In einer seiner sehr seltenen Pressekonferenzen hat Kongos Präsident Joseph Kabila jetzt gesagt, er sei sich „hundertprozentig sicher“, dass er die Wahlen am 28. November gewinnt. Aber wenn nicht, könne er auch etwas anderes machen. Kongolesen rätseln schon seit einer Weile, was das denn sein könnte. Sich einbunkern wie Laurent Gbagbo in der Elfenbeinküste? Nach Kivu oder Katanga gehen und einen neuen Krieg vom Zaun zetteln? Es gibt viele Spekulationen, und sie sind alle nicht schön.
In diesen Spekulationen, wie sie zum Beispiel in Goma zirkulieren, ist ein Wahlsieg Kabilas schon arithmetisch so gut wie unmöglich. Die Rechnung geht so: 2006 holte Jean-Pierre Bemba die meisten Stimmen im Westen, Joseph Kabila im Osten (und Süden, sowie in Teilen des Westens dank seiner Allianz mit Antoine Gizenga). 2011 ist Bemba nicht mehr dabei, aber an seiner Statt wird Etienne Tshisekedi im Westen abräumen – mit dem zusätzlichen Vorteil, daß die 2006 noch zu großen Teilen dem Boykott zugeneigten Wähler seiner Heimatprovinz Kasai diesmal massiv mitmachen werden. Im Osten hingegen wird Kabila nicht mehr gewinnen, denn er hat seine Versprechen nicht wirklich erfüllt. Stattdessen zieht Vital Kamerhe, 2006 noch Kabilas Wahlkampfleiter und bis 2009 Parlamentspräsident, als Oppositionskandidat durch den Osten und sammelt enttäuschte Kabila-Wähler ein. Im Westen eine Tshisekedi-Mehrheit, im Osten eine Kamerhe-Mehrheit – wie soll Kabila da siegen, von Wahlfälschung abgesehen?
Andererseits kann Kabila aus dieser Konstellation durchaus als lachender Dritter hervorgehen. Es gibt 2011, anders als 2006, nur einen Wahlgang, also keine Stichwahl mehr zwischen den beiden Bestplazierten. Und die Losung, nicht für Kabila zu wählen, dürfte in vielen ländlichen Gebieten mangels Wahlkampf nicht wirklich ankommen, zumal wenn der übliche Respekt vor dem Chef zählt und die lokalen Mächtigen ihre Wähler dahingehend anweisen.
Sollte am Schluß Kabila 31 Prozent bekommen, Tshisekedi 30 Prozent und Kamerhe 25 Prozent, bleibt Kabila Präsident. Alle seine Gegner werden öffentlich „Wahlbetrug“ schreien und sich insgeheim fürchterlich über sich selbst ärgern. Und alle seine Befürworter werden dem Wahlsieger weismachen wollen, was für eine zentrale Rolle sie jeder einzeln gespielt haben. Es könnte auch sein, daß gerade die militanten Tshisekedi-Anhänger im Westen ein solches Ergebnis nicht anerkennen und ihren Mann zum Wahlsieger erklären. Dann ist eine Konfrontation vorprogrammiert.
Will die Opposition das ausschließen, muß sie sich einigen. Das Modell „Tshisekedi Präsident, Kamerhe Premierminister“ liegt längst auf dem Tisch, jeder weiß daß es nur so funktioniert. Aber keiner will den ersten Schritt machen. Es ist wie mit dem Nahost-Friedensprozeß: Jeder weiß, wie eine endgültige Lösung auszusehen hat, aber keiner will dastehen als derjenige, der die meisten Konzessionen macht.
Eigentlich hätten sich vor einigen Tagen Tshisekedi und Kamerhe in Washington treffen sollen, um den Deal zu klären. Dann ließ Kamerhe wissen, er habe in Afrika Wichtigeres zu tun.Tshisekedi wiederum ließ erklären, er habe die Zeit genutzt, um am Potomac-Fluß spazierenzugehen und Sport zu treiben. So pflegt jeder sein Image, statt für den Wahlsieg zu kämpfen. Viel Zeit haben sie nicht mehr, um Kabilas Zuversicht zu bremsen. Und seit Montag sind die Wahlzettel in Druck, in Südafrika.