vonDetlef Kuhlbrodt 15.10.2010

taz Blogs


Willkommen auf der Blogplattform der taz-Community!

Mehr über diesen Blog

Vor dem Hauptbahnhof. So ein schöner Tag!

Zum Glück kann man im Café Telegraph in Leipzig immer noch rauchen. Und Zeitung lesen: Die Leipziger Volkszeitung berichtete von einem Brandanschlag im Leipziger Finanzamt: Ein psychisch Kranker versuchte einen Mitarbeiter anzuzünden.

Leipzig. Nach dem Brandanschlag im Finanzamt II vom Dienstag hat ein Richter am Mittwoch einen Haftbefehl gegen den mutmaßlichen Täter erlassen. Ihm wird versuchter Mord vorgeworfen, sagte Staatsanwalt Ricardo Schulz. Der 48-Jährige soll einen Mitarbeiter der Behörde mit Brennspiritus übergossen und gedroht haben, ihn anzuzünden. Die Tat sei vom Ablauf her sehr genau geplant gewesen, sagte Schulz. „Wir gehen davon aus, dass er den Tod des Angegriffenen billigend in Kauf nahm.“

„Nur eine wirklich intensive Aktion bringt Chance auf Bereinigung der Situation“, schrieb der Attentäter kurz nach seiner Tat.

Es war gegen 11.30 Uhr, als Thomas K. die Behörde am Nordplatz betrat. Sein Plan: Sachgebietsleiter Andreas D. (49) „eine Lektion erteilen“, wie er nach der Tat gegenüber der LVZ erklärte. „So, wie er mein Leben blockiert hat, wollte ich sein Leben blockieren.“ In einer Toilette füllte er den Brennspiritus, den er in einer Plastiktüte ins Gebäude geschmuggelt hatte, in einen Nachttopf. Dann ging er ins Dienstzimmer gegenüber, übergoss den Finanzbeamten mit Spiritus, holte ein Stabfeuerzeug heraus.

Laut Polizei konnten Kollegen von Andreas D. in letzter Sekunde verhindern, dass der Attentäter den Sachgebietsleiter tatsächlich anzündet. Thomas K. behauptete, das Feuerzeug selbst auf den Schreibtisch gelegt zu haben. Nach der Tat begab er sich zum LVZ-Verlagsgebäude im Peterssteinweg, wo Polizisten ihn gegen 13 Uhr festnahmen.

Hintergrund: Thomas K. hat nach eigenen Angaben 1994 einen Verein für Hilfsdienste und eine Hauswirtschaftsfirma gegründet. Zehn Jahre später soll das Finanzamt dem Verein rückwirkend die Gemeinnützigkeit aberkannt haben – damals zuständig: Finanzbeamter Andreas D. Er habe viel Geld zurückzahlen müssen, so Thomas K., einen Offenbarungseid geleistet, sein Konto sei gepfändet worden. Inzwischen befindet er sich bei einem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie in Behandlung.

Am Dienstag – es war der elfte Geburtstag seines Sohnes, der bei der Mutter in Österreich lebt und den er seit vier Jahren nicht mehr gesehen hat – entschloss sich Thomas K. zu einem Gewaltakt. „Weil ich aus der Betroffenheitsperspektive herausgetreten bin, habe ich öffentlich ein Zeichen gesetzt“, heißt es in den Notizen des Täters, die der LVZ exklusiv vorliegen. Er bezieht sich auf die „Türhüterlegende“ Franz Kafkas, in der ein Mann vergeblich versucht, den Eintritt in das Gesetz zu erlangen, das von einem Türhüter bewacht wird.

Seine Feuer-Attacke vom Dienstag war mithin alles andere als eine Kurzschlussreaktion, sondern akribisch geplant:  Beim Grillen habe er  verschiedene Spiritus-Dosierungen ausprobiert, erzählte er. Andreas D. sollte durch den Angriff schockiert werden, Verbrennungen erleiden, aber nicht ums Leben kommen. Deshalb habe er sich auch erkundigt, ab wann Verbrennungen lebensgefährlich sind. „Zum Glück ist nichts passiert“, so Thomas K. Der Finanzamtsmitarbeiter blieb laut Polizei unverletzt.

Nach LVZ-Informationen plante der Leipziger womöglich ähnliche Anschläge auf Arge und Amtsgericht.

Erst Mitte Juni hatte ein Übergriff in der Leipziger Öffentlichkeit für Aufsehen gesorgt. Damals nahm der 41 Jahre alte Oliver Q. in der H&M-Filiale in der Petersstraße 19 Menschen als Geiseln. Als Motiv für die Geiselnahme gab er in einer ersten Vernehmung „Ärztepfusch“ an.

„Er fühlte sich falsch behandelt und wollte auf sein Schicksal aufmerksam machen“, so Polizeisprecher Uwe Voigt damals. Q., der eine scharfe Waffe bei sich führte, gab nach einem Gespräch mit einem Journalisten auf. Verletzt wurde niemand.“

Aber eigentlich hatte ich mich vor allem deshalb entschlossen, heute einen Blogeintrag zu machen, um darauf aufmerksam zu machen, dass es auf einer u.a. vom Dokfilmfestival Leipzig betriebenen Plattform noch bis zum Beginn des Festivals am nächsten Montag ein paar sehr schöne Dokumentarfilme aus den letzten Jahren zu sehen gibt. Heute zum Beispiel der rumänische Psychiatrie-Film

DON’T GET ME WRONG

/ Nu te supara,dar.. (orig.) von

Adina Pintilie / Rumänien / 50 min

Ich hab den Film sehr gerne gesehen, hab jetzt aber keine Zeit mehr, ihn zu beschreiben.

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/nur_eine_wirklich_intensive_aktion_bringt_chance_auf_bereinigung_der_situation/

aktuell auf taz.de

kommentare