
“Jetzt ziehst du wieder den Schwanz ein, du feiger Sack!” – “Nö!”
Ich habe mich auch sehr gewundert. Der sanfte Herr Kuhlbrodt findet immer so gut wie alles recht unterschiedslos prima und super, war wieder super gewesen das Tippkick, Tischtennis und Leonard Cohen, und plötzlich der an den Haaren herbeigezogene Vorwurf an Rocko Schamoni, der ehrliche Arbeit leistet. Taz-ler sind irgendwie verdrehte Typen, aber wodurch? Durch jahrzehntelanges kreuzberggetränktes falsches tragen der falschen Moral-Blei-Beulen in alten mufflinken Rucksäcken.
Verrat an der eigenen Biografie. Themen aus der eigenen Biografie hergenommen und ausgeschlachtet, wo gibts denn sowas! Aber war nicht böse gemeint. Isses hier ja nie, das nervt nämlich auch. Entschuldigung.
Ich zieh mir den Schuh zwar nicht an, war nie bei der taz angestellt, hab auch noch nie über Tippkick geschrieben aber du hast sicher trotzdem irgendwie recht.
Moralischideologisch hatte ich früher eher die hamburger, also Rollo-Aller-1-Position.
Es war die Vorstellung, die eigene Geschichte erst als Buch, dann als Theater, dann als Film. Dass man das erstmal auch schwierig finden kann mit allen Relativierungen, die ich reingeschrieben hab, liegt doch nahe, auch und gerade wenn man Dorfpunks toll gefunden hat und eigentlich keinen kennt, der Rocko Schamoni nicht toll findet. Hast du denn das Theaterstück gesehen?
2. Ich ärgere mich auch über den eigenen Eintrag, kann das aber natürlich jetzt noch nicht alles löschen, denn dein Briefchen muss ja auch noch gelesen werden.
Kennst du Nordsee ist Mordsee?
oha. Wer jetzt seine Briefchen noch nicht gelesen hat, der wird es auch wahrscheinlich nicht mehr tun, geschweige denn antworten.
Im Übrigen schäme ich mich ein bißchen meiner harten Worte, ich wollte Ihnen wohl ein bißchen Feuer unterm Hintern machen, sonst wirds hier zu niedlich und zu melancholisch und ihr Talent verkommt zur Gemütlichkeit. Aber eigentlich habe ich mir zuviel rausgenommen.
Sie werden vielleicht lachen, lieber Herr Kuhlbrodt, ich halte Dorfpunks nicht für ein gutes Buch, (halte Schamoni eher für einen Meister des gesprochenen Wortes und der Situation an sich selbst). Ich war selber Dorfpunk und hatte uns für harmlos gehalten und irgendwie nicht so “richtig”, aber bei denen war noch noch viel weniger am Ambach. Das war ja gar nichts. Obwohl R.S. leicht älter ist als ich, klang das eher wie Feierabendpunk mit eigentlich unpolitischer Haltung, und zu modisch. Zwar vielleicht nerven, aber doch noch irgendwie gut ankommen wollen. Bei den Poppermädchen z.B., steht auch glaub ich da. (Die Passage der tieftraurigen Töpferlehrenzeit aber beeindruckend, wenn ich mich recht erinnere)
Das Theaterstück würde ich mir wohl ansehen, komme aber so gut wie nie nach Hamburg, bin gehbehindert da sehr stark übergewichtig. Habe aber Rocko Schamoni in wechselnden Funktionen schon öfter während der letzten 15 Jahre auf der Bühne gesehen und finde ihn immer als er selbst am besten. Denn ich bejahre tief die Modellhaftigkeit, des geglückten Gesamt- Modells Rocko Schamoni (mit seinen Mitmodellen) zum Nachmachen, als Angebot für Jedermann, darum geht es doch. Dass das Leben nämlich SO auch sein kann und man nicht seine Ideen in die Agentur tragen muss oder sonstwelchen Schweinen damit andienen. Sondern aus eigener Kraft was eigenes sich ausdenkt und Wege sucht und sich bahnt. Sollte natürlich unbedingt zu einem Platz in der Kulturgeschichte kommren, wüßte nicht, was stattdessen.
