Können Unternehmen, die Rohstoffe aus den Kriegsgebieten im Osten der Demokratischen Republik Kongo, wegen Mitverantwortung für Kriegsverbrechen dort haftbar gemacht werden? Dieser brisanten Frage widmete sich Ende letzter Woche eine hochkarätig besetzte Konferenz von Juristen und anderen Experten am prächtigen Sitz des Internationalen Gerichtshofs (nicht des Strafgerichtshofs) in Den Haag.
Präsentiert wurde auf der „Pillage Conference“ ein Handbuch „Corporate War Crimes: Prosecuting the Pillage of Natural Resources“ des Juristen James Stewart in Zusammenarbeit mit der Open Society Justice Initiative. Das Hauptargument: Das im Völkerrecht verankerte Kriegsverbrechen der „Plünderung“, das bereits bei den Nürnberger Prozessen 1946 zur Anwendung kam, könnte auch gegen Ankäufer ostkongolesischer Mineralien geltend gemacht werden.
Grundlage dafür ist die weitverbreitete Analyse, wonach der Krieg im Ostkongo durch Rohstoffverkäufe am Leben gehalten wird und die Kriegsparteien sich um Rohstoffvorkommen streiten, mit deren Erlösen sie ihren Krieg finanzieren. Zahlreiche internationale Initiativen sind bereits im Begriff, den traditionell äußerst desorganisierten Rohstoffhandel Ostkongos besser zu regulieren, um Kriegsherren Zugriff auf die Einnahmen daraus zu verwehren.
Man kann über diese Analyse streiten. Kongos wichtigste Bergbaugebiete Katanga und Kasai sind keine Kriegsgebiete, der Krieg in den ostkongolesischen Kivu-Provinzen begann aus anderen Gründen und wird von allen Kriegsparteien immer anders gerechtfertigt. Die Bergbaugebiete Ostkongos sind keineswegs die wichtigsten Kampfzonen, und die Erlöse daraus sind keineswegs die wichtigste Einnahmequellen der Warlords – die leben von der direkten Ausplünderung der Bevölkerung, dem Stehlen von Ernten, der Besteuerung der Bauern. Und davon, daß sie gut im gesamten Wirtschaftssystem der Region verankert sind. Sie sind schließlich Teil der Gesellschaft. Oftmals sind es politisch und ökonomisch wohletablierte Familien der Region, die sich Milizen zulegen, um ihre Wirtschaftsinteressen und ihren Status zu verteidigen. Kivus Wirtschaft, wie bereits in diesem Blog dargelegt, lebt seit der Zerstörung der kommerziellen Landwirtschaft vom Rohstoffexport, ohne dessen Erlöse keinerlei Lebensmittel oder andere Güter des täglichen Bedarfs vor allem für die wuchernden Städte der Region importiert werden könnten. Der staatlich verfügte Stopp des Bergbaus im September führte demgegenüber zu einer Wirtschaftskrise und dies hat die Unsicherheit eher verstärkt. Von daher ist zu bezweifeln, ob Käufern ostkongolesischer Mineralien eine Mitverantwortung für die von ihren Lieferanten begangenen Kriegsverbrechen unterstellt werden kann.
Doch die Diskussion in Den Haag ging gar nicht so sehr ins kongolesische Detail, sondern beschäftigte sich vor allem mit den abstrakten Rechtsfragen. Und auch diese haben es in sich.
Plünderung als Kriegsverbrechen im internationalen Strafrecht, so wurde dargelegt, ist nicht gleichzusetzen mit der Ausbeutung natürlicher Ressourcen. Es ist ja nicht so, daß ausländische Firmen in den Ostkongo gehen und dort Mineralien stehlen. Sie kaufen sie Kongolesen ab. Dies ist ein Geschäft im gegenseitigen Einvernehmen. Plünderung aber bedeutet die Aneignung von Eigentum gegen den Willen des Besitzers. Dies ist nicht gegeben, wenn jemand im Ostkongo Rohstoffe kauft.
Denn um das Eigentumsdelikt Plünderung überhaupt anzuwenden, muß zweifelsfrei festgestellt werden, wer denn der Geschädigte ist. Bei Ostkongos Minen ist das gar nicht so einfach, denn oftmals ist das Eigentum an einem Bergwerk oder einem Stück Land unklar, weil unterschiedliche staatliche Stellen zu unterschiedlichen Zeitpunkten denselben Eigentumstitel an unterschiedliche Parteien vergeben haben; genau dies ist der Grund für manche lokalen Konflikte in Kivu.
Um einen geschäftlichen Vorgang als Plünderung im strafrechtlichen Sinne darzulegen, müssen unter anderem folgende Elemente bewiesen werden: Die Abwesenheit von Einvernehmen zwischen den beiden Parteien; die kriminelle Intention des Aneigners; der „Nexus“ zwischen Geschäft und bewaffnetem Konflikt. Die Behauptung, jemand habe Rohstoffe gekauft, die dem Verkäufer nicht gehören – das ist ja der Vorwurf, der Käufern von Mineralien aus Bergwerken unter Kontrolle von Milizen im Ostkongo gemacht wird – allein reicht noch nicht aus. Wenn das Eigentumsdelikt Plünderung nicht im wörtlichen Sinne des Wegtragens von Besitz durch marodierende Kämpfer zu verstehen ist, ist es außerdem in der Regel keine Sache für das internationale Strafrecht. Es ist höchstens ein zivilrechtliches Delikt. Mit dem Zivilrecht können Verantwortungen, aber auch mögliche Konsequenzen wie beispielsweise Entschädigungsleistungen, viel feiner festgelegt werden. Das Strafrecht, sagte ein Teilnehmer, ist die schwerste Waffe im Arsenal des Juristen, aber auch die plumpeste.
Unternehmen, daran erinnerte der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs Luis Moreno-Ocampo, sind sowieso nicht vom Strafgerichtshof zu belangen. Wenn der Strafgerichtshof den Anklagepunkt der Plünderung in Anklagen aufnimmt, dann immer viel konkreter: weil jemandes Kämpfer Besitz von Zivilisten geplündert haben und weil man ihrem Kommandanten vorwirft, ihnen das explizit erlaubt oder gar aufgetragen zu haben. Das ist viel einfacher und klarer als die wolkige Frage, ob ein Mineraliengeschäft zwischen zwei im Konsens handelnden Parteien in Wirklichkeit als Kriegsverbrechen zu werten ist.
Wirtschaftsverbrechen mit dem internationalen Strafrecht zu verfolgen ist deshalb allerdings nicht zum Scheitern verurteilt. Geldwäsche, Korruption, auch Hehlerei – der Weiterverkauf gestohlener Güter – all diese Straftatbestände können durchaus auf so manches krumme Geschäft in den Kongokriegen zutreffen. Nur muß man dann auch diese Straftaten verfolgen und nicht mit der Allzweckwaffe „Plünderung“ danebenhauen.
Immerhin schimmerte in dieser ganzen gutbegründeten Juristenskepsis eines durch: Ausplünderung durch Unternehmen hat es in der Weltgeschichte durchaus gegeben. Auf ihr beruht der gesamte Reichtum des Westens. Daß man sich jetzt zumindest Gedanken macht, ob westliche Unternehmen für ihren Reichtum gegenüber ausgeplünderten Bevölkerungen in anderen Weltregionen geradestehen sollten – das ist durchaus bedenkenswert. Mit dem Konflikt im Ostkongo hat es nichts zu tun, wohl aber mit dem Selbstverständnis der von westlichen Ländern ausgehenden universellen Rechtsansprüche.