vonEva C. Schweitzer 15.07.2009

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Obama möchte, so erfahre ich aus deutschen Zeitungen, die Kriegsverbrechen der Bush-Regierung nur ganz ungerne aufarbeiten, weil er sich nämlich darum kümmern muss, eine Krankenversicherung in den USA aufzubauen. Eine Krankenversicherung! Ich habe ja Verständnis, in Deutschland war es 1945 auch wichtiger, zerbombte Häuser wieder aufzubauen. Aber Amerika hat es ganz gut geschafft, den Irakkrieg anzufangen ohne eine Krankenversicherung, was rede ich, schon beim Vietnamkrieg gab es keine Krankenversicherung, da dürfte es auf ein paar Jahre mehr nicht drauf ankommen.

Der eigentliche Grund ist natürlich, dass der Irakkrieg und Guantanamo keine Privataktionen von George W. Bush waren, dahinter stand Amerika mit einer soliden Zwei-Drittel-Mehrheit. Die bröckelte erst, als die irakischen Aufständischen Landgewinne machten. Da guckt keiner so gerne in den Spiegel. Und Obama wurde gewählt, um Amerikanern das ersehnte wir-sind-wieder-wer, wir-sind-die-moralische-Führungsriege-des-Planeten-Gefühl wiederzugegeben. Wenn er statt dessen Folterprozesse initiert, dürften seine Ratings rasch die gleichen Niedrigwerte erreichen wie die seines Vorgängers.

Da sich der Rest der Welt aber doch irgendwie für die Aufarbeitung interessiert, hier ist mein Vorschlag. Sourct die Aufarbeitung der US-Vergangenheit doch einfach aus. Und zwar an Deutschland. Wir haben damit 1a Erfahrung, wir haben massenhaft Behörden, die sich professionell mit der Aufarbeitung von jahrzehntelangen Kriegsverbrechen und Bürgerrechtsverletzungen befassen, wir haben Universitäten, die dazu ganze Forschungszweige eingerichtet haben, und wir haben eine komplette Industrie, die in der Lage ist, die nötigen Zeitungsartikel, Bücher, Filme, Dokumentationen, Kalender und bedruckte Kaffeebecher zu produzieren, langfristige Zahlungspläne für Reparationen zu erstellen, sowie Reisen in die Opfergebiete zu organisieren. Und ehrlich, wollen wir, dass die alsbald arbeitslos werden?

Solange können die Amerikaner ihre Krankenversicherung aufbauen. Das heißt, jetzt, wo ich darüber nachdenke, vielleicht sollten wir das auch noch übernehmen. Wir haben damit schließlich ebenfalls Erfahrung seit Bismarcks Zeiten. Derweil könnte Obama, ich weiß nicht, den Streit zwischen Jon und Kate schlichten.

Eva C. Schweitzer, Manhattan  Moments. Geschichten aus New York, erschienen bei Droemer-Knaur, Juni 2009,Taschenbuch, 9,95 €

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