Pokemones: Sexuelle Revolution bei den chilenischen Kids
In Europa flößt das „Emo“-Phänomen den Eltern Angst ein: Grell geschminkte Teenager, die der Bisexualität frönen und mit morbiden Gruppierungen sympathisieren, sorgen bei den Erwachsenen für Unbehagen. In Chile gilt die Bewegung, die dort „Pokemone“ genannt wird, als so skandalträchtig, dass sogar die Fernsehnachrichten als Aufmacher darüber berichten. In einem erzkatholischen Land, dessen kulturelles Leben noch immer von den Jahren der Diktatur geprägt ist, zeigen sich die Pokemones ungeniert in öffentlichen Parks, wo sie nicht selten Opfer rechtsextremer Skinheads werden. Das Kamerateam von „Tracks“ hat sich in den Straßen Santiagos und in den Diskotheken der chilenischen Jugend umgeschaut, wo der „Ponceo“ getanzt wird – ein Tanz, der das Liebesspiel imitiert. Und traf auf eine neue Generation, die sich mit allen Mitteln von den Fesseln der Zensur und der moralischen Unterdrückung befreien will.
Der erwähnte Tanzstil heißt übrigens „Perreo“ und nicht „Ponceo“ – bei letzterem handelt es sich um das im Rausch des Reggaeton fast schon sportlich betriebene promiske Knutschen und Rummachen. Naturgemäß ist das Thema in den chilenischen Medien selbst längst durch, aber das Phänomen der schwarzbunten, androgynen Jugendlichen (die man anderswo vermutlich unter Visual Kei kategorisieren würde) lebt erst einmal weiter.
Auf die sexuelle Experimentierlust der jungen Chilenen war die New York Times schon vor einer Weile gestoßen und hatte ein wenig gründlicher recherchiert – denn die vom Internet beflügelte neue Freizügigkeit beschränkt sich keineswegs auf die zahlenmäßig überschaubare Gruppe der pokemones.