vonHelmut Höge 14.09.2009

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Der Helgoländer Bademeister Hinnerk Tewsen hat sich mittlerweile mit dem Verkauf von Helgoland-Pollern als Insel-Souvernir für Haus und Hof, Ein- und Ausfahrten sowie Fußgänger und Gewerbezonen auf dem Festland einen anständigen Nebenverdienst geschaffen. Photo: Peter Grosse

Noch einmal zur Schöneberger Bürgerinitiative „pro Gasometer contra Müller“. Die SPD nutzt den Gasometer ebenso wie die CDU das Charlottenburger Tor als Wahlplattform, wie erschreckte Anwohner anhand des Lautsprechergedröhns in Schöneberg feststellen mußten. Sie waren sowieso schon wütend, weil auf dem Gelände des Cheruskerparks im Norden des Gasometer-Müller-Geländes plötzlich alle Bäume und Büsche gefällt wurden. Dort gab es eine Grundstücksvergrößerung, die man angeblich Gasometer-Müller verdanke. wie es aus dem Rathaus tönte. „Alles Verarschung!“ meinte dagegen jemand aus der BI.

Die Rodungsarbeiten wurden dann damit begründet, dass das dichte Unterholz der Kinderschänder- und Drogen-Scene Anschleichen, Unterschlupf und Entkommen erleichtert habe. „Alles Quatsch!“ meint dagegen eine Aktivistin aus der BI, die dazu noch anmerkt, dass man einen  derartigen  Kahlschlag veranstaltet habe, dass jetzt ein teures aufwendiges Sonnendach über die dortigen Spielplatzeinrichtungen gespannt werden mußte – damit die lieben Kleinen keinen Hautkrebs bekommen.

Der Wikipedia-Eintrag über ein anderes Müller-Objekt – das Oderberger Bad im Prenzlauer Berg – ist noch immer nicht auf dem neuesten Stand – und angeblich gibt es auch einen Mängelbericht vom diensthabenden Wikipedia-Zensor/Lektor den ganzen Eintrag betreffend. Bevor er gelöscht wird, hier ein Absatz daraus:

Im Januar 2007 kaufte die Stiftung Denkmalschutz Berlin das Gebäude für 100.000 Euro. Das Gebäude sollte baulich saniert und anschließend an die Schweizer Firma Kannewischer übergeben werden, die das Bad betreiben und zu diesem Zweck in die Ausstattung investieren wollte. Die Gesamtkosten wurden auf 17 Millionen Euro geschätzt. Im Juni 2008 wurde bekannt, dass die Stadtentwicklungsverwaltung in Aussicht gestellte Fördermittel in Höhe von 2,5 Millionen Euro nicht bereitstellen wird, wodurch sich die Sanierung weiter verzögert. Das Bad wird nun zunächst wieder für kulturelle Zwecke genutzt um die laufenden Kosten des Gebäudes zu decken.

Im Juli 2008 wurde bekannt, dass eine angrenzende Sprachschule Interesse hat, das Gebäude zu übernehmen. Die Schwimmhalle soll saniert werden und in den Freizeitbereich der Schule integriert werden, jedoch zeitweise auch öffentlich zugänglich sein. Andere Gebäudeteile sollen zu Schulräumen werden. Die Stiftung Denkmalschutz Berlin hat jedoch noch nicht entschieden, wie sie mit dem Bad weiter vorgehen will.

Seit Anfang 2008 wird das Stadtbad für Firmen- und Privatfeiern genutzt. Es wurde ein Geländer um das Becken eingebaut und die Leitern entfernt. Das Becken besitzt jetzt auch eine einheitliche Tiefe von etwa 1,60m und es ist mit Auslegware ausgelegt. Die Wände und Bögen im Beckenbereich wurden mit Gipsplatten verkleidet und die Toiletten wurden renoviert.

Es gibt außer auf den Toiletten kein Wasser im Gebäude, Beheizung erfolgt durch zwei Dieselheizungen.

Feiern fanden auch früher schon statt – von der BI Oderberger Straße, die dann auch das Bad kaufen wollte – als Genossenschaft.  Hier war es also mal umgekehrt: Erst war da die BI und dann Archi Müller. Darüber berichtete ich zuletzt – unter der Überschrift:

