Wer jemals Ziegen besessen hat, weiß, sie fressen so gut wie alles und mit Vorliebe das, was sie nicht sollen. Dafür geben sie Milch, sind gewitzter als Schafe und weil sie alles fressen, findet man immer irgendwas für sie. Die Ziege ist die Kuh des kleinen Mannes. Wenn man in Emden das Stadtbürgerrecht erwerben wollte, mußte man Nutztiere besitzen, mindestens eine Ziege. Um sich eine leisten zu können, gab einem die Emder Sparkasse einen „Ziegenkredit“. In Polen hatte die Akademie für Landwirtschaft vor einigen Jahren eine ähnliche Idee: Weil es wegen der Auflösung der staatlichen Güter in der Gegend um Wrozlaw besonders viele Arbeitslose gab, startete die Akademie dort ein Pilotprojekt: Ziegen anstelle von Sozialhilfe – unter wissenschaftlicher und filmischer Begleitung. Und so lebten dann einige der neuen Landarmen fortan mit Ziegen. Einer nahm seine sogar mit in die Kneipe.
Auch in Kenia hat sich dieses Prinzip „Ware statt Geld“ durchgesetzt, wobei es nicht selten ebenfalls um Ziegen geht. Die FAZ spricht am 20.2. von einem „Ziegen-Fleurop für die Verwandten“. Weil die Empfänger als Arme das Geld, das ihre vergleichsweise reichen Verwandten im Ausland ihnen schicken, immer wieder für Waren des täglichen Bedarfs und Geschenke ausgeben, statt für die Anschaffung einer Ziege z.B., was ihrer Subsistenzwirtschaft mehr Nachhaltigkeit verschaffen würde, gründeten sich Firmen, u.a. in Nairobi, denen man nun das Geld überweist – und die dann „die Ziege direkt zum Empfänger nach Hause“ liefern, wie es auf ihrer Webpage heißt. Eher karitativ operiert dagegen der Unterschleißheimer Verein „Ziegen für Indien“, auch für Nepal gibt es ein solches „Ziegenprojekt“.
Ziege ist freilich nicht Ziege! Das war auch schon bei der polnischen Ziegen-Zuteilung von oben das Problem. Drum Augen auf – beim Ziegenkauf! Ziegen haben einen starken Willen – und der muß einigermaßen mit dem ihrer Besitzer kompatibel sein. Nicht ohne Grund haben alte Bäuerinnen meist das beste Verhältnis zu Ziegen. Apropos: In „Bauer sucht Frau“ geht es derzeit so weiter: „Ziegenwirt Willi hat seine Karola zu sich auf seinen hessischen Hof geholt, wo das Paar sich nun einrichtet…“
In den Niederlanden erstreckt sich die Massentierhaltung auch auf Ziegen, deren Milch für Magenkranke an Spitäler und für Gesundheitsbäder an Wellness-Einrichtungen geliefert wird (in Hessen bekamen die Ziegenhalter in den Achtzigerjahren 9 DM für einen Liter). Wegen der „Ziegengrippe“ tötete man in Holland jedoch aus prophylaktischen Gründen gerade alle 40.000 Tiere. Im Weserbergland fand zur gleichen Zeit eine Protestversammlung gegen die dort ansässige „Ziegenfabrik“ statt: ein Agrarbetrieb in Polle, der 7500 Milchziegen hält.
Im Berner Oberland brach ein Wolf in ein Ziegengehege ein und tötete mehrere Tiere, wie das Thuner Tagblatt meldete. Auf den Galapagos-Inseln hatten sich mit der Zeit die verwilderten Hausziegen derart vermehrt, dass den berühmten Riesenschildkröten die Nahrung knapp wurde. Daraufhin entschloß sich die Galapagos-Nationalpark-Verwaltung, alle 125.000 Ziegen abzuschießen: „Seit 2006 sind die Inseln ziegenfrei,“ meldete der Spiegel.
In den afrikanischen Wüstengürteln verlangen Naturschützer immer häufiger von den Nomaden, dass sie die Zahl ihrer Ziegen reduzieren, die das Land völlig verwüsten. Vom Ziegentod aus ökonomischer Not handelte ein weiterer FAZ-Artikel am 20.2.. Es geht darin um eine deutsche Farm in Namibia deren schwarze Arbeiter einen Aufstand wagten – und die daraufhin enteignet wurde, wobei das Land und die Tiere unter den Farmarbeitern und ihren Familien aufgeteilt wurde. Die FAZ schreibt: „Die Farm läuft ausgezeichnet“ – bis zur Enteignung 2003. Seitdem verkommt alles. Einer der ehemaligen Farmarbeiter hat bereits alle von ihm übernommenen Ziegen geschlachtet, „für das Schulgeld seiner vier ältesten Kinder“ in Windhoek.
