Jetzt ist er also da, der Weltuntergang, also die double-dib-recession, die nicht mehr steuerbare Wirtschaftskrise. Aber wer hat das alles schon mit viel Sachverstand am 2. Juni 2008 vorausgesagt? Lest selbst, hier ist der Link:
http://blogs.taz.de/lottmann/2008/02/06/obama-vs-foer/
Und für alle, die wie ich nicht wissen, wie ein Link funktioniert, hier nochmal der Gesamttext jenes Tages mit der luziden Wahrnehmung:
„Puh – das ist ja gerade nochmal gutgegangen. Obama bleibt außen vor, die große Bewegung ist gestoppt. Hillary Rodham Clinton und ihr sympathischer Mann Bill haben New York und Kalifornien gehalten, und damit unser aller Arsch gerettet. Jonathan Safran Foer schickte mir eben eine Jubel-Mail deswegen und hängte ein Foto an, das uns in Berlin in der American Academy zeigt, wo Jonathan ein halbes Jahr im Philip-Albers-Trakt wohnte. Er bat mich am Abschiedsabend um ein Foto von uns beiden, und ich sagte scherzhaft, das könne er machen, wenn er es nicht in den Medien verwende. Er stimmte zu, veröffentlichte es dann aber doch in seiner Universitätszeitung – mit einem Balken vor meinen Augen. (Sollte ich ihn deswegen verklagen, wie das in den USA üblich ist, auf 100 Millionen Dollar à la Tom Cruise? Weil man mich nämlich DOCH erkennt? Nein, ich werde es nicht tun.)
Jedenfalls meinte Jonathan, mit Obama als Sieger wäre es abwärts gegangen mit Amerika und dem Westen. Eine Meinung, die wir uns schon in Deutschland gemeinsam gebildet hatten. Er wie auch ich hatten in unseren Freundeskreisen so manche ´Obamas´. Das sind diese total sympathischen Freunde mit weißer Mutter und schwarzem Vater, jeder Jugendliche kennt sie.
Ja, meine Obamas! Das waren immer die besten Freunde überhaupt, die zuverlässigsten Kumpels, warmherzig, uneitel, ohne Ego-Problem, von höchster emotionaler (und auch sonstiger) Intelligenz, Leute, die am besten aussahen, sich am besten bewegten, die besten Frauen bekamen, weil sie diese am nettesten und großherzigsten behandelten. Sie waren nicht die Meinungsführer, nicht die Stars, aber die beliebtesten Jungs in der Clique. Und was war fünf oder zehn Jahre später aus ihnen geworden? Nichts. Sie hatten nichts auf die Reihe gekriegt. Ihr Charisma war geblieben, aber dieses Charisma hatte nichts wirklich bewegt. Alle anderen Freunde waren an ihnen vorbeigezogen, an David, Jonas, Timberley, Kevin, Mathew: die waren alle immer noch DJ irgendwo, in Schuppen, die keiner mehr kannte. Mit Frauen gestraft, die nicht mehr zehn Jahre jünger waren als sie und 18 und hot, sondern zehn Jahre älter und gnadenlos. Am Anfang tänzelten unsere Freunde durch den Ring wie Barack Obama oder der junge Cassius Clay, am Ende war alles festgefahren.
