vonHans-Ulrich Dillmann 30.04.2009

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„Polizeirazzia gegen jüdisches Zentrum“, meldete die New Yorker jüdische Nachrichtenagentur Jewish Telegraph Agency (JTA) am Donnerstag der vergangenen Woche. Und die israelische Tageszeitung Yediot Ajaronot vermutete sogar hinter einer Hausdurchsuchung im Zentrum der Chabad Lubawitsch in Rurrenabaque im Departament Beni politische Aktionen des linken Staatspräsidenten Evo Morales gegen die Juden des Landes. Schließlich hatte das bolivianische Staatsoberhaupt erst im Januar dieses Jahres die Beziehungen zu Israel wegen des Gaza-Konflikts abgebrochen.

Unter Berufung auf den Leiter des Zentrums, Aaron Fraiman, berichtete JTA und auch Yediot Ajaronot von der Schließung des Zentrums und der anschließenden Abschiebung eines Zentrumsmitarbeiters durch die Ausländerbehörde. Fraiman beschuldigte in der Jerusalemer Tageszeitung die Regierung Boliviens des Antisemitismus.

Ricardo Udler ist nicht gerade erfreut über die Schlagzeilen, die in der vergangenen Woche im Internet, in Israel und in einigen Zeitungen Boliviens über die jüdische Gemeinschaft des Landes erschienen. Der 55-jährige Präsident der israelitischen Vereinigung Boliviens versichert: „Das stimmt nicht“.

Die Angelegenheit sei aufgebauscht, findet Udler, dessen Vorfahren aus Deutschland stammen und der über Jahre Beter in der Jüdischen Gemeinde Gelsenkirchen war. Es handele sich nicht um eine politische Aktion gegen Mitglieder der jüdischen Gemeinschaft. Ein Sprecher des Lateinamerikanischen jüdischen Kongresses in Buenos Aires wollte die „sehr konfuse Situation“ nicht kommentieren.

Nach Zeitungsberichten in der bolivianischen Presse und den Schilderungen Udlers handelt es sich vielmehr um die Auseinandersetzung eines Mitgliedes der Chabad Lubawitscher-Bewegung mit den regionalen Behörden in Rurrenabaque, die – wie es scheint – aus dem Ruder gelaufen ist. Der Chabat-Rabbiner betrieb privat in der von Touristen frequentierten und auch bei israelischen Rucksacktouristen beliebten Urwaldstadt am Rio Beni ein Zentrum, koscheres Restaurant, Übernachtung und touristischer Service mit inbegriffen.

Zur Ärgernis vermutlich von umliegenden Restaurantbesitzern, Hoteliers und Reisebüros. Und mit dem Nachteil, dass er weder einen Gewerbeschein für seine Tätigkeit besaß, noch das Mitarbeiters des „Zentrums“ über die notwendigen Aufenthaltspapiere verfügten.

Am vergangenen Mittwoch berichtet Udler im Zentrum des Circulo Israelita de Bolivia in der Hauptstadt La Paz, seien in dem „privaten Restaurations- und Übernachtungszentrum“ Beamte der Gewerbeaufsicht anrückt. Ziel sei es gewesen, das illegale Restaurant bis zur Erteilung der entsprechenden behördlichen Genehmigungen zu schließen.

Allerdings sei der Disput mit dem städtischen Bediensteten eskaliert, möglicherweise hätten auch sprachliche Missverständnis dazu beigetragen. Aufgrund des „schlechten Benehmens“ sei der Rabbiner, dessen Zentrum nicht die offizielle Anerkennung des Chabat Lubawitsch-Bewegung hat, festgenommen worden. Da es bei einem Mitarbeiter auch Probleme mit der Aufenthaltsgenehmigung gab, sei dieser zur Einwanderungsbehörde nach La Paz gebracht und später des Landes verwiesen worden.

Gegen Juden in Bolivien habe sich die ganze Aktion nicht gerichtet, versichert Ricardo Udler. 340 Juden leben derzeit in dem Andenland. 180 davon gehören zur Gemeinde in La Paz. „Wir haben sowohl konservative als auch orthodoxe Gemeindemitglieder“ sagt der Mediziner Udler. La Paz verfügt über drei Synagogen. „Die 60 Personen in Cochabamba und die rund 100 in Santa Cruz verstehen sich als liberale Reformjuden.“

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