vonsaveourseeds 19.08.2009

taz Blogs


Willkommen auf der Blogplattform der taz-Community!

Mehr über diesen Blog

Daniel BarenboimSommerfrische, ein Konzert, der Wahlkampf haben uns zu diesen Überlegungen verführt, die nichts mit dem üblichen Gegenstand dieses Blogs zu tun zu haben scheinen.

Leichtigkeit, Perfektion, Einfühlsamkeit und Inspiration gehören zu den Gaben, die wir von guten Musikern dankbar und beseelt entgegennehmen. Sie lassen es uns nicht spüren; aber freilich wissen wir, dass all die Selbverständlichkeit mit der sie uns den Genuss der Musik bereiten, auf harter, manchmal monotoner Arbeit beruht: Üben, üben, üben, täglich an der eigenen Technik feilen, wochenlang in ein neues Stück vertiefen, einzelne Passagen repetieren, variieren, befragen bis das Kunstwerk zu guter Letzt wie von selbst dahin fließt. Der gute Meister dient dem Stück, niemals umgekehrt. Auch wenn es uns ohne ihn nicht erfahrbar würde und wenngleich er ihm seine ganz eigene Note gibt: Nicht soll uns von Geist und Genie des Werkes ablenken, alle Konzetration und Hingabe sich ihm unterordnen. Je vollständiger der Musiker hinter der Kraft des Werkes zu verschwinden scheint, je vollkommener er mit Orchester und Dirigent harmoniert, desto perfekter seine Meisterschaft und grossartiger seine Leistung.

Wäre solch ein guter Musiker oder eine solche Meisterin nicht das ideale Vorbild für Politiker? Ist bei ihnen nicht wie bei jenen Leichtigkeit, Perfektion, Einfühlsamkeit und Inspiration das Ergebnis harter Arbeit und Übung am Detail? ist Hingabe an das Werk, das sie nie als das eigene zu präsentieren suchen, nicht auch hier der Ausweis wahrer Meisterschaft? Genießen wir nichr dankbar bereits jede Andeutung derartiger Virtuosität auf dem politischen Parkett? Und ist es nicht das Verschmelzen von Botschaft und Person, an der wir das Ausnahmetalent erkennen?

Gewiss, wäre das gewogene Musikpublikum so generell und hemmungslos miesepetrig wie das Wahlvolk und so gänzlich auf den kleinsten Misston versessen wie die durchschnittliche TV-Moderation, könnten auch die Künstler zwischen Kritik und schlechtem Geschmack kaum unterscheiden. Dennoch weist der Vergleich darauf hin, dass wahre Meisterschaft zu 90 Prozent auf einer auf dem politischen Parkett stark vernachlässigten Tugend beruht: Üben, üben, üben. Und hören, natürlich. Die gute Nachricht für die Politker ist: Die berühmten restlichen 10 Prozent, die damit nicht zu erreichen sind, müssen nicht schon im Vorschulalter erkannt und gepflegt werden. Im Gegenteil: Lebenserfahrung ausserhalb der Kunst schadet in diesem Falle ganz und gar nicht. Genie kann sich also auch noch im hohen Alter entpuppen.

Der Republik und ihren Bürgerinnen und Bürgern wäre jedenfalls sehr gedient, wenn sich Politikerinnen und Politiker eher an Musikerinnen und Musikern orientierten als an Entertainern (nichts gegen deren Fähigkeiten!) oder Selbstdarstellern. Das gilt notabene freilich auch für die meisten anderen Berufe, möchten wir bescheiden anmerken. Das mit der Kraft kommt dann meist von alleine und bedarf keiner besonderen Erwähnung.

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/piano_und_politik/

aktuell auf taz.de

kommentare