Während der Rest der USA wie gebannt auf den kommenden Dienstag starrt, taumelt eine Stadt im extremen Westen in einem ganz anderen Fieber: Es ist orange. Mit den Halbzeitwahlen hat es nichts Geringste zu tun.
Die Farbe orange hüllt in San Francisco Frauen, Männer und Kinder ein. Sie tragen orangene Mützchen. Orangene Jacken. Orangene T-Shirts. Und orangene Schuhe. Und selbst den Coit-Tower auf ihrem Telegraph Hill haben sie orange angestrahlt.
Den Konsens in San Francisco stiften die „Giants“ – die Riesen. Orange ist die Farbe ihrer Baseball-Mannschaft. Unternehmer aus der kalifornischen Stadt haben sie im Jahr 1954 in New York City eingekauft.
In ihren seither vergangenen 56 kalifornischen Jahren haben sich die „Riesen“ nicht mit Ruhm bekleckert. Doch seit der vergangenen Woche sieht es so aus, als könnten sie den Weltmeistertitel nach San Francisco holen. Zum ersten Mal.
„Weltmeister“ ist dabei ein ehrgeiziges Wort. Denn es handelt es sich um eine inländische Veranstaltung. Beim Baseball sind die USA ein eigener Planet. Jede Stadt, mit Unternehmern, die es sich leisten können, hat eine Baseballmannschaft. Manche Städte – wie New York – haben sogar zwei. Der Privatsender „Fox“ ersteigert die Übertragungsrechte für Baseballspiele. Die prominentesten Spieler kassieren zweistellige Millionensummen pro Jahr. Und schon kleine Kinder kennen ihre Namen.
Beim „Baseball“ hat das Spielfeld die Form einer Kuchentorte. Sind die Spieler entweder Werfer (pitcher), Fänger (catcher) oder Schlagmänner (hitter). Gibt es Männer mit großen Holzschlägern, mit einem überdimensionierten Handschuh oder mit Gittervisier vor dem Gesicht. Besteht ein Spiel aus neun Runden (innings). Und kann es zwei Stunden dauern – oder drei oder vier – bis es vorbei ist. Auch die Zahl der Endspiele ist veränderlich. Theoretisch sind bis zu sieben Endspiele möglich. Aber so bald eine der beiden Mannschaften vier Mal gesiegt hat, ist die „World Series“ abgeschlossen.
San Francisco befindet sich gerade mitten drin. In der vergangenen Woche haben die „Giants“ zwei Mal gegen die „Rangers“ – die Förster – aus dem texanischen Arlington gesiegt. Es waren Heimspiele. An diesem Wochenende gehen die Endspiele in Arlington, Texas, weiter.
So lange die Baseball-Endspiel-Saison dauert, ist in San Francisco alles andere zweitrangig. Am Sonntag Abend, wenn sich „Giants“ und „Rangers“ zum vierten Endspiel in Arlington, Texas, treffen, wird vor dem Rathaus der kalifornischen Stadt eine Riesenlandwand stehen. Davor werden mehr Menschen zusammen kommen, als bei einer Fußballweltmeisterschaft. Natürlich auch mehr, als bei jedem Meeting der örtlichen Kandidaten. Die Menschen in der Menge werden orange tragen. Viele werden als Hexen und Phantome kommen (zufällig ist an dem Abend auch Halloween). Und alle werden sich völlig einig sein. Sie werden gemeinsam skandieren: „Let’s go, Giants“. Und gemeinsam klatschen.
Falls es in Texas nicht zu einer Entscheidung kommt, wird die Endspielrunde am Mittwoch in San Francisco weiter gehen. Und die Spannung bleibt intakt.
Dienstag Abend, wenn die Halbzeitwahlen vorüber sind, werden die Medien weite Flächen der USA in rot (die Farbe der Republikaner) tunken und weniger weiten Flächen in blau (die Farbe der Demokraten). San Francisco wird orange sein.