Auf einer Speicherreise: Wie ich bei Prenzlau mein Speicherglück fand
In diesem Sommer des langen Wartens auf die Sonne gehen doch noch Wünsche in Erfüllung: mein Webmaster Armin hat schon lange genervt, ich soll doch mal was über Speicher schreiben. Speicher seien das große Thema der Energiewende. Nicht etwa Leitungen, obwohl viele Journalisten den Leitungsbau zum Megaproblem hochblasen. Armins Wunsch geht hiermit in Erfüllung, denn auch ich hatte unverschämten Massel. Ich durfte nämlich zufällig eine Speicherreise machen.
Das kam so: ich hatte beruflich mit einer Gruppe Koreanischer Ministerialbeamter in Maastricht zu tun, die Allgemeines zur europäischen Klimapolitik wissen wollten und Spezielles zur deutschen Energiewende. Also reisten wir erst nach Brüssel und dann nach Berlin. Was ich nicht wusste: „Energiewende“ ist bereits wie Kindergarten und Blitzkrieg ein deutscher Begriff, der international verwendet wird1),2). Das meinte ein hoher Beamter aus dem Umweltministerium, der international für sie wirbt.
Und international sind nicht nur die Südkoreaner heftig interessiert, wie die Deutschen das hinkriegen wollen. Die Welt schaut nämlich auf die „German Enertschiewände“ und in Berlin schauten die koreanischen Beamten erst mal auf die Dreifachverglasung des renovierten Gebäudes des Ministeriums in der Stresemannstraße. Das befindet sich in der Nähe des Potsdamer Platzes und wurde nach dem Passivhausstandard renoviert. Dreifachverglasung ist auch in Deutschland noch nicht wirklich ein Megathema, hat aber schwer mit Speichern zu tun. Damit lässt sich warme und kühle Luft länger im Haus speichern. Was ich nicht zu hoffen wagte: Dreifachverglasung wird laut Bundesumweltministerium bald der Standard der deutschen Fensterbauer, weil es sich eben bald nicht mehr lohne noch eine andere Produktionslinie zu fahren.
Zum Vergleich: in Großbritannien wird die Zweifachverglasung von vielen Hausbesitzern noch als unnötiger Luxus der Moderne betrachtet. In den Niederlanden haben einige Fensterbauer mit denen ich sprach immerhin bereits von drei Gläsern gehört. Merke: Enertschiwände heißt vor allem auch Energiesparen in Gebäuden. Bei der Gelegenheit hatten wir auch eine Tour durch „das solare Regierungsviertel“ gebucht. Das gibt es wirklich. Beim Umzug nach Berlin hatten nämlich einige solare Politiker so lange genervt bis in Ministerien, Reichstag und Bundestagsgebäuden tatsächlich ein Konzept mit Solar, Effizienz und allem Pipapo verwirklicht wurde. Mit Speichern? Ja, einige Gebäude speichern auch saisonal Wärme und Kälte tief im Boden, die dann je nach Jahreszeit zum Heizen oder Kühlen des Reichstages verwendet werden.
Und dann ging es raus nach Adlershof zur Firma Younicos, die große Speichersysteme mit Batterien entwickeln. Wir standen andächtig in einer Halle, wo sie Produktion und Verbrauch einer portugiesischen Insel ohne Festlandanschluss simulieren. Dazu braucht man Riesenbatterien, um die Schwankungen der Erneuerbaren (Wind und Sonne) im Netz auszugleichen. Die Südkoreaner nahmen amüsiert zur Kenntnis, dass einige der besten Komponenten aus Südkorea stammen. Nur nebenbei: die Südkoreaner investieren viel in Greentech und eine umgekehrte Reise lohnt sich bestimmt.
Von der gezeigten Solartankstelle waren sie daher natürlich nicht überrascht. Eher wiederum von der Dreifachverglasung, die es auch in Adlershof gab. Am Nachmittag dann das Highlight: mit dem Bus ins tiefste Brandenburg in die Umgebung von Prenzlau, wo viele Windturbinen stehen. Dort betreibt Enertrag, die selbst rund 500 Windturbinen am Laufen haben, den größten Knaller unserer Reise: die Wind-to-Gas Anlage, wo überschüssiger Windstrom in einer Halle mit Hilfe der Elektrolyse in Wasserstoff umgewandelt wird. Da stehen neben einer Biogasanlage große, weiße Wasserstoffspeicher. Dieser Wasserstoff kann dann dem Biogas beigemischt werden.
In Prenzlau sahen wir und die Koreaner also, wie eine wichtige Option der Speicherung in Zukunft aussehen könnte: die Umwandlung in Wasserstoff bzw. in einem zweiten Schritt, die Umwandlung des Wasserstoffes in Methan. Ist zwar mit Verlusten verbunden, ein unschätzbarer Vorteil ist aber die Fähigkeit der Langzeitspeicherung und die vorhandene Infrastruktur. Das Erdgasnetz ist da und hat eine unglaublich große Speicherkapazität. Und genau die braucht die Energiewende. Insbesondere das habe ich auf meiner Speicherreise gelernt: nur mit Batterien oder Pumpspeichern kommen wir da nicht besonders weit.
MARTIN UNFRIED ÜBER ÖKOSEX
Links zur Kolumne:
http://de.wikipedia.org/wiki/Prenzlau
http://de.wikipedia.org/wiki/EE-Gas#Power-to-Gas
1)Die britische Wochenzeitschrift „The Economist“ titelt zum Beispiel am 28.07.2012: „Energiewende | German plans to cut carbon emissions with renewable energy are ambitious, but they are also risky“ | http://www.economist.com/node/21559667
2)Die britische Tageszeitung „The Guardian“ schreibt zum Beispiel am 30.05.2012: „The ambition of Germany’s change of direction, universally called the Energiewende – energy transformation – is huge.“ | Quelle: Germany’s renewable energy revolution leaves UK in the shade | The country expects renewables to contribute 35% electricity by 2020 – no matter what the cost | http://www.guardian.co.uk/environment/2012/may/30/germany-renewable-energy-revolution