vonlottmann 04.02.2010

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Der bemerkenswerte Bericht im aktuellen SPIEGEL ist, nach langer, viel zu langer Zeit, endlich einmal wieder ein Glanzstück des Journalismus, ein perfekter Text, eine einzige Freude. Man erfährt alles, und man erfährt es im allerbesten Deutsch, wie von einem Schriftsteller geschrieben und dennoch vollkommen neutral.
Heißt: Anhand dieses Textes müßte die einzig interessante Frage zu beantworten sein, die es zu dem Luftschlag gibt. Nämlich: Warum tat Oberst Klein das? Wir wissen, daß er ein umsichtiger, verantwortungsvoller, ängstlicher und warmherziger Mensch ist, seit einer Ewigkeit im Dienst, immer defensiv, nie in Kampfhandlungen verwickelt. ER kann das Motiv nicht liefern. Wir wissen nun auch, daß noch zwei andere Leute am Schießbefehl beteiligt waren, zwei Militärs, die in den fraglichen Stunden neben Klein im Bunker standen. Von ihnen, oder einem von ihnen, muß die kriminelle Energie ausgegangen sein. Von Klein nicht, und deswegen hat zu Guttenberg auch diesen fast schon hysterischen Satz gesagt „Ich werde Oberst Klein niemals in meinem Leben fallenlassen!“. Dank SPIEGEL kennen wir nun wenigstens den zweiten Soldaten, offenbar ein Riesenarschloch. Ein Saarländer, der sich darin gefällt, immer im breitesten Südstaaten-Amerikanisch Sottisen zu erzählen, und der diese widerlichen Base Caps trägt, mit New York Yankees Schriftzug, die bestenfalls zwölfjährigen Jungen in Oregon gut stehen. Dieser Mensch wird es wohl gewesen sein, der auch noch in den Vernehmungen seinem Vorgesetzten ständig in den Rücken fällt. Der Dritte im Bunde bleibt sogar im SPIEGEL Bericht anonym. Das läßt aufhorchen. Ein Herr also, der selbst über dem SPIEGEL steht, der Vierten Gewalt? Das muß nun wirklich ein dicker Fisch sein. Wohl kein Deutscher. Irgendein Strippenzieher eines supergeheimen Zirkels im militärischen Geheimdienst des Weißen Hauses und/oder des Kanzleramtes, direkt den beiden transatlantischen Verteidigungsministern unterstellt, oder so, oder gerade nicht, keine Ahnung. Diese Suppe ist ja immer äußerst dick, die da angerührt wird, solange der Führer nicht persönlich das Heft in die Hand nimmt… Wie gesagt, hier kann nur noch die Phantasie blühen.
Was lernen wir aus dem Bericht? Erstens war es ein lupenreines Kriegsverbrechen, wider alle Vernunft, geradezu aberwitzig scheußlich. Man sprengt eine harmlose Menschenmenge in die Luft, ohne jeden Grund. Nur so. Für Deutschland. Zweitens gibt den Befehl ein Unbekannter, der anonym bleiben darf und offenbar vom Pentagon geschützt wird – was jeden Untersuchungsausschuß sinnlos macht. Drittens: Bevor es nicht endlich Massendemonstrationen gegen diesen Krieg gibt, wird der Wahnsinn, der Methode hat, aber eine uns nicht einsehbare, weitergehen.

(in der taz vom Mittwoch, Printausgabe)

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