von 03.08.2010

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Die Regierungspartei ANC will nur 16 Jahre nach Fall der Apartheid die Pressefreiheit in Südafrika wieder einschränken.

Da Südafrika nach der WM keine anderen dringenderen Probleme hat  – wie in etwa die Wirtschaft anzukurbeln, mehrere Millionen Häuser zu bauen, die fremdenfeindliche Stimmung in den Townships zu besänftigen, oder sich gar um das zusammenbrechende Bildungssystem zu kümmern – widmet sich die Regierungspartei ANC (African National Congress) gerade lieber der Frage, ob die südafrikanische Presse ausreichend kontrolliert und reglementiert wird.

Seit zwei Tagen bespricht also das südafrikanische Parlament, ob man in Rahmen eines neuen Medien-regulierenden Gesetzespacket, dem Information Bill,  ein dem Parlament unterstehendes „Medientribunal“ einrichten soll,  das laut dem ANC: „die Medien haftbar macht“.  Denn die Regierungspartei ANC sei „der festen Meinung, dass die Medien zu dem Aufbau einer neuen Gesellschaft beitragen und daher für ihre Inhalte haftbar gemacht werden müssen. Der ANC will ein Ende für Redakteure und Journalisten, die öffentliche Bühnen dazu benutzen, eigene, selbstsüchtige Interessen und politische Agenden voranzutreiben, die die Demokratie in Südafrika bedrohen.“

Alles klar: Statt also den vielen korrupten südafrikanischen Politikern den Prozess zu machen (oder meinetwegen auch den Kriminellen auf der Straße – es ist ja nicht so, dass Südafrika in der Hinsicht an einem Mangel leidet) konzentriert man sich jetzt lieber erst einmal auf die böse, böse Presse.

Das von ANC anvisierte “Medientribunal“, soll die an sich sehr effektive südafrikanische Medienbeschwerdestelle (Press Ombudssystem) ablösen.  Der Grund: Die Mitglieder der bisherigen Beschwerdestelle werden von der Medienindustrie selbst ernannt – und das passt dem ANC  gar nicht, zumal ihm die Medien extrem viel Kopfschmerzen bereiten.  Er möchte die Mitglieder der Medienaufsicht gerne selbst bestimmen.

Die Medienbeschwerdestelle klärt kleinere Streitfälle – über Schadenersatzzahlungen, oder den Entzug von Lizenzen müssen bisher die südafrikanischen Gerichte entscheiden. Laut dem neuen ANC-Gesetzesvorschlag würden beide Aufgaben einem vom Parlament bestimmten Medientribunal unterliegen. Dazu muss man sagen, dass das südafrikanische Parlament zu zwei Dritteln mit ANC-Mitgliedern besetzt ist. Der ANC würde damit also die Kontrolle über die Medien gewinnen – bzw. alle notwendigen Mittel, um unliebsamen Journalisten und Publikationen das Leben schwer zu machen.

Der südafrikanische Presserat und sämtliche andere Institutionen schlagen Alarm und warnen, dass so ein Schritt die südafrikanische Pressefreiheit beschneidet und den „alten Apartheid-Stil-Taktiken entspricht.“

Nur der SACP (South African Communist Party) findet den Vorschlag super. Zumindest im Moment noch. Schaut man sich die letzten fünf Fälle an, mit denen die jetzige Medienaufsicht beschäftigt hat, wird schnell klar, warum: Das Beschwerdestelle hatte vor Kurzem einen kritisch berichtenden Journalisten gegen eine Beschwerden der SACP verteidigt. Dabei ging es um einen Bericht, dass der Vorsitzende der SACP tausende Rand Steuergelder für teure Hotelaufenthalte ausgegeben hat, statt sich mit der vom Staat zur Verfügung gestellten (leerstehenden und luxuriösen) Residenz zufrieden zu geben.

Blade Nzimande, SACP Vorsitzender und momentan südafrikanischer Minister für Hochschulbildung, wohnt lieber in den teuersten Hotels des Landes, statt in seiner Residenz. Die Rechnung übernimmt – selbstverständlich – der Steuerzahler. Damit es in Zukunft keine Diskussionen mehr darüber gibt, sollen Medientribunale eingerichtet werden, die unverantwortlich berichtende Journalisten zur Verantwortung ziehen.

Die Motive des SACP sind wieder einmal alles andere als undurchschaubar. Der SACP würde niemals einen Preis für politische Raffinesse gewinnen, aber mit dem ANC steht es auch nicht viel besser. So offensichtlich dreist der Gesetzesvorschlag des ANC auch ist, es wäre ein durchaus effektiver Zug.

Denn wenn die Presse erst einmal ruhig gestellt ist, lösen sich viele südafrikanische Probleme von alleine in Luft auf.

eure elena **

Elena Beis. Fettnäpfchenführer – My Name is not Sisi. Ein deutsches Pärchen reist durch Südafrika. Erschienen März 2010 bei Conbook Medien, 9,95€

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