Nur ein Wunder kann noch verhindern, dass eine grosse, rote Welle in den Kongress schwappt. Rot wie die Republikaner und ihre rechte Unter-Organisation, die Tea-Party.
Als ich nach Washington kam, wollte ich über ein Land berichten, das im Wandel war. Eines, das vor zwei Jahren den historischen Mut hatte, einen Präsidenten zu wählen, der anders aussieht, als seine Vorgänger. Der aus keiner Familie kommt, die schon immer oben war. Und der große soziale, gesellschaftliche und politische Projekte für die USA hatte.
Damit scheint es fürs Erste vorbei. Ich muss mich jetzt auf ein Land einstellen, das Angst hat und sich der Vergangenheit zuwendet. In dem keine Reform möglich ist. Und das zwei Jahre Blockade beginnt. Stillstand, statt Bewegung.
Präsident Obama hat bis zuletzt versucht, seine Landsleute zu überzeugen, dass er mehr Zeit braucht. Unter anderem tat er es mit einer Geschichte, die für den Zustand der USA steht.
Es geht um ein Auto, das in den Graben gefahren wurde. Obama und andere stehen unten – im Matsch – und schaufeln das Auto frei. Die Republikaner gucken von oben mit gekreuzten Armen zu und feixen. Als das Auto endlich nach oben gehievt ist, verlangen die Republikaner die Schlüssel zurück. „Nein“, sagt Obama, „ich will euch die Auto-Schlüssel nicht geben. Ihr könnt nicht fahren“.
Die Geschichte ist eine demokratische Variante von Sisyphus. Der Präsident hat sie 35 mal im Wahlkampf erzählt. Unter anderem in Seattle im Bundesstaat Washington, in Milwaukee im Mittleren Westen, in New York City und zuletzt am Sonntag in der Autostadt Cleveland, in Ohio.
Überall hat Obama mit seiner Auto-Geschichte die Lacher auf seiner Seite gehabt. Doch die Meinungsforscher glauben nicht, dass er die demokratische Mehrheit im Repräsentantenhaus retten konnte.
Auch bei den Demokraten glaubt kaum jemand, dass es reicht. Aber sie wollen nicht aufgeben. Bis zur Schliessung der Wahllokale am Dienstag Abend wollen Demokraten noch versuchen, die Wähler zur Urne zu bewegen: Mit Telefonanrufen, per Mail und mit persönlichen Hausbesuchen.
Von Virginia aus hat „moveOn“, der linke Flügel der Demokraten, 36 Stunden vor der Schliessung der Wahllokale ein Mail an seine Mitglieder verschickt. Darin werden sie aufgefordert, alle anderen Pläne am Wahltag zu verschieben, um den Demokraten Gerry Connolly in Falls Church zu unterstützen: „Damit das Land nicht von den Tea-Party-Verrückten übernommen wird.“
Die Betreffzeile des Mails der Parteilinken klingt wie das Flehen um ein Wunder: „Please please please“.