So eine Crew (rund um den Pudel) gibt oder gab es nur in Hamburg, bzw. ist von anderswo nichts Vergleichbares bekannt geworden, komischerweise, und da hat Ihre Freundin Recht: für die Frauen gibt es keine adäquaten, schönen freien Rollen, das ist die Schattenseite, sind immer entweder Fans oder fallen mehr oder weniger weg oder lassen sich wegfallen. Da muß etwas geschehen. Die meisten Männer wollen leider keine lustigen Frauen, sondern am liebsten so Miezen. Popperinnen mit großen, leicht ängstlichen Äugelchen.
oh, ich muß los
Nordsee ist Mordsee, klar, da kommt doch ALLES her.
vielen Dank!! Ich werde das jetzt doch nicht löschen, weil ich es wichtig finde und später noch ergänzen.
Ich hatte schon die ganze Bahnfahrt über von Schleswig-Holstein nach Berlin allzu endlos und zwanghaft versucht zu formulieren, warum ich es gemein und falsch finde, “den tazlern” oder mir als “tazler” bestimmte Eigenschaften zu unterstellen. Das Tolle, Produktive, oft auch Destruktive und Schmerzhaft an der taz war ja lange, dass die schärfsten Kritiker der taz (Wiglaf Droste als der Bekannteste) auch tazler waren, dass die Kritik an der taz in der taz am schärfsten war; dass die taz per Definitionem immer auch Anti-taz war (Anhang)usw. Dass man sich als jemand, der lange Zeit vor allem für die taz schreibt, reflexartig sofort ein bißchen distanziert: bei Harald Fricke war es so gewesen, dass es ihm wichtig war, den Arbeitsvertrag für die taz, bei der er ja zehn Jahre lang oder so beschäftigt war, nie unterschrieben hatte; bei mir gibt es dann immer den Reflex zu sagen, ich sei eigentlich kein tazler, da ich nie fest für die taz gearbeitet hatte. Man versuchte zu den Gruppen, zu denen man gehörte, immer auch Abstand zu haben.
Das peinliche Moment. Man hat etwas Falsches gesagt, dies falsch Formulierte verkatert ins Netz gestellt in einem Moment, in dem man eigentlich aus dem Gefühl der Verbundenheit und Dankbarkeit sozusagen, mit den LeserInnen und denen, die zu den Lesungen gegangen waren, etwas Nettes hatte schreiben wollen. Wie diesen Leuten mit dieser komischen Krankheit war einem etwas rausgerutscht, dass anders klingt, als das, was man eigentlich meinte. Und plötzlich ist man aber trotzdem bei einer Frage oder Geschichte, die einen schon recht lange beschäftigt. Es geht um Geschichte und Realismus; wie erzählt man von Vergangenem und was hat das für einen Sinn. (später, morgen oder so, mehr)
Hildebrand Felix
Felixflash@gmx.net | 80.171.44.44
Lustige Disskussion, ich bin Jahrgang `67 komme aus Kiel und bin einmal besoffen mit Rocko in den 80 zigern über den Kieler Jahrmarkt gelaufen, ich war Hippie er Modepunk aber mit sehr viel Stil. Er war damals ziemlich beeindruckend und ist es heute noch mehr, das er Erfolg hat muß man ihm mehr als gönnen sind doch soviele gescheitert auf dem langen langen Weg durch die miesen 90 ziger Jahre. Rocko ist jemand der nicht nervt, das ist sehr wichtig, die meisten Semipromis nerven, außerdem hat er auf seiner letzten Tournee, seinem Abschied im Grünspan hervorragende Musik gemacht, ich glaube er wird wenn er keine harten Drogen nimmt irgendwann so cool wie Frank Sinatra. Puh jetzt habe ich mich verplappert, damals in Kiel lernte ich ich auch die Hinrichsen Brüder kennen, es sind 3 u.a. auch Sören. Er lebt heute auch in HH wie ich und ich möchte Detlef von ihm grüßen. gutenutsch und schöne Tage
Felix
Zu: Nachträge (wird ergänzt), 29.12.2008 um 15:42 Uhr
1.1.2009
Dankeschön und schöne Gruß zurück!
Mir hatte Dorfpunks super gut gefallen und ich hatte das Buch in einem Rutsch durchgelesen.
Rocko war es gelungen, seine Geschichte, so aufzuschreiben, dass sie nicht nur von Leuten, die ähnlich aufgewachsen waren, sondern auch von einem größeren Kreis verstanden wurden; dass Menschen daran teilhaben konnten, die in ganz anderen Geschichten steckten oder stecken. Ohne dass er das Gewalttätige und Irritierende, die Sachen, die sich der behaglichen, idyllischen Identifikation widersetzen (die Rockerszene zum Beispiel), rausgenommen hätte.
