Was tun mit den Leser-Kommentaren auf taz.de? Derzeit werden die gröbsten persönlichen Beleidigungen und verfassungsfeindlichen Aufrufe gelöscht. Es bleibt aber auch viel stehen. Unsere Leser und auch wir in der taz-Redaktion diskutieren gerade heiß über die Frage, wie wir mit den Kommentaren fortfahen wollen. Hier einer der Leserbriefe:
Ich bin eigentlich ein großer Fan von Kommentarfunktionen, doch leider beobachte ich, dass bei Artikeln über Rechtsextremismus oder Artikeln über den Islam die Kommentarmöglichkeit vermehrt (und offensichtlich gezielt) dafür benutzt wird, um vollkommen gegenläufige Aussagen und Parolen zu publizieren.
Wenn der Inhalt der Kommentare die Meinungen der taz-Leser wiederspiegeln würde, dann wären wohl 80 % der Leser rassistische, xenophobe, fundamentalchristliche Nationalisten. Die tatsächlichen taz-Leser (die ich für deutlich weltoffener halte) sind in den Kommentarspalten der Artikel deutlich unterrepräsentiert. Insofern frage ich mich, ob es von der taz klug ist, genau den Menschen, gegen die sie eigendlich kämpfen möchte, (kämpfen sollte), ein Forum zu bieten. Dass diese Themen diskusionswürdig sind steht auser Frage, aber ob all diese, offensichtlich sehr fragwürdigen, Kommentare von der taz wirklich kommentarlos weitergegeben werden sollten, ist in meinen Augen fragwürdig.
Hier einige Argumente, die von Lesern und taz-Redakteuren angebracht werden:
– Es gibt Webseiten, die von Islamhassern betrieben werden, und die auf taz-Artikel verlinken. Deren Leser kommen dann, um ihren Müll bei uns abzuladen. Das sind rechte Leserbriefschreiberkampagnen, die mit den Debatten, wie sie unter taz-Lesern geführt werden, nichts zu tun haben. Die taz sollte solchen Leuten kein Forum bieten.
– Opfer von Gewalttaten, über die wir berichten und die dann in unseren Kommentaren auf übelste Weise beschimpft und beleidigt werden, werden so noch einmal zu Opfern gemacht.
– Das Maß der Beleidigungen und Unterstellungen ist in vielen Fällen menschenverachtend.
– Die derzeitige Handhabung ist gut für das Image der taz. Im Gegensatz zu vielen anderen Medien ist auf taz.de noch eine recht ungefilterte Diskussion möglich, das schätzen viele Online-Leser.
– Wenn die Kommentare stärker betreut werden sollen, müssen sich mehr Leute darum kümmern. Es fehlen dann also Ressourcen an anderer Stelle – unsere Berichterstattung wird schlechter.
– Auf manchen Kommentarseiten entwickelt sich eine gar nicht so blöde Binnendiskussion. Da kommt dann etwa als Antwort auf einen rechtsextremen Kommentar, ob die Faschos denn keine eigenen Zeitungen hätten, in denen sie sich austoben können.
– Gustave Flaubert hat einmal gesagt, er sei gegen die Einführung der Eisenbahn, weil sie es noch mehr Leuten gestatte, zusammenzukommen und zusammen dumm zu sein. Womit alles wesentliche zum Internet (und erst recht zu all seinen Mitmachfunktionen) gesagt ist.
– Wirklich kontrollierbar ist das ohnehin nicht. So ist es halt im Netz, es gibt da Schrott genauso wie Edelmetall. Das ist auch gut so, die Online-Leser sind es auch so gewohnt.
– Wenn die Kommentarfunktion noch nutzerfreundlicher wäre, wäre die Debatte dort ausgewogener. Wer einen Artikel liest, muss erst einen zusätzlichen Klick machen, um überhaupt auf die Seite mit den Kommentaren zu dem Artikel zu kommen. Damit hält man Freaks und Islamhasser und Neonazis nicht ab – aber vielleicht manchen mehr dem taz-Durchschnitt entsprechenden Leser. Der kommt von sich aus nicht auf die Idee, einmal auf die Kommentarseite zu schauen und dann dagegenzuhalten, wenn ihm dort etwas nicht gefällt.
– Man könnte Lesern die Möglichkeit geben, Kommentare zu bewerten, und ihnen dann auch die Option bieten, schlecht bewertete Kommentare ab einem gewissen Schwellenwert einfach auszublenden.
– Viele Kommentare sind vielleicht auch so laut und schrill, weil sich darin eine eigene gefühlte Ohnmacht gegenüber Massenmedien ausdrückt. Das Gefühl entlädt sich dann über die Kommentarfunktion. Wer dieses Ventil schließt, erhöht nur den Druck.
– Mit den Online-Kommentaren ist es wie beim Fernsehrogramm: Wer es nicht sehen will, muss es ja nicht angucken.
– Es sollte nicht der Job der taz sein, die Grenzen der Meinungsfreiheit selbst zu definieren.
– So eine Filterung führt erst dazu, dass die gelöschten Beiträge besonders wichtig erscheinen.
– Die Kommentare geben der Redaktion wichtige Anhaltspunkte, auf was die Leser reagieren und auf was nicht. Die taz ist gerade dann stark, wenn sie Emotionen wecken kann und Leute erregt.
Jetzt interessiert uns natürlich auch Ihre Meinung: Was sollten wir machen?