vonDominic Johnson 02.11.2011

taz Blogs

110 Autor*innen | 60 Blogs
Willkommen auf der Blogplattform der taz

Mehr über diesen Blog

Lang war es angekündigt, jetzt ist es soweit: Die kongolesische Regierungsarmee FARDC, frisch umgegliedert in “Regimenter”, schwärmt im Ostkongo aus, um rechtzeitig zu den Wahlen “die bewaffneten Gruppen unschädlich zu machen und die Sicherheit der Wahlen zu gewährleisten”. Das zumindest ist die offizielle Sprachregelung.

In der Provinz Süd-Kivu sind 13 Regimenter unterwegs, unter anderem in den Regionen um Shabunda, die in den letzten Monaten wegen des Abzugs der FARDC erneut zu Hochburgen der ruandischen Miliz FDLR geworden waren und wo sich zum Kampf gegen die FDLR lokale Milizen (Mai-Mai) neu formiert hatten; 187.000 Menschen sind nach UN-Angaben im Distrikt Shabunda auf der Flucht.

Die Sicherheitslage in Teilen von Süd-Kivu ist im Begriff, außer Kontrolle zu geraten, wie die UN-Mission im Kongo (Monusco) heute auf ihrem regelmäßigen Pressebriefing in Kinshasa feststellte, ohne das allerdings so klar auszudrücken. Monusco-Militärsprecher Félix Prosper Basse behauptete, die Lage sei “unter Kontrolle”, und führte aus: “Die Maï-Maï Yakutumba fahren mit ihren Angriffen entlang der Küste des Tanganyika-Sees fort; die FDLR haben im Distrikt Kalehe und im Norden von Kalongo ihre Plünderungen ausgeweitet. Die Elemente der Maï-Maï Rahiya Mutomboki setzen ihre Offensiven gegen die FDLR in den Gebieten nördlich und südlich von Shabunda fort.”

Die sich rapide verschlechternde Sicherheitslage im benachbarten Burundi tut ein übriges, um für Unruhe zu sorgen. Man erinnere sich, daß am 7. Oktober mutmaßliche Kämpfer der burundischen Hutu-Rebellion FNL (Nationale Befreiungsfront) gemeinsam mit Bemba-Milizionären der Gruppe Mai-Mai Yakutumba mehrere Banyamulenge-Mitarbeiter des Hilfswerks Ebenezer außerhalb der Stadt Fizi im Süden von Süd-Kivu bestialisch und gezielt getötet hatten. Seit Dienstag beraten die Sicherheitschefs der Region in Burundis Hauptstadt Bujumbura über mögliche neue gemeinsame Maßnahmen gegen irreguläre Milizen.

Viele Oppositionelle im Ostkongo fürchten allerdings, daß unter dem Deckmantel solcher Operationen der freie Wahlkampf beeinträchtigt und Regimegegner zum Schweigen gebracht werden sollen. Oppositionskandidat Vital Kamerhe, der Kabila im Ostkongo den Rang abläuft, brach 2009 schließlich genau aus diesem Grund mit dem Staatschef – er war damals Parlamentspräsident und sprach sich gegen die gemeinsame kongolesisch-ruandische Militäroperation “Umoja Wetu” gegen die FDLR aus. Zum Dank wird Kamerhe heute von der FDLR unterstützt und es entwickelt sich ein häßlicher Wahlkampf.

Folgender Bericht erreicht die taz aus der Stadt Uvira an der burundischen Grenze: “Der Süden von Süd-Kivu erlebt eine bizarre Situation. Die Yakutumba setzen ihre Vorherrschaft durch, weil sie stärker sind als die reguläre Armee. Manche vermuten ein Komplott, dessen wahre Akteure sich in der Hauptstadt befinden. Das Hochland ist unter Kontrolle der FDLR und neu entstehender Mai-Mai. In den Straßen von Uvira sind zahlreiche Autos mit Bildern von Parlamentskandidaten unterwegs. Der Gewissenskauf ist allgegenwärtig, vor allem bei den Kirchen der Armen. Werkzeug, Zement und andere Dinge werden als Wahlgeschenke verteilt. Die Kirchenpfarrer sind eher Verstärker dieses Spiels. In der Zivilgesellschaft von Uvira ist die Lage besonders schwierig, weil manche Gruppen sich dem Programm “Rama” angeschlossen haben, finanziert vom Staatschef, wo Geld einerseits in Entwicklungsprojekte und andererseits in den Wahlkampf des Staatschefs fließt und alle Mitglieder unterschreiben müssen, daß sie den Staatschef unterstützen.”

Aus Goma, der Hauptstadt von Nord-Kivu – wo ebenfalls neue “Regimenter” erwartet werden – kommt folgende Mitteilung: “Heute früh auf dem Weg zur Arbeit traf ich eine große Gruppe errregter Personen – vermutlich geplanschtes Alkohol oder Drogen – alle mit roten T-Shirts und gleichfarbigen Stirnbändern. Und jeder hatte einen großen Vulkanstein in der Hand, vermutlich bereit um ihn zu benutzen. Der Anführer der Gruppe trug ein großes Kreuz! Das erinnert mich an die Interahamwe.”

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/noch_26_tage_die_armee_rueckt_im_osten_aus_/

aktuell auf taz.de

kommentare