„Fun ist ein Stahlbad“

Es begann vielleicht mit dem Film „Tuwalu“, den die von Bernd Holtfreter gegründete Berliner „Genossenschaft Stadtbad“ zeigte, um neue Mitglieder für den Kauf des stillgelegten Oderberger Bad im Prenzlauer Berg zu werben. Die Genossen, die bereits Anfang der Achtzigerjahre mit einer Bürgerinitiative den Abriß der halben Oderbergerstraße verhindert hatten (mit Anlegen des Biergartens „Hirschgarten“), wollten aus dem denkmalgeschützten Objekt ein „Kunstbad“ machen, d. h. man sollte dort in Zukunft baden und saunen können, gleichzeitig sollte aber auch Platz für Kunst- und Kulturveranstaltungen geschaffen werden. Das Drehbuch für den Film „Tuvalu“  schrieb Michaela Beck – ein ehemalige Ostberliner Kunstspringerin aus der „2. Volksbadeanstalt Oderberger Straße“. In ihrem Film geht es um einen blinden Bademeister in einem völlig maroden und deswegen geschlossenen Schwimmbad (die 1. Volksbadeanstalt von Sofia). Sein Sohn und die Kassenfrau simulieren für ihn jeden Tag vitalstes Badegeschehen. Dann bricht jedoch eine Schwimmerin, die Kasachin Chulpan Hamatova, in die Idylle ein – und alles verändert sich … Aber es gibt ein (märchenhaftes) Happyend. Selbst superkritische Kinder konnten sich für diesen Film begeistern, einige unkritische Mütter sahen ihn fünf Mal. Wer Mitglied der Massenorganisation Genossenschaft Stadtbad werden wollte, zahlte 100 DM Eintritt.

Aus dem Erwerb des Bades wurde dann aber doch nichts: Bernd Holtfreter erkrankte an Krebs – und starb. Der Architekt Reinhard Müller, dem neben vielen Baufirmen auch die Stiftung Denkmalschutz Berlin gehört, erwarb das Oderberger Bad für schlappe 100.000 Euro. Er will es angeblich ganz im Sinne des „Genossenschafts-Konzepts“ sanieren, braucht dazu aber „öffentliche Zuschüsse“, die er jedoch nicht bekommt, denn seine private „Stiftung Denkmalschutz“ erregt in immer mehr Bezirken wachsenden Unmut. Dafür gibt es nun aber einen weiteren Interessenten für das 1899 von Ludwig Hoffmann erbaute Bad, er wurde vom Bezirk Pankow-Prenzlauer Berg ins Spiel gebracht: Eine private Sprachschule gleich um die Ecke, die daraus für ihre wachsende Schülerschar  ein Hostel nebst Spaßbad machen will. Ein Stahlbad des Fun, hätte Adorno dazu vielleicht gesagt.

Die Realentwicklung dahin sah zunächst fast harmlos aus: in Zürich – bei den alten Bürgerbädern am See: plötzlich relaunchten die sich alle. Die Eintrittspreise wurden erhöht, statt Würstchen und Bier gab es plötzlich Lachsbrötchen und Prosecco – und jeder Gang zum Becken war fortan wie ein Casting auf dem Catwalk. Selbst die noch an „Baywatch“ geschulten Bademeister wurden erbarmungslos durch noch „coolere“ ausgetauscht. An der Spree in Berlin eröffnete neben vielen sogenannten „Strandbars“ ein „Badeschiff“ für Singles, angeblich „das außergewöhnlichste Bad Europas“, und im Umland ein Familienbad namens „Tropical Island“, das sich den Non-Singles als „größte tropische Urlaubswelt Europas“ anpreist.

Für die sich darob ins Dunkle Flüchtenden kamen gleichzeitig immer mehr Bäderfilme in die Kinos. „Tuvalu“ war nur der Anfang. Es folgte der in Budapest gedrehte Film „Prinzenbad“ – über einige exzentrische Männer und einen charismatischen Bademeister im berühmten Gellert-Bad. Der im eher berüchtigten Kreuzberger Freibad gedrehte Dokumentarfilm „Prinzessinnenbad“ – über drei minderjährige Grazien aus dem dortigen Multikulti-Kiez. Der französische Spielfilm „Waterlillies“ über zwei ebenfalls blutjunge Synchronschwimmerinnen. Dann „I was a Swiss Banker“, der an und in Schweizer Seen gedreht wurde – großteils unter Wasser. Der politische  Dokumentarfilm „Darwins Alptraum“, in dem es – ebenfalls mit Unterwasseraufnahmen – um den Victoriabarsch geht. Der US-Animationsfilm „Findet Nemo“ – er handelt von den Abenteuern eines Clownfischs. Allein 30 Millionen DVDs wurden davon verkauft. Anschließend bildeten sich lange Schlangen vor den „Sea Life Aquarien“ – wegen der lebenden Clownfische. Das Aquarium im Berliner Zoo stellte Schilder auf: „Zu den Clownfischen im Erdgeschoß rechts das dritte Becken“. Darauf folgten  die 3D-Filme des Cousteau-Sohns Jean-Michel – erst über Haie, dann über Wale und schließlich über Delphine – in den Imax-Kinos. Und diese wurden dann persifliert von Wes Andersons Film: „Die Tiefseetaucher“.

