vonLeisz Shernhart 11.07.2024

Poetik des Postfaktischen

Zu viel Form für zu wenig Inhalt: Zur Rolle des Kulturschaffenden in der postfaktischen Gesellschaft.

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Der Künstler führt den Stift zum Papier, lässt ihn geschmeidig über die Seiten gleiten. Das Schwarze erfüllt das Weiße mit Stolz, das Königsblaue besudelt das blühende Blatt. Der Schreiber lässt seinen Geist von der Leine. Ein gieriger muskelbepackter und vor Kraft strotzender junger Jagdhund fegt über eine frisch gemähte grüne Bergwiese, hinter der sich bewaldete Hügel mit vereinzelten Schneefeldern in den wolkenbehangenen Himmel abzeichnen. Vor dieser mentalen Kulisse nimmt der Spieltrieb des Weltenerschaffers Witterung auf. Als er die Fährte verfolgt, berühren seine Pfoten nur unmerklich den Boden. Jeder Muskel ist auf Anschlag gespannt. Scheinbar schwerelos gleitet der Verstand dahin und beseelt sich an frischen Gedankendüften. Diese sprudeln hervor, ein eiskalter Gebirgsbach plätschert in einen See, dessen Oberfläche sich jungfräulich in der Sonne spiegelt. Ganz ruhig liegt das Wasser vor dem raschelnden Grün. Er nimmt einen kurzen Anlauf und mit einem beherzten Sprung taucht der Verstand hinein. Rund um die Eintauchstelle bilden sich weite Kreise, Projektionsflächen der Assoziation. Sanft und anmutig gleitet der Ideenkörper durch das frische, klare Wasser. Jeder Armzug verkürzt den Abstand zur Ideenwelt, jeder Beinschlag führt den Schwimmer näher an das Ufer des einstigen Ideals. Als die Seele das Wasser verlässt, fühlt sich die Haut erfrischt. Für einen kurzen kostbaren Augenblick sieht der Verfassende klar.

 

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