vonlottmann 22.02.2009

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Interessant an dem Scheitern von Vanity Fair ist der damit erbrachte endgültige Beweis (geahnt hatte man es ja immer schon), daß es keinen kritischen Journalismus ohne wenigstens einen Funken politische Ökonomie geben kann. Kürzer ausgedrückt: Wer nicht zumindest als junger Mensch heimlich ein paar Seiten Marx (Feuerbach, Smith, Keynes, Sombard) gelesen hat, wird auch als Erwachsener die Welt nicht mehr begreifen. Er wird wie ein großes Kind im Dunkeln tappen und flaue Scherze über das Weltgeschehen machen. Alle kritische Haltung wird nur eine behauptete sein, eine Attitüde, in der Praxis nichts anderes als freudloses Meckern. In Österreich findet man diese Haltung besonders auffällig verbreitet. Fast alle dünken sich kritisch, doch so gut wie niemand ist helle. Gestandene SPIEGEL- und sogar die meisten ‘Stern’-Redakteure haben diese Grundausbildung in politischer Ökonomie noch, sie fließt in ihrem Blut, sie ist noch irgendwo im Unterbewußtsein vorhanden und beeinflußt ihre Weltsicht und ihr Schreiben, auch wenn natürlich niemand mehr die Begrifflichkeit der Makroökonomie oder gar der Marx’schen Analyse zu gebrauchen wagt. Bei Vanity Fair und ihrem gefallenen Engel Ulf Poschardt war das anders. Poschardt war Teil der ersten Jahrgänge, die in gar keiner Weise mehr mit der Theorie des Kapitalismus in Berührung gekommen waren. Trotzdem versuchten sie, nicht nur affirmativ zu sein, sondern MEHR als nur das. Ihr Programm hieß sozusagen ‘Affirmation plus x’. Aber da war kein Plus und kein X. Das Heft sah genauso aus wie alle anderen Condé Nast Produkte, eben papiergewordene Konsumismus-Ideologie. Ein Mann, der so beispiellos smart und cool und allwissend war wie Ulf Poschardt, der sogar einen Klassiker zum Thema ‘Coolness’ geschrieben hatte, lief dennoch genau in diese Falle. All sein überbordendes Internet-Datenschrott-Wissen bewahrte ihn nicht davor, nichts anderes als weißes Rauschen zu liefern, wertloses, zusammenhangloses Alles-und-Nichts. Niemand wußte, was Vanity Fair wollte. Vor allem: Ulf Poschardt wußte es selbst am wenigsten, wie zahllose Interviews zum Heftstart vor zwei Jahren belegen. Wie fatal daneben diese Haltung war und ist, wissen wir nun spätestens seit der Finanzkrise. Was die Welt im Innersten zusammenhält, ist offenbar nicht das neue Flacon von Givenchy, sondern hat mit Billionen und Trillionen zu tun, deren sonderbare Wege und vor allem Besitzer nun plötzlich ins Auge gefaßt werden.
Auch von Ulf Poschardt, nehme ich an. Und das ist gut so.

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