Von all den aquaphilen Lichtspielen konnten die „Liquid Sounds“ profitieren, die der Aquanaut Micky Remann erfand, nachdem er am Pariser Kongress „L’Océan Intérieure“ teilgenommen und   angefangen hatte, „Unterwasserkonzerte“ zu veranstalten – in Bad Sulza und im Berliner „Liquidrom“. Kürzlich veröffentlichte er auch noch ein autobiographisches Buch mit dem Titel „Ozeandertaler“. Die Online-taz öffnete einen blog über das „Prinzenbad“. Und der Online-Markt „Shopping.com“ offerierte im Internet „Bäder – Filme, günstig kaufen“. Daneben sind   die „Pool-Pornos“ inzwischen drauf und dran, sich zu einem eigenen Genre zu entwickeln. Aus den verdrucktesten „Naßzellen“ wurden unterdes wahre Fitnessoasen, obwohl das Wasser immer teurer wird: Die Bäder ebenso wie die Wasserwerke hat man inzwischen fast alle  privatisiert – und „Wasserversorger mit privatem Kapital neigen zu höheren Preisen als öffentliche Anbieter,“ erklärte dazu die FAZ, die früher genau das Gegenteil über diesen „unterschätzten Rohstoff“ behauptet hatte, nämlich dass durch die  Privatisierungen eine Konkurrenz entstehe, die sich günstig auf die Preise auswirke. Die „Dehydrierung“ wurde als  lebensgefährlich erkannt, und laufend kommen nun neue Mineralwasser-Marken auf den Markt. Für die Münchner „Kunstzeitung“, sind deren Verpackungsdesigner bereits „die wahren Interpreten unserer Zeit“, weil sie allein durch die „Gestaltung von Flaschenform und Verschlusskappe darüber entscheiden, ob man das Trinken von Mineralwasser als fitmachenden Event, als Akt der Entspannung oder als eine Art von Therapie empfindet“.

Erwähnt sei ferner die beliebte Veranstaltung des  Freiwilligen-Feuerwehr-Löschzugs Harsewinkel: „Wasserspiele“ sowie die vielen Internet-Foren von und für  „Natursektliebhaber“ – zwecks Austausch ihrer  Erfahrungen mit der „nassen Variante der Erotik“. Vorläufiger Höhepunkt dieser ganzen schon ins Hysterische überschwappenden Wasser-Wellness-Woge war neulich ein Spiegel-Interview mit dem Träger des Stockholmer „Wasserordens“ John Anthony Allan: „Ein Bewohner der Industrieländer verbraucht rund 5000 Liter pro Tag,“ meinte er, der Vegetarier ist, nicht aus Tier- sondern aus Wasserliebe, weil er nämlich als Gemüseesser  „nur halb so viel Wasser wie ein  Fleischesser verbraucht“.

Statt des Oderberger Bades will jetzt eine Initiative um den Arzt Dr. Fabricius aus den Berliner Wasserwerken, die zum großen Teil der französische Global Water-Player „Veolia“ erwarb, eine Genossenschaft machen. Kürzlich lehnte der Senat jedoch die Zulassung eines Volksbegehrens dazu als verfassungswidrig ab. „Der Titel des Vorstoßes lautete: ‚Wir wollen unser Wasser zurück!‘. Im Frühjahr 2008 gestaltete der Westberliner Künstler Thomas Kapielski eine Ausstellung die er dem Trend zuwider „Benötigt Wasser den Freischwimmer?“ nannte. Seit neuestem gibt es nun auch noch einen weiteren Bäder-Film: „Brentanobad“ – von Pola Reuth. Die Frankfurter Psychologin geht dort im riesigen noch nicht relaunchten Rödelsheimer Becken fast täglich schwimmen. Irgendwann war sie so vertraut mit den Stammgästen und dem Personal, dass die sich von ihrer  Dreharbeit nicht mehr stören ließen. Heraus kam dabei eine halbstündige Dokumentation, die gelassen alle Aspekte des Zeitvertreibs in einem Freibad zu erfassen sucht. Man könnte sich das stundenlang ankucken – zumal nach diesem verregneten Sommer. Irgendwann fragt man sich jedoch: Was steckt bloß dahinter, dass plötzlich lauter Bäder- und Wasser-Geschichten über uns quasi  ausgekippt werden? Hat es damit zu tun, dass das „Naß“ angeblich immer „kostbarer“ wird und die Deutschen ständig mehr brauchen: Zwei Schwimmbecken pro Jahr (5300 Kubikmeter) – so viel Wasser verbraucht der durchschnittliche Europäer. Das ist viel zu viel, meint die Europäische Umweltagentur. In der hessischen Bademeister-Scene stößt vor allem Pola Reuths mit offizieller Genehmigung gedrehte  „Brentano-Bad“-Dokumentation auf großes Interesse, es geht darin u.a. um männliche Körperpolitik.

In Berliner Bademeister-Kreisen, die naturgemäß unter die Hausmeister-Scene subsummiert werden, hält sich hartnäckig das Gerücht, das der Vilmersdorfer Wisionär Architekt Müller vom Oderberger -Stahlbad-Projekt Abstand nehmen und stattdessen aus dem Schöneberger Gasometer, der ja bereits ein Wasserbecken beinhaltet, ein Tiefseebad machen will.

Abwracken ohne Schmu! „Erstmal ruft der hausmeister seine frau an: ‚Du,das haste noch nich gesehn.ich sizz hier auf`m poller & vor meine nase kippen se nagelneuste autos in die spree…..“, schrieb Peter Grosse zu diesem Bild.

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