Warum ich das erzähle? Weil ich Angst habe, daß die westliche Hemisphäre unter die Räder kommt, und zwar für eine ganze Legislaturperiode, also für immer, wenn Rapper Obama mit den schönen Gospel-Parolen ins Weiße Haus einzieht. Dann heißt es: gute Stimmung, ewige Party, aber ein kontinuierlicher Sinkflug. Und Asien übernimmt den Laden. Dann werden wir Älteren, die wir die 50-Cent-Welt so lange als lustigen Alptraum erlebt und respectvoll mitbeklatscht haben, gar nicht mehr herauskommen aus diesen blöden Zusammenhängen. Dieser ganze ewige West-side-story-Infantilismus aus Bandenkriegen, Drogen, verweigertem respect, erkämpften respect, Außenseiter und Cliquenführer, Cowboys und Indianer, Gangster und Cops, brothers and sistas: ein Musical kann man daraus noch machen, aber nicht die führende Wirtschaftsmacht der Welt leiten. Die Wirtschaft braucht bürgerliche Tugenden bzw. bürgerliches Verhalten. Meint jedenfalls Jonathan Safran Foer. Die Wirklichkeit braucht Leute, die keine Drogen nehmen, Väter, die nicht abhauen, Mütter, die ihre Kinder anständig erziehen anstatt die Schlampe zu geben und/oder sich vom Scheck des Sozialamts zu besaufen, Teenager, die Abitur machen und nicht den Waffenschein. Und so weiter. Er kann da sehr heftig werden, mein amerikanischer Freund. Ich spiele dann immer den Gegenpart, den Liberalen. Ich weiß gar nicht einmal, ob ich den SPIELE, denn tatsächlich bin ich ja von Kindesbeinen an der Typ aus dem linken Milieu. Mein Vater war Gründungsmitglied der Freien Demokratischen Partei (F.D.P.) und später aushilfsweise Textschreiber der Münchener Lach- und Schießgesellschaft, ein seltsamer Verein um den Kabarettisten Dieter Hildebrandt, der heute für die Fernsehsendung „Der Scheibenwischer“ schreiben soll. Ich weiß natürlich nicht, ob er auf den Gags meines Vaters aufbaut, oder gänzlich neue ausarbeitet. Jedenfalls ist es urliberales Milieu, linker Stallgeruch, und meine Eltern finden Barack Obama einfach himmlisch, und ich, ehrlich gesagt, auch. Eben der neue Kennedy, wie Ted Kennedy selber sagte. Wenn ich irgend kann, schalte ich auf den Kanal, in dem Obama gezeigt wird, und wenn dann Mitt Romney kommt, oder sogar die steife Hillary, zappe ich weiter, solange, bis ich wieder Obama habe. Was hat Barack Obama mit einer heruntergekommenen schwarzen community zu tun? Obama ist toll, und ich würde nie soweit gehen, all das über ihn zu sagen, was Jonathan sagt, aber ich bin ja auch kein echter Jude und darf das nicht.
„Kein echter Jude?!“ höhnt dann Jonathan (nur mein Vater wurde von einer Jüdin geboren, ich nicht), „dann ist Obama auch kein echter Schwarzer!“
Es stimmt ja sogar: weißer als Obamas Mutter kann ein Mensch nicht sein, und erzogen wurde der Junge allein von Weißen. Aber ich springe auf diesen Zug nicht auf, das ist mir zu gefährlich. Ich sage höchstens:
„Ich mag Obama, aber ich glaube, er bedient nur Gefühle und kriegt ansonsten nichts gebacken.“
„Weil er schwarz ist? Weil er hellbraun ist?“
„Quatsch! Weil er so ist wie David, Jonas, Kevin und Mathew…“
Jonathan lacht böse, quält mich aber nicht länger. Er glaubt natürlich, ich hielte Obama für unfähig, weil sein Vater aus Kenia kommt. So ist es aber nicht. Ich finde Hillary Clinton gut, weil sie vor Ehrgeiz brennt und bestimmt alles richtig machen wird.
So wird sie, mit Hilfe ihres großartigen Mannes, die Wirtschaft vor der TOTALEN Krise retten, die Rezession abwenden, den Staatsbankrott verhindern (wie schon einmal ihr Mann Bill, in den 90ern) und dafür sorgen, daß unsere Kinder eines Tages studieren können. Uns allen wird es wieder gut gehen. Die USA, die ökonomisch von der Bush-Clique ruiniert wurden, werden sich wieder fangen, im allerletzten Moment, und dann sogar die übrige Welt stabilisieren. Und weil das so ist und weil das in dieser Nacht von gestern auf heute entschieden wurde, beantwortete ich Janathan Safran Foers Jubel-Mail spontan mit den den Worten: „Thank God, Hillary won!“
Das Foto gebe ich hier ein.