Es war seltsam, das Buch zu lesen, weil es in der Nähe meiner eigenen Geschichte spielte. Ich war ja auch in Schleswig-Holstein aufgewachsen; in Bad Segeberg, in der Kleinstadt, und kannte viele, die aus umliegenden Dörfern kamen. (Erst viel später war mir dann aufgefallen, wie groß der Flüchtlings- und Vertriebenanteil in Schleswig-Holstein war und dass das auch eine Rolle gespielt hatte, zumindest in meiner Ex-Gegend)
Als Teenager war ich eher so hippiemäßig drauf und locker auch mit Späthippies verbunden, die teils in Kommunen wohnten; irgendeine Lehre machten, von der Schule geflogen waren oder nie auf’s Gymnasium gegangen waren; die jedenfalls ihr eignes Geld verdienten.
Ich saß die meiste Zeit in meinem Zimmer oder bei zwei drei Freunden herum, trampte durch die Gegend, schrieb, verbrachte viele Wochenenden auch in Dörfern bei Freunden, las alles Mögliche und auch diese ganze Beatnikliteratur und Sachen, die 68 pp. spielten, hörte Musik aus den sechzigern und frühen siebzigern und auch viel Jazz – John Coltrane, Charlie Parker usw. – und bedauerte, zu spät geboren zu sein.
Ich fühlte mich als Beatnik, lief fast nur in Jacketts herum, kam fast immer zu spät in die Schule und schrieb meine Entschuldigungen auf Umweltschutzpapier mit Marihuanablatt drauf.
Ende der siebziger, Anfang 80er, war ich auch richtiger David Bowie-Fan. Das war dann was Eigenes – mehr als fünf oder sechs Bowie-Fans gab es glaube ich nicht in meiner Gegend. Man pflegte dies Fantum eher in kleinen Zirkeln. (ein bißchen so, wie das Rev. Christian Dabeler beschrieben hatte) Dies kleine Zirkel, dass einem klar ist, dass man irgendwie anders und Minderheit ist, war einer der Hauptunterschiede zu den 68ern, Woodstock, Doors usw., die sich immer an die ganze Menschheit wandten und meinten, diese zu repräsentieren.
Die wenigen 68er Lehrer, die’s bei uns gab, waren ganz okay. Einer spielte gut Schach, einer hatte mir Marcuses „Eindimensionaler Mensch“ geliehen, einer wurde später, als ich schon in Kiel oder Berlin lebte, nach Hannover versetzt, wegen einer Affäre mit einer Schülerin glaube ich, und nahm sich dort das Leben.) Sonst gab’s auch Lehrer, die offen für die Todesstrafe waren oder Schüler schlugen.
So hatte ich, anders als Gleichaltrige in Großstädten, nichts gegen 68er oder Hippies und war auch mit ein paar Späthippies befreundet.
In die Nähe von Rocko Schamonis Umgebung war ich durch eine Tragödie gekommen – ein sehr guter Freund, der bei uns zur Schule gegangen war, aber aus P kam, hatte sich, irgendwie auch aus Übermut, weil er sich schreibend da rein gesteigert hatte, das Leben genommen.
Ich war in P. gewesen, um seinen Eltern und Geschwistern vom Segeberger Leben von C. zu erzählen, befreundete mich mit Freunden des toten Freundes und war dann zwei Jahre sehr oft dort an Wochenenden.
Und in dieser Zeit hatte mir dann jemand, eine gute Freundin, von Rocko Schamoni erzählt. Dass der super ist. Und „Mendocino“ singt. Und einen Sombrero dabei auf hat. Diese Geschichte auch mit dem Töpfern. Ich war mit irgendwelchen Leuten aus irgendwelchen Gründen einen Abend auch nach Lütjenburg gefahren und hab noch eine eher diffuse Erinnerung an eine dunkle, altmodische, irgendwie 40er-jahremäßige Wohnung. Wahrscheinlich hatte es genieselt. Und später hatte ich dann ab und an auch Daniel getroffen, der die Goldenen Zitronen gemanagt hatte.
