Der Bär flattert in östlicher Richtung.
Ab heute erscheint jeden Freitag unsere Kolumne ›Schröder & Kalender‹ in der ›jungen welt‹. Und obwohl fast alle im Olympiade-Fieber sind, kümmern wir uns lieber um eine andere Tradition, die seit dem 7. Jahrtausend v. Chr. besteht.
Der Beitrag ›Die Blüten des Bösen‹ über das Bienensterben gehört zu den meistgelesenen und kommentierten tazblogs. Wer sich für für das Thema interessiert: Wir haben jetzt in unserer ›jungen Welt‹-Kolumne nachgelegt:
Kroppzeug
Wir hatten mit der jungen welt eine Kolumne verabredet: »Jeden Freitag…« »Kein Problem!« Und plötzlich waren unsere Köpfe leer wie trockene Kürbisse, in denen nur noch die Kerne rasseln. Aber langsam stellte sich dann doch das »leise Dribbeln« ein, was uns zum Schreibtisch führte. Mit diesem komischen Worten zitiert Thomas Mann die Empfindung herbei, mit der sich der Drang zum Schreiben einstellt. Gottfried Benn benennt es noch sonderbarer: »O still! Ich spüre kleines Rammeln: Es sternt mich an – es ist kein Spott.« Und wenn wir schon bei den Sternen sind – die bestehen ja wenigstens nicht aus unbekannter Materie –, fragen wir uns, ob es überhaupt noch einen Sinn hat mit dem Schreiben zu beginnen, bevor wir nicht wissen, ob sich in dieser CERN-Höllenmaschine von Genf schwarze Löcher bilden, welche die Erde verschlingen.
Tolle Physiker sind das! Einerseits erklärt der Generaldirektor des CERN: »Wir kennen nur vier Prozent der Materie im Universum, der Rest, die dunkle Materie und die dunkle Energie, sind vollkommen unbekannt.« Die wollen sie herauskitzeln mit ihrem monströsen Teilchenbeschleuniger, indem sie Wasserstoffatome aufeinanderknallen lassen mit einer Energie von 1.400 Milliarden Elektronenvolt. »Bei dem Atlas-Experiment könnten sich schwarze Löcher bilden«, sagen besorgte Theoretiker, »und dann, gute Nacht!« »Zu viel ›Star Trek‹ gesehen«, beschwichtigen die Genfer Physiker, »von solchen winzigen schwarzen Löchern droht keine Gefahr, sie würden sofort verdampfen, bevor sie sich zu Ungetümen entwickeln können, welche die Erde zerstören.« Eine zwingende Logik! Man kennt sie nicht, diese seltsame Materie, weiß aber genau, daß sie nicht gefährlich ist.
Okay, Gott würfelt nicht. Es darf schon aus Gründen des Stils nicht sein, daß er es diesen Zauberlehrlingen überläßt, den Weltuntergang zu inszenieren. Wahrscheinlicher ist, daß das CERN-Ding ganz irdisch hochgeht und mit ihm der Flughafen von Genf. Denn der Beschleuniger wird mit hundert Tonnen superflüssigem Helium gekühlt. Schon ein Schnapsglas dieser Flüssigkeit kann zu einer verheerenden Explosion führen.
Zerstörung unseres Planeten hin, Inferno her, als man Martin Luther fragte, was er tun würde, wenn er wüßte, daß morgen die Welt untergeht, antwortete er: »Ich würde heute dennoch ein Apfelbäumchen pflanzen.« Jedoch, selbst auf das ›Stirb und Werde‹ der belebten Natur ist kein Verlaß mehr. Denn der Reformator konnte nicht ahnen, daß einst Chemiegiganten wie Bayer CropScience die Bienen vernichten und damit eine seit dem 7. Jahrtausend vor Christi gewachsene Kultur dem Untergang weihen. Der Säugling Zeus in seiner kretischen Grotte wurde ernährt von der Ziege Amaltheia und der Biene Melissa – »Gleich dem dichten Schwarme des emsigen Bienengeschlechtes, / Welche sich immer erneuernd der Höhlung des Felsen entsummen, / Bald wie Beeren hangender Trauben zusammen sich häufen, / Bald auseinander fliegend die Blumen des Lenzes umschwärmen.« So haben wir es gelernt, das ist unsere Tradition.
Jetzt geht das alles perdu! Weil das Bayer-Kroppzeug in Gestalt von rücksichtslosen Chemikern und Managern im Jahr 600 Millionen Euro Umsatz machen will. Mit ihrem systematischen Insektizid wird das Saatgut von Raps, Sonnenblumen und Mais weltweit gebeizt – bis auf ein paar Länder wie z. B. Frankreich, wo diese Präparate verboten sind. So sterben die Bienenvölker dahin. Das sind keine düsteren Prophezeiungen, sondern Fakten.
Keine Befürchtung, verteidigt sich das Chemiker-Kroppzeug, wir sind bereits dabei eine Notlösung zu finden, wenn wir die Honigbiene ausgerottet haben, entwickeln wir chemische Hormone. Solche Hormone gaukeln der Blüte vor, bestäubt worden zu sein. Diese »Jungfernfrüchtigkeit« erzeugt dann Früchte ohne Samen. Bei Melonen ist das schon gelungen, Versuche mit Tomaten, Birnen und Äpfeln laufen. Wer möchte solche Früchte essen? Wer möchte Parteien wählen, die aus Angst vor der Chemie-Physiker-Lobby in Parlamenten, Gremien und Kommissionen den Untergang unserer Kultur abnicken? Joe Cummings, Genetikprofessor an der Universität Ontario, erklärte sich dieses Versagen der Politik so: »Meine Erfahrung mit Bayer CropScience ist, daß sie aggressiv sind und ihre Kritiker mit allen Mitteln bekämpfen.« Vielleicht wäre es deshalb klüger gewesen, dem ›leisen Dribbeln‹ nicht nachzugeben.
(BK / JS)