Der Bär flattert in östlicher Richtung.
Neulich nach einem Fischessen mit Regine und Carsten im Bellevue-Viadukt brauchten wir noch einen Absacker. »Ward ihr schon mal in der Newton Bar?«, fragte Carsten. »Nee«, sagte Jörg, »muß das sein? An Helmut Newton scheiden sich bekanntlich die Geister.« Aber neugierig waren wir doch.
Es stimmte alles: Das Licht, die Mahagonibar mit Messinggeländer, das in Hemingways Zeiten der einzige Halt war, den ein Mann hatte. Auch die blonden Damen im tief dekolletierten Schwarzen waren perfekt. Und der Barkeeper sah aus, wie man sich einen vorstellt, der sich zu geheimnisvollen einsamen Männern hingezogen fühlt, die schwer mit ihrem Schicksal ringen. Hier saßen solche Männer rum mit Truman-Capote- oder Woddy-Allen-Brillen und spielten Dandy oder Stadtneurotiker. Denn in Wirklichkeit gibt es eben nicht allzu viele Woddy Allens auf der Welt.
Die großen Fetischfotos der Modelle des Fotografen hatte man alle schon in Benedikt Taschens Coffee-Table-Books gesehen. »Hier saß Helmut Newton immer mit zwei Superfrauen an der Bar«, meinte Carsten. Regine bestellte einen Rhabarber Dream, Carsten erst einen Pike Creek und dann einen Zombie. Wir fragten nach einem Absinth. Es gab nur einen in dem ganzen riesigen Barbestand: ein Spanier, 80 %, Tunel. Den nahmen wir – zweimal leider! Er schmeckte nicht schlecht. Aber zu Hause hatten wir dann Magen- und Schädelprobleme.
Plakat von Alloton
Ich schlug in der ewigen Absinth-Wertungsliste nach und da hatte dann dieser Tunel red ein dickes Minus. Jedenfalls ist es ein Zeug, welches Èmile Zola in seinem Roman ›Die Schnapsbude‹ (L’Assommoir) beschreibt: »Boche kannte einen Tischler, der sich in der Rue Saint-Martin splitternackt auszog und beim Polka-Tanzen starb – er war ein Absinthtrinker.« Was uns zu dem Schluß brachte, daß in der Newton Bar nicht nur die Gäste Darsteller sind, sondern auch das Personal. Die Drinks, die er verkauft, sollte ein Barkeeper schon kennen.
(A / BK / JS )