Meist trug ich eine alte Motorradjacke, auf der in rosa „Alles Lüge“ stand. Das existenzielle Verzweiflungslevel der Freunde und Freundinnen in P. war auch ziemlich hoch. Manchmal war ich mir in P. fast wie der Abgesandte eines befreundeten Landes vorgekommen.
Gesehen hatte ich Rocko glaube ich nie, aber dadurch, dass es Freunde gab, die ihn sehr schätzten, eine Freundin dann auch mal in Hamburg mit ihm wohnte, war er mir irgendwie vertraut.
Anfang der 90er oder Ende der 80er, als ich noch in meinen Schreibanfangszeiten war, hatte ich mit Sören Hinrichsen eine kleinen Ankündigungsartikel für einen Auftritt von Rocko Schamoni geschrieben. Das heisst: ich hatte Sören, den ich über Freunde aus P. kannte, eher bei dem Text geholfen, also ein Telefoninterview, dass er mit Rocko geführt hatte, gekürzt und auf Zeile gebracht. Das Interview war klasse gewesen. Sören hatte ich eh als hervorragenden Vertreter des Dorfpunkgenres kennengelernt.
Dann guckte ich Rollo Aller auf dem Perlen-Für-die-Säue-Super-8-Filmfest und war schwer beeindruckt, empfahl den Film, wo ich nur konnte; jeder Frau, die ich kennenlernte, zeigte ich dann auch Rollo Aller, damit sie einen Eindruck von mir hat und weiss, woher ich komme. Ich hatte über den Film dann auch mal auf einem Kongreß über Dilettantismus in Görlitz gesprochen – der einzige, der den Film auch gut fand, war ein schwarzer Kulturwissenschaftler und am Ende des Kongresses war Klaus Beyer aufgetreten.
Später dann ab und zu mal eine Platte; meine Lieblingsplatte von Rocko Schamoni ist so eine ganz kleine CD, die ich jetzt schon paar Tage vergeblich hier suche. In dem einen Lied reitet der Held glaube ich in die Sonne.
Dann Studio Braun und dann Dorfpunks.
Das Buch hatte ich wie gesagt mit Begeisterung und klopfendem Herzen gelesen. Ob es große Literatur ist, ist völlig unwichtig; es ist authentisch, so geschrieben, dass es von vielen verstanden werden kann und wird die Zeiten überdauern
Herr Lehmann mochte ich nicht; Dorfpunks war super.
Die Rezensionen von Dorfpunks, die ich gelesen hatte, waren grauenhaft. Sie lobten das Buch, aber wenn man sie las, klang es so, als sei das Buch vor allem lustig, eine lustige biographische Erzählung; das Existenzielle und Irritierende wurde in den Rezensionen, die ich gelesen hatte, ignoriert und man hatte das Gefühl, das Buch gegen die verteidigen zu müssen, die es in Zeitungen lobten.
Und letztes Jahr war es dann eben ganz seltsam: ich war im Zug nach Hamburg, im Bahnjournal gab es einen auf die gleiche doofe Art lobenden Artikel über Rocko; auf den Straßen die Plakate für die Theateraufführung, zu der ich gern gegangen wäre, aber es ging halt nicht und dann, im letzten Sommer, hatte ich Rocko zufällig im Radio lesen gehört; er las so schauspielermäßig, betonte viel zu sehr wie ich fand die Pointen; las so, wie man dachte, dass es gelesen werden musste, wenn man den Rezensionen, die ich doof fand, glaubte.
Vielleicht fiel mir das auch nur so auf, weil ich selber in der Zeit im Radio lesen musste, den Auftritt ziemlich vergeigte, also viel zu unsicher las, mich ständig verhaspelte und hoffe, dass sich das niemand angehört hatte.
Soviel zum ungefähren Background.
Aber eigentlich hatte ich noch Anderes sagen wollen: das Tolle an den Dorfpunks und Rocko Schamoni ist zum Beispiel auch der gleichzeitig emphatische und ironische Udo Lindenberg- und Michael Holm-Bezug oder auch dass die Sklateboarddichte Anfang der 80er in den Dörfern viel größer war, als in den Großstädten.
Renate hatte mich ja als taz-Linker beschimpft. Aber eigentlich komm ich eher von Udo Lindenberg, Michael Holm, Roy Orbison, David Bowie und Marc Almond als von Rudi Dutschke, wollte ich noch mal sagen.
Und jetzt sollte man mal ein bißchen Neujahr machen.
Detlef Kuhlbrodt