Aus Zentralkenia meldet die „Daily Nation“, dass dort ein Dorf von einem Löwenrudel geradezu „terrorisiert“ wird, den Raubtieren fielen bereits 17 Ziegen zum Opfer. Nicht nur in der FAZ sah man ein Photo, das einen Palästinenser zeigte, der eine Ziege durch einen unterirdischen Gang nach Gaza trieb. Diese Tunnel, die die Blockade Gazas quasi unterbrücken, wollen die Israelis nun mit einem unterirdischen Zaun abdichten, um den Nachschub, u.a. an Ziegen, zu unterbinden.
Bei „Bauer sucht Frau“ geht es folgendermaßen weiter: „Bauer Willi führt Karola zum Arbeiten in den stinkenden Ziegenstall. Karola ringt um Luft und muss mit sich kämpfen, um den Brechreiz zu kontrollieren – herrliche Szenen für den Sender“… Is aber Quatsch: Nur Ziegenböcke stinken, man muß aber schon ziemlich verspießert, verkünstlicht und analfixiert sein, um das zum Kotzen zu finden. Der Biobauer Matthias Stührwoldt aus Stolpe hat gerade eine „Hofgeschichte“ veröffentlicht, in der es ebenfalls um den Gestank eines Ziegenbocks geht, den er geschenkt bekom,men hatte und der ihm dann den ganzen Geruch seines Kuhstalls veränderte.
Ich habe einmal meinem Vater einen jungen Ziegenbock zum Geburtstag geschenkt – er kostete nur eine DM, meine Eltern wollten ihn mir trotzdem nicht kaufen, deswegen erwarb ich ihn kurzerhand als Geburtstagsgeschenk. Mein Vater verschenkte ihn später weiter – an einen Ziegenzüchter. Während das Böckchen bei uns war, beschäftigte ich mich täglich mehrmals mit ihm – so ähnlich wie es der Philosoph Theodor Lessing in seinem „Tier“-Buch beschrieb: Beim Spiel mit dem Lämmchen seiner Ziege im Garten stieß ihm die „Gleichheit unserer Naturen“ auf, was noch durch den Umstand gefördert wurde, „daß wir Milchbrüder sind“, denn Lessing und das Lämmchen Nanekobo leben gleichermaßen von der Milch der Mutterziege. Wenn sie auf dem Rasen spielen, stoßen sie mit tief gesenktem Kopf gegeneinander und reiben sich die Stirn: „Man berennt sich gegenseitig mit dem Kopf und versucht übereinander hinwegzuspringen. Es ist eine Sportübung, die ich vom akademischen Leben her gewohnt bin…Wir sind beide hervorragende Kopfarbeiter.“
Als unserem kleinen Ziegenbock Hörner wuchsen, berannten wir uns jedoch nicht mehr gegenseitig mit dem Kopf, ich benutzte stattdessen einen Aluminium-Kochtopf, gegen den ich das Böckchen anrennen ließ – und den es dann auch bald völlig platt machte.
Später, in einer Landkommune in der Wesermarsch lebend, schafften wir uns eine ganze kleine Ziegenherde an. Besonders der erwachsene und unterforderte Bock machte uns viel Arbeit. Weil er über alle Stallwände springen konnte, fraß er allen Tieren das Futter weg, nicht einmal die Pferde konnten sich gegen ihn durchsetzen. Und auf den Streuobstwiesen fraß er die Rinde der Bäume ab. Wenn ich abends in die Stadt fuhr, umarmte ich ihn immer noch einmal herzhaft, wobei ich ihn vorne hochhob. Auf seinen Hinterbeinen stehend war er so groß wie ich. Durch die Umarmung nahm ich seinen Geruch mit in die Stadt – und in die Disco, wo einige Frauen jedesmal ganz angetan waren von meinem „seltsamen Parfüm“, wie sie es nannten. Und ein Freund aus Eritrea bat mich: „Laß dich umarmen, du riechst so nach Heimat.“ So viel zu dem Gestank von Ziegenböcken. Abschließend sei noch erwähnt, dass Hollywood für März eine neue „Militärsatire“ ankündigt: „Männer, die auf Ziegen starren“ (mit George Clooney – als Goat-Watcher).
Kurz vorher gibt es aber noch den „Tag der Ziegen“. Dazu heißt es in einer Pressemitteilung:
Dem Filmmotto „Keine Siege ohne Ziege“ folgend, freut sich Kinowelt, CARE Deutschland-Luxemburg bei seinen Bemühungen zu unterstützen, Armut und Hunger in der Welt zu bekämpfen. KINOWELT veranstaltet am 1. März 2010 kurz vor dem Filmstart von MÄNNER DIE AUF ZIEGEN STARREN eine
karitative Premiere des Films für einen guten Zweck. Die eingenommenen Spenden gehen an ein von CARE Deutschland-Luxemburg weltweit initiiertes Projekt: CARE FOR GOATS!
Wir freuen uns, dass der ROLLING STONE mit gutem Beispiel vorangehen und mit seinem Engagement zur Vermittlung der ersten Ziegen beitragen wird. Wir hoffen, dass dem etliche weitere folgen werden und CARE Deutschland-Luxemburg vielen weiteren Familien (u.a. in Niger) wird helfen können.