Sehen Grüne scheiße aus? Wie verspannt die politische Linke mit- und übereinander und damit auch über die Machtperspektive Rot-Rot-Grün diskutiert, macht der Politikwissenschaftler Franz Walter schon in seinem Impulsreferat beim tazkongress klar: „Ich sehe zwar scheiße aus, bin aber nicht bei den Grünen“, spottet der Professor aus Göttingen. Walter ist seit 1972 SPD-Mitglied. Und blickt in eine düstere Zukunft.
Die Zivilgesellschaft werde zunehmend apolitisch, vielleicht sogar „aggressiv antipolitisch“, sagt Walter. Die politische Linke sei „traumatisiert“, leide weiter unter Schröders Agenda, unter dem Schisma, das ihr Lager spalte. Ein mögliches rot-rot-grünes Bündnis strahle nicht den „Eros“ aus, mit dem vor über zehn Jahren vom rot-grünen Projekt gesprochen wurde – erst Recht nicht in der Wirtschaftskrise: Linke Parteien seien „Schönwetterparteien“, so Walter. Die Krise von 1873 habe Bismarck, die von 1929 Hitler gestärkt. Und mit einer zumindest denkbaren „eventuellen Inflation“ drohe der Bürgergesellschaft der „Verlust des zivilisatorischen Verstands“.
Schlechte Zeiten für die politische Linke also, glaubt Walter: „Diese Situation kann nicht mit Rot-Rot-Grün beantwortet werden“, provoziert er Publikum und Podium.
Neben Walter sitzen bei der Diskussion „Rot-Rot-Grün“ – ein Zukunftsprojekt?“ der moderate Linken-Politiker Bodo Ramelow, der in Thüringen Ministerpräsident werden will, dazu die linke Grüne Bärbel Höhn, die in Nordrhein-Westfalen als Umweltministerin einst mit dem rechten Sozialdemokraten Wolfgang Clement am Kabinettstisch saß. Im Streit hat Clement die SPD mittlerweile verlassen – auf dem taz-Kongress vertritt stattdessen deren Gesundheitsexperte Karl Lauterbach die Sozialdemokraten.
„Ich habe schon vor Monaten darauf hingewiesen, dass wir zwar mit ‚gemäßigten Taliban‘, aber nicht mit der Linkspartei sprechen wollen“, so Lauterbach. „Das ist doch nicht vermittelbar.“ Doch einen Kurswechsel seiner Partei, eine Öffnung hin zur Linkspartei hält Lauterbach zumindest vor der Bundestagswahl für ebenso wenig vermittelbar: Die SPD habe sich im Bund auf die Ablehnung jeglicher Zusammenarbeit mit der Linkspartei festgelegt – und dabei bleibe es: „Alles andere beschädigt unsere Glaubwürdigkeit.“
Linkspartei-Mann Ramelow dagegen wirbt mit politischen Inhalten, spricht über Mindestlöhne, fordert Lohnerhöhungen und eine Stärkung der „Massenkaufkraft“. Nach den anstehenden Wahlen in Thüringen und im Saarland sei eine linke Bundesratsmehrheit möglich, wirbt Ramelow: Der Gewerkschafter, der schon 1990 in den Osten ging, will die SPD aus „ihrer babylonischen Gefangenschaft der CDU“ befreien. Um in Thüringens Hauptstadt Erfurt Regierungschef zu werden, braucht Ramelow die Sozialdemokraten – doch die wollen selbst stärkste Kraft werden.
Vor politischer Alternativlosigkeit, vor einer vorschnellen Festlegung ihrer Partei auf eine Ampelkoalition mit SPD und FDP warnt aber auch die Grüne Bärbel Höhn. Nach der Bundestagswahl müsse auch Rot-Rot-Grün möglich sein, glaubt die stellvertretende Vorsitzende der grünen Bundestagsfraktion: „Sonst werden wir für Westerwelle politisch erpressbar.“ Dann erinnert sie an die politischen Ziele ihrer Partei: Mindestlohn, Atomausstieg, eine gentechnikfreie Landwirtschaft. Das sei mit den Liberalen doch kaum umsetzbar – genau wie eine Bürgerversicherung im Gesundheitswesen.
Sozialdemokrat Lauterbach aber kennt die Parteilinie: Mit der Linken keine Bündnisse im Bund, wiederholt er – schließlich lehnten „80 Prozent der Wählerinnen und Wähler“ Rot-Rot-Grün ab.
Moderator Stefan Reinecke, der als taz-Parlamentskorrespondent SPD und Linke im Bundestag beobachtet hat, fragt nach den Ländern. Könnte nicht Nordrhein-Westfalen, wo 2010 Landtagswahlen anstehen, Modell für ein Bündnis der Linken werden?
Er hoffe schon in Thüringen auf ein solches Modell, sagt Ramelow. Doch auch Lauterbach sieht in den Ländern für Rot-Rot-Grün viel größere Chancen als im Bund. Nordrhein-Westfalen nehme doch traditionell Bundestrends vorweg, sagt Ex-Landesministerin Höhn: „Wer mit Clement eine Koalition gemacht hat, ist vor nix fies.“