vonLeisz Shernhart 01.11.2021

Poetik des Postfaktischen

Zu viel Form für zu wenig Inhalt: Zur Rolle des Kulturschaffenden in der postfaktischen Gesellschaft. Betrachtungen ohne abschließende Bewertung.

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Utopia. Eine Insel. Eine bessere Welt, eingelullt in Zelufan.  Un otro mundo. Wohlstand für alle bei gleichzeitiger Reduktion des Verbrauchs endlicher Ressourcen. Der Arbeiter gleichberechtigt mit dem Großindustriellen an der gedeckten Tafel und jeder frisst sein gleichgroßes mit Blattgold verschnörkeltes Schnitzel. Oder lieber zur technoiden Kakophonie das Tanzbein schwingend bei einem Schierlingsbecherchen möglichst Visionär daherlabern? Jolifantisch. In Wahrheit darf der Arbeiter einkaufen gehen, er darf kochen, den Tisch decken und servieren, aber nicht mitessen. Allenfalls darf er nach Beendigung des Festmahls abräumen, die Teller waschen und den fettfüßigen überschminkten Damen der Parteibonzen in den Mantel helfen, bevor er die verbrennungsmotorosierte Limousine vorfährt. Aber was weiß der Kulturschaffende schon über den Arbeiterstand? Ehrenloses Gesudel, die Tinte nicht wert auf die es gedruckt ist, pseudointellektueller Blindtext narzistisch verblendeter Sofasozialisten. Wie soll man den Wert der Dinge erkennen und benennen können, wenn die gedanklichen Fußfesseln, die einem ein fremdgesteuerter Kulturbetrieb, der sich freiwillig notgeil geifernd und devot streng kapitalistischen Fetischfantasien unterwirft, gerade mal von der Probenbühne bis in dem Saal reichen. Fest steht: diese Generation Kulturschaffender ist damit heillos überfordert. Gehen sie viral. Kreieren sie einen Hype und versuchen dabei ein Foto für Instagram aus dem Panzer zu knipsen. Schuster, bleib bei deinen leizten! Patriarchal archaische und streng vertikal hierarchisch organisierte gesellschaftliche Strukturen verweisen den Künstler auf seinen Platz am Bodensatz, wo er letztlich hingehört.

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