Die New York Times fragte sich gestern ob Islam A. Siddiqui (hier mit dem kürzlich verstorbenen „Vater der Grünen Revolution“ Norman Borlaug) wohl der Richtige für diesen job ist: Präsident Obama hat den Vize-Präsidenten von „CropLife„, dem Zusammenschluss von Monsanto, Syngenta, Bayer, BASF, Dow Chemical und anderen Pestizid- und Gentechnik-Multis als Chef-Unterhändler für Agrarhandelsfragen vorgeschlagen. Wird ein Mann der Agro-Industrie künftig die US-Verhandlungen bei der Welthandelsorganisation WTO, den Streit mit der EU um Gentechnik und Hormonfleisch und die bilateralen Verträge der Weltmacht mit Entwicklungsländern kontrollieren? Umwelt, Bio- und Entwicklungsorganisationen in den USA laufen gegen Siddiquis Bestellung seit Wochen Sturm. Der US Senat wird ihn wohl dennoch in der kommenden Woche bestätigen.
In einer Petition gegen die Nominierung von Siddiqui, die von 80 Umwelt-, Entwicklungs- und Bio-Gruppen in den USA unterstützt wird, heißt es: Der Posten wird ihn in die Lage versetzen, Pestizide und unangemessene Gentechnik zu propagieren und Ländern unfaire Handelsabkommen aufzuzwingen, die sich dies am wenigsten leisten können. Siddiqui verteidigte sich gegen die Vorwürfe: Als Staatsbediensteter habe er kein schlechtes Wort über biologische und nachhaltige Landwirtschaft verloren, die Vorwürfe bezögen sich alle nur auf seinen Privatjob als Lobbyist der Gentechnikindustrie. Er kündigte gleichzeitig an, er werde sich mit der Europäischen Union anlegen, um dort die Zulassung von Gentechnikpflanzen zu forcieren und er werde die WTO Verhandlungen dazu nutzen, die Agrarexporte der USA (2008 rund 115 Milliarden $) weiter auszudehnen. „Ich habe herausgefunden, dass Wissenschaft ein mächtiges Instrument sein kann, um Handelsbarrieren niederzureissen,“ sagte er den US-Senatoren.
Siddiqui ist ein alter Fahrensmann der Agrarmultis und sass schon in der Regierung Clinton an den Hebeln der landwirtschaftlichen Macht. Damals war er als Staatssekretär für Vermarktung und Regulationen u.a. für den Entwurf der staatlichen Bio-Richtlinien verantwortlich, in denen er zunächst weder die Verwendung von Gentechnik noch von Klärschlamm auf Bio-Feldern ausschließen wollte. Über hunderttausend Einwendungen brachten die gröbsten Vergewaltigungen in der US Biorichtlinie zwar zu Fall. Dennoch gehören sie bis heute zu den problematischsten der Welt. Die von Obama als stellvertretende Landwirtschaftsministerin installierte Kathleen Merrigan, die sich seit langem für die biologische Landwirtschaft einsetzt, wird sich über den neuen Kollegen wohl nur bedingt freuen.
Über die globale Entwicklung der Landwirtschaft referierte Siddiqui, der in Indien studierte, auf einer Veranstaltung in Neu Dehli unter dem Titel Public and Private Strategies to Get New Technologies From the Lab Into the Field: Der Grünen Revolution müsse nun die gentechnische folgen und zwar in enger Partnerschaft mit den globalen Agro-Industrie. Anderfalls könne es den Indern bald so gehen, wie in dem Cartoon (links), mit dem er seine Präsentation abschloss.
Bereits im September war der amerikanischen Gentechnik-Industrie ein nicht unbedeutender Coup gelungen: Gründungsdirektor des neu installierten Nationalen Instituts für Ernährung und Landwirtschaft (NIFI), das die öffentlichen Forschungsmittel des US Landwirtschaftsministeriums (über 500 Million US $ per annum) verwalten soll, wird der bisherige Direktor des von Monsanto gesponsorten Donald Danforth Plant Science Center in St. Louis, Roger Beachy.
Übrigens: Siddiqui’s CropLife schrieb im März, als Michelle Obama eine Bio-Garten im Weissen Haus angelegte, an „Mrs. Barack Obama“ einen empörten Brief, in dem sie den Einsatz von „Pflanzenschutz“ auch in ihrem Garten als Anerkennung der Verdienste der konventionellen Landwirtschaft anmahnte und ihr dabei Hilfe anbot.
17.11.2009 Noch ist Sidiqui nicht bestätigt. Hier ein Interview mit einer der Kritikerinnen, die die Hoffnung noch nicht aufgegeben haben.