Im Supermarkt wird uns klar, wie abhängig wir vom Kunststoff sind. Obst, Gemüse, Getränke, Milchprodukte, Süßigkeiten – fast alles ist verpackt und oft sogar in mehreren Schichten. Ohne geht es kaum. Mit Plastik kann es aber auch nicht ewig so weitergehen. Denn der Kunststoff ist ungesund, schadet der Umwelt und kostet Ressourcen. Darum denken Konsumenten, Produzenten und Politiker über Alternativen nach.
Der Wiener Regisseur Werner Boote hat mit seinem Film Plastic Planet so manchen erfinderischen Geist in Schwung gebracht. Zum Beispiel den der Umweltstadträtin Irene Weiß im niederösterreichischen Wieselburg. Ihre Tochter habe den Dokumentarfilm über das weltweite Plastikproblem gesehen und gesagt: „Mama, du bist Politikerin, du kannst doch was tun.“
Sie hat etwas getan: Während Österreich seit Ewigkeiten ein Verbot der „Plastiksackerln“ diskutiert, will die 4000-Seelen-Gemeinde freiwillig mehr als 1,2 Millionen Kunststoff-Tüten im Jahr einsparen. Die Bürger werden durch verschiedene Initiativen unter anderem davon überzeugt, in den Supermarkt eine eigene Stofftasche mitzubringen: Zum Beispiel hat es die Stadt mit mehr als 4300 selbst gestalteten Jutebeuteln ins Guinness Buch der Rekorde geschafft. „Ich habe von mehreren weitaus größeren Städten gehört, die jetzt Ähnliches planen. Auch in Deutschland“, erzählt Boote erfreut.
Aber auch im Privaten könnten die Menschen etwas bewegen, findet der Filmemacher. Österreichs plastikfreier Vorzeigefamilie hat er sogar ein Kapitel in seinem Buch gewidmet. Die steirische Familie Krautwaschl räumte nämlich kurzerhand sämtliches Plastik in den angebauten Stall ihres Bauernhauses: Kinderspielzeug, Tupperware, Kosmetik, Gartenstühle, Sportgeräte, Rucksäcke…
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Die Krautwaschls wollten ausprobieren, wie es sich ohne Kunststoff lebt. Einen Monat lang sollten sie durchhalten und auch im Supermarkt nicht zu Lebensmitteln in Plastikverpackung greifen. Inzwischen verzichtet die Familie schon mehr als ein Jahr lang weitestgehend auf Kunststoff. Kaum etwas von den weggeräumten Plastikprodukten wurde wieder ins Haus geholt – die meisten erwiesen sich als vollkommen überflüssig.
Sandra Krautwaschl bloggt auf keinheimfuerplastik.at und gibt dort Tipps für den plastikfreien Einkauf. Daraus entstand auch die Plattform plastikfrei.at, auf der man nach plastikfreien Alternativen für den täglichen Gebrauch suchen kann: von der Zahnbürste aus Holz bis zum Hundefutter im Papiersack. Die Devise der Familie lautet bei allem Einfallsreichtum aber auch: Je weniger konsumiert und weggeworfen wird, desto besser.
Denn die Plastikindustrie arbeitet zwar schon an umweltfreundlicheren Lösungen, doch der stetig wachsende Einsatz von Plastikverpackungen kann zum Beispiel mit Biokunststoff niemals gedeckt werden. Gerade mal 200.000 Tonnen Bioplastik aus pflanzlichen Quellen wie Maisstärke werden jährlich hergestellt. Ein winziges Aufkommen im Vergleich zu den 240 Millionen Tonnen herkömmlichen Plastiks, die weltweit produziert werden.
Eine enorme Steigerung der Bioplastikproduktion sei jedoch auch nicht sinnvoll, erklärt die Vorstandsvorsitzende des italienischen Herstellers Novamont. Catia Bastioli sagt im Interview mit Werner Boote, dass man Biomasse entweder sinnvoll und gut einsetzen könne, oder aber im Übermaß: „Wir dürfen nicht ein Problem lösen, indem wir an anderer Stelle eines schaffen.“ Schon beim Biosprit habe sich gezeigt, dass Getreide vorrangig das Überleben sichern sollte – und nicht den Luxus der Industrienationen. Die Grundnahrungsmittel des einen sollten also nicht dafür verwendet werden, dass der andere seine Produkte biologisch verpacken kann.
Werner Boote sieht stattdessen die Industriedesigner in der Pflicht: Natürlich gebe es Bereiche, in denen Plastik unverzichtbar sei – zum Beispiel in der Medizin. Doch Experimente wie das der Krautwaschls zeigten, dass es oft auch ohne gehen würde, sagt der Regisseur. „Wir müssen uns vom bedenkenlosen Einsatz der Kunststoffe verabschieden.“
Titelfoto: acht&siebzig Maisfeld: dongga BS