vonClaudius Prößer 03.04.2009

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Spätestens seit die ultrarechte UDI ihn auch zu ihrem Präsi­dent­schafts­kandidaten gekürt hat, gilt Sebastián Piñera wieder als sichere Karte für die Wahl im Dezember. Jedenfalls bei seinen Anhängern und den Demoskopen. Dass die Mehrheit der Chilenen sich nicht im letzten Au­genblick doch noch gegen den Geschäftsmann entscheiden könnte, ist nicht ausgeschlossen.

Denn genau diese Eigenschaft – Piñeras Geschäftstüchtigkeit, die ihm ein Vermögen von einer guten Milliarde US-Dollar und Platz 799 auf der Forbes-Liste der reichsten Menschen eingebracht hat – kommt nur in guten Zeiten gut an. Aber jetzt stehen die Zeichen auf Krise, und zu allem Überfluss ist die Sache mit den Apotheken passiert.

Das pharmazeutische Geschäft in Chile ist stark konzentriert, bei den Apotheken herrscht ein Oligopol aus drei Wettbewerbern. Wie gut dieser Wettbewerb tatsächlich funktioniert, steht spätestens zur Debatte, seit der größte der drei, die Kette Farmacias Ahumada (Fasa), erklärt hat, mit den Konkurrenten Preisabsprachen bei rund 200 Medikamenten getroffen zu haben. Das soll aufs Konto einzelner Manager in untergeordneter Position gehen und lediglich den Zeitraum von November 2007 bis März 2008 betreffen – aber der Skandal ist in der Welt, und vielleicht kommt ja auch noch etwas nach. Noch leugnen die anderen beiden Firmen, Cruz Verde und Salcobrand, die Anschuldigungen gegenüber der ermittelnden Fiscalía Nacional Económica, der Staatsanwaltschaft, die das Kartell aufgedeckt hat.

Das macht auch Sebastián Piñera schlechte Laune – vor allem, weil er, wie jetzt bekannt wurde, ein paar Millionen Dollar in Fasa-Aktien investiert hat. Das ist wenig im Vergleich zu seinen großen Beteiligungen bei der Fluggesellschaft Lan Chile und dem Fernsehsender Chilevisión, in deren Direktorien er sitzt, und im Vergleich zu diesen Unternehmen muss er über das Geschäftsgebahren der Groß-Apotheker auch nicht en detail Bescheid wissen. Aber die öffentliche Wirkung solcher Erkenntnisse ist verheerend, zumal der Möchtegern-Präsident verlautete, er sei empört und werde „bei nächster Gelegenheit“ seine Fasa-Papiere verkaufen. „Bei nächster Gelegenheit“ soll wohl heißen: wenn der Kurs wieder besser steht. Auf eine Gewinnmitnahme verzichtet ein Piñera nicht.

Um einen Eindruck davon zu erhalten, wie der Mann mit den ewig hochgekrempelten Hemdsärmeln tickt, hier ein Interviewausschnitt:

O-Ton Piñera: „Chile ist ein großartiges Land mit einer wunderbaren Zukunft …blabla … aber in der Politik muss wieder gute Arbeit geleistet werden … blabla … zu viele inkompetente Politiker … blabla … meine wahre Berufung ist der öffentliche Dienst … blabla … ich selbst werde alle wirtschaftlichen Aktivitäten einstellen, wenn ich Präsident bin … blabla … wirtschaftlicher Erfolg ist doch keine Sünde … blabla … ich bin sehr stolz darauf, immer hart gearbeitet zu haben und früh aufgestanden zu sein … blabla … die Chilenen wissen so etwas auch zu würdigen.“

Wenn man Sebastián Piñera heute bei Youtube sucht, stößt man freilich an erster Stelle auf ein anderes Video: die Parodie des Imitators Stefan Kramer beim Festival von Viña im Jahr 2008, schon ein richtiger Klassiker. Kramer hat Piñera einen Satz in den Mund gelegt, den heute jeder kennt: Soy de bracitos cortos pero agarro harto. Piñera hat tat­sächlich kurze Ärmchen – und dass er mit ihnen dennoch eine Menge Geld zusammengerafft hat, kann auch niemand bestreiten.

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