vonChristian Ihle 11.08.2010

taz Blogs


Willkommen auf der Blogplattform der taz-Community!

Mehr über diesen Blog

Eine schoene Idee: bevor der ganze Festival-Open-Air-Wahnsinn mit atemberaubenden Headlinern (Iggy & The Stooges! Pavement! The Specials! LCD Soundsystem! M.I.A.!) ueber uns hereinbricht, fuehrt uns das Oya Festival in der Nacht zuvor in die kleinen Clubs des beschaulichen Oslo und stellt uns norwegische Acts vor.

Traditionell wird das Festival aber von einer Stummfilmvorfuehrung eroeffnet, die in jedem Jahr eine andere Band live beschallen darf. 2010 wurde diese Ehre Aethenor zuteil, einer Supergroup um Sunn O))) – Mastermind Stephen O’Malley mit Daniel O’Sullivan (Guapo), Kristoffer Rygg (Ulver) und Freejazz-Drummer Steve Noble.

Meshes Of The Afternoon

Noch sensationeller war aber der eigentliche Stummfilm, der aufgefuehrt wurde, handelte es sich dabei doch mitnichten um eine norwegische Nosferatu-Variante aus den 20ern, sondern vielmehr um den sagenumwobenen („Maya Deren’s 18-minute feminist classic is one of the most important and influential experimental films of the 20th century“ – All Movie Guide) „Meshes Of The Afternoon“ von Maya Deren, der als Hauptinspiration fuer „Inland Empire“ von David Lynch gilt. Und tatsaechlich: hinsichtlich der Bildsprache ist kaum ein anderer Film so nahe an dem spaeten Lynch („Mulholland Drive“, „Lost Highway“ oder eben „Inland Empire“) wie Derens surrealer Avantgarde-Film aus den 40ern, ein schwer zu entschluesselnder Albtraum um Identitaet, Spiegelung, Mord und Paranoia.

[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=MDGBFLPCaDE[/youtube]
.

Nach diesem ueberraschenden wie ueberwaeltigenden Erlebnis sich in die profanere Giglandschaft zu stuerzen, ist erst einmal keine leichte Uebung, was durch die kompetente norwegische Altmaennerband Sister Rain (= Crosby + Stills + Nash + Young – Harmonien) im Folgenden nicht gerade vereinfacht wurde. Auch Caroline & The Treats koennen mit ihrem Ramones meets Twisted Sister via 50s Bubblegum Rocknroll nur in wenigen Momenten ueberzeugen, zumeist wenn die Loesung der Gleichung hauptsaechlich Ramones hiess. Trash, vielleicht bewusster, aber eben dennoch ohne Halbwertszeit.

Freudiger wurden wir von den bereits letztes Jahr begutachteten The New Wine ueberrascht, die die guten Ansaetze bestaetigen. Im letzten Jahr noch als Erlend-Oye-Protegees uns nahe gebracht, haben The New Wine nun derartiges Namedropping nicht mehr noetig und aehneln im Sound sowieso mehr Hot Chip als dem Whitest Boy Alive. Manchmal mag ihre jugendliche Begeisterung den warm und dicht geknuepften Electro-Soul-Teppich unnoetig aufrauen und die The-Rapture-Ausfluege nicht ganz zum sonstigen Set passen, aber ohne Frage eine junge Band mit grosser Zukunft.

Den Abend beschliessen wir mit der Formel Twee x Twee. The Little Hands Of Asphalt und My Little Pony geben sich zusammen die Ehre, was zunaechst einmal unsinnig viele Menschen auf der Buehne und den Gefahr einer musikalischen Ueberzuckerung ergibt, aber vor allem von den Little Boys & Girls Of Asphalt gerettet wird, die uns ganz fabelhafte Sommer-Gras-Briefchenschreib-Musik vorspielen. Schoen! (Christian Ihle)

[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=E2wuq7wrAQQ[/youtube]

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/oya-festival_tag_0_meshes_of_the_afternoon/

aktuell auf taz